Schweißer bei der Arbeit symbolisiert Energieintensive Industrien; Quelle: istockphoto.com/ Glen Jones

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Überblick

Die Energiewende und das Ziel der Klimaneutralität kann in Deutschland nur mit einem starken Industriestandort gelingen.

Innovative und wettbewerbsstarke Unternehmen tragen dazu bei, eine zukunftsorientierte Energieerzeugung, -speicherung und -versorgung sicherzustellen. Die energieintensiven Industrien liefern unverzichtbare Grund- und Werkstoffe für wichtige Zukunftsbranchen in Deutschland.

Der Industrie kommt eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaneutralität zu. Zwar konnten die CO2-Emissionen in der Industrie seit 1990 bereits um mehr als die Hälfte gesenkt werden, dennoch entsteht immer noch ein Fünftel der deutschen Treibhausgasemissionen in der Industrie. Für die energieintensiven Industrien ist die Vermeidung prozessbedingter Emissionen eine besondere Herausforderung.

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland soll durch die Energiewende und den Weg zur Klimaneutralität nicht gefährdet werden. Die Beschaffung fossiler bzw. erneuerbarer Energieträger oder elektrischen Stroms ist bei energieintensiven Industrien vielfach der bedeutendste Kostenfaktor. Da in Deutschland im EU-Vergleich hohe Abgaben und Umlagen im Strompreis enthalten sind, sind Ausnahmen hiervon zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie notwendig. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage zum Juli 2022 hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan.

Leistungsstarke und damit international wettbewerbsfähige energieintensive Industrien sind eine wichtige Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Sie beschäftigen nicht nur selbst mehrere Hunderttausend Mitarbeiter. Durch ihre Schlüsselposition am Anfang der Wertschöpfungskette sind die energieintensiven Industrien regelmäßig auch der Grund für die Ansiedlung nachgelagerter Produktionsstandorte. Sie sind damit indirekt für die Schaffung und Erhaltung weiterer Arbeitsplätze und Wertschöpfung unerlässlich.

Grundbausteine der Energiewende

Die energieintensiven Industrien sind eine unverzichtbare Grundlage für die Wertschöpfungsketten, die wir für eine Umstellung unserer Energiewirtschaft brauchen. So werden für Gebäudesanierung und Niedrigenergiehäuser u. a. Dämmstoffe aus der Chemie- und Glasindustrie benötigt. Gläser, Silikon, Dichtstoffe, Quarzsand, Kupferdrähte und Zinkrohre sind einige der Grundstoffe, die in der Photovoltaik zum Einsatz kommen. Für Windräder werden u. a. 200 km Kupferdrähte pro Ringgenerator, Glasfasern für die Rotoren, Stahl für das Fundament, Türme und Getriebe sowie chemische Beschichtungen für die Rotorblätter gebraucht. Ohne Leichtbaumaterialien wie Aluminium oder Carbonfasern, chemische Batteriekomponenten oder Stahlgehäuse wäre eine sichere und energieeffiziente Mobilität genauso undenkbar wie der Ausbau der Stromnetze ohne Kupfer, Stahl oder Beton. In der Kommunikationstechnologie werden u. a. Antennen und Gehäuse aus Stahl, Leitungen aus Kupfer sowie Flüssigkristalle, Silizium und Leuchtstoffe aus der chemischen Industrie eingesetzt.

Beitrag zum Klimaschutz

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen sich viele Produktionsprozesse in energieintensiven Branchen erheblich ändern. Mutige Investitionen und innovative Technologien sind dafür gefragt. Erneuerbarem Strom und grünem Wasserstoff kommt hierbei eine wichtige Funktion zu.

Zentrales Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele ist außerdem das EU-Emissionshandelssystem (engl. Emission Trading System - ETS), dem alle energieintensiven Industrien unterliegen. Damit wird die EU-weite Gesamtmenge der erfassten Treibhausgasemissionen für Industrie und Energiewirtschaft Jahr für Jahr abgesenkt und somit in der EU ein effektiver Betrag dieser Sektoren zum Klimaschutz sichergestellt. Zum Jahr 2021 ist zudem der nationale Brennstoffemissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) gestartet. Aufgrund des BEHG müssen Inverkehrbringer von Brennstoffen CO2-Zertifikate kaufen und abgeben. Das BEHG ergänzt den europäischen Emissionshandel und dient vor allem der Dekarbonisierung in den Bereichen Wärme und Verkehr.

Die zusätzlichen Belastungen durch die Emissionshandelssysteme können zu Verlagerungen von Produktionsstätten in das Nicht-EU-Ausland führen und damit zusätzliche Emissionen auslösen, wenn dort nicht zumindest ebenso strikte Emissionshandelssysteme installiert sind (sog. Carbon Leakage). Zudem sind auch die übrigen Umweltschutzstandards sowie die Energieeffizienz in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Effektive Regeln zum Schutz vor Carbon Leakage können dem vorbeugen. Auf europäischer Ebene wird der Carbon Leakage-Schutz durch die Strompreiskompensation und die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an Carbon Leakage-gefährdete Branchen erreicht. Für den nationalen Emissionshandel hat die Bundesregierung eine Carbon-Leakage Verordnung verabschiedet. Dank der Verordnung können beihilfeberechtigte Unternehmen in Zukunft einen Ausgleich für die durch das BEHG verursachten Kosten beantragen. Mehr Informationen zum europäischen und nationalen Emissionshandel sowie den Carbon Leakage-Schutzmaßnahmen erhalten Sie auf der Webseite der DEHSt.

Im Auftrag des BMWK wurde eine Studie zu Umgehungsmöglichkeiten eines möglichen CO2-Grenzausgleichs (sog.resource shuffling“) durchgeführt. Die Studie können Sie hier abrufen.

Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie

Um trotz hoher Zusatzkosten eine schnelle Umstellung auf klimafreundliche Technologien zu unterstützen, bietet das BMWK verschiedene Förderprogramme an.

Mit dem Förderprogramm „Dekarbonisierung in der Industrie“ unterstützt das BMWK die energieintensive (Grundstoff-)Industrie (u. a. Stahl, Chemie, Zement) bei der Entwicklung von sowie bei Investitionen in innovative Klimaschutztechnologien zur Vermeidung prozessbedingter Treibhausgasemissionen. Die Förderrichtlinie ist zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Mit der Umsetzung ist das Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) in Cottbus unter fachlicher Beteiligung des Umweltbundesamtes beauftragt.

Im Förderprogramm IPCEI Wasserstoff (Important Projects of Common European Interest) werden Unternehmen bei Investitionen in Anlagen der Wasserstoffwertschöpfungskette unterstützt. 62 Projekte wurden im Mai 2021 ausgewählt und befinden sich aktuell im Prä-Notifizierungsverfahren bzw. in der Vorbereitung. Das angestrebte Fördervolumen beträgt 2,3 Mrd. Euro, wobei mit den betroffenen Bundesländern eine 30% Kofinanzierung der Fördersumme vereinbart ist.

Die für die Dekarbonisierung der Industrie notwendige Modifizierung von Produktionsverfahren geht nicht nur mit einem erheblichen Investitionsaufwand einher, sondern auch mit stark erhöhten Betriebskosten. Sie entstehen vor allem durch den Einsatz von grünem Strom bzw. grünem Wasserstoff. Um den Betrieb klimafreundlicher Verfahren in der energieintensiven Industrie zeitnah zu ermöglichen, entwickelt das BMWK ein Programm für Klimaschutzverträge nach dem Ansatz von Carbon Contracts for Difference. Klimaschutzverträge sollen die Markteinführung klimafreundlicher Prozesse in den Grundstoffindustrien ermöglichen, indem Risiken vermindert und Betriebskostendifferenzen zwischen herkömmlichen und klimafreundlichen Verfahren ausgeglichen werden. Details der Ausgestaltung (einbezogene energieintensive Branchen, Anforderungen an technologische Reife, Vergabebedingungen etc.) sind in Arbeit. Hierfür hat das BMWK Anfang Mai ein Interessenbekundungsverfahren gestartet. Anschließend wird auf dieser Grundlage die Förderrichtlinie erarbeitet und der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorgelegt. Ziel ist es, schon Ende 2023 erste Klimaschutzverträge schließen zu können. Dies hängt allerdings auch von der Dauer des beihilferechtlichen Notifizierungsverfahren ab.

Mittelfristig soll eine hinreichend große und verlässliche Nachfrage für grüne Grundstoffe und Produkte am Markt entstehen, um Förderprogramme für operative Mehrkosten abzulösen und einen zusätzlichen Anreiz für den Hochlauf CO2-armer Verfahren zu schaffen. Aktuell existieren keine anerkannten Label, anhand derer man Produkte als klimafreundlich kennzeichnen und vermarkten könnte. Solche Label werden für die Transformation der Industrie dringend benötigt. Deshalb werden derzeit auf europäischer (bspw. im Rahmen der EU Sustainable Products Initiative) und internationaler Ebene (bspw. im Rahmen der G7) Vorbereitungen getroffen, um diese – in enger Zusammenarbeit mit Industrie (Hersteller und Abnehmer) und Wissenschaft – einzuführen. Das BMWK begleitet diese Diskussionen eng und wird einen generellen Rahmen zur Entstehung von (Leit-)Märkten für klimaneutrale Grundstoffe und Produkte erarbeiten, der europäische und internationale Diskussionen berücksichtigt, damit etwaige Standards bzw. Labels für klimafreundliche Grundstoffe/ Produkte international anschlussfähig sind. Dazu wird gemeinsam mit der Industrie (Produzenten und Abnehmer) an Transparenz/ Datenverfügbarkeit für CO2-Fußabdrücke entlang der gesamten Wertschöpfungskette gearbeitet werden – als Grundlage für weitere Schritte.

Kostenfaktor Energie

Für die energieintensiven Unternehmen stellen die Strom- und Energiekosten einen erheblichen Anteil der Produktionskosten dar. Energiepreissteigerungen können im internationalen Wettbewerb häufig nicht über den Produktpreis an Käufer weitergegeben werden.

Die Energiekosten im Verhältnis zum Gesamtwert der erzeugten Produkte beliefen sich bereits 2019 zum Beispiel auf etwa 4 bis 5 % in den Branchen Aluminiumerzeugung, Metallerzeugung und Bearbeitung sowie in der Papierindustrie und der Chemischen Industrie – bei der Herstellung von Industriegasen sogar rund 24 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass höhere Strom- und Energiepreise einen erheblichen Wettbewerbsnachteil und Investitionshemmnisse für energieintensive Unternehmen in Deutschland darstellen können.

Vor allem die Stromkosten werden im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung durch Elektrifizierung weiter an Bedeutung gewinnen. Ohne Berücksichtigung der Ausnahmetatbestände bei der Stromsteuer, den Abgaben und den Umlagen weist Deutschland einen vergleichsweise hohen Strompreis auf (vgl. Infografik zu durchschnittlichen Strompreisen von Industriekunden in der EU mit der Jahresverbrauchsmenge ab 20 GWh für 2021).

Unternehmen der energieintensiven Industrien erhalten daher Ermäßigungen oder Kompensationen für Belastungen, die sie durch Steuern, Umlagen und Netzentgelte in besonderem Maße zu tragen haben. Dazu gehören insbesondere die Besondere Ausgleichsregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, der Spitzenausgleich von der Energie- und Stromsteuer, Entlastungen bei den Netzentgelten oder die Strompreiskompensation.

Die Aufhebung der EEG-Umlage

Eine starke Entlastung der Energiepreise erfolgt durch die vollständige Haushaltsfinanzierung der EEG-Umlage ab Juli 2022. Die EEG-Umlage, die im ersten Halbjahr noch 3,72 ct./kWh betrug, wird damit auf null gesetzt. Besonders Unternehmen, die bislang nicht unter die sog. Besondere Ausgleichsregelung gefallen sind, profitieren von dieser Maßnahme.

Der Spitzenausgleich

Über den sog. Spitzenausgleich (§ 55 EnergieStG, § 10 StromStG) werden jährlich rund 9.000 Unternehmen des Produzierenden Gewerbes um bis zu 90 % von der Energie- und der Stromsteuer entlastet. Der Spitzenausgleich ist ein wichtiges Instrument, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu sichern. Voraussetzung dafür ist, dass bestimmte Effizienzanforderungen erfüllt werden müssen.

Zum einen müssen jährlich Energieeffizienzziele für das Produzierende Gewerbe in seiner Gesamtheit erreicht werden. Dazu hat sich die Wirtschaft in der Vereinbarung mit der Bundesregierung zur Steigerung der Energieeffizienz vom 1. August 2012 (BAnz AT 16.10.2012 B) (PDF, 365 KB) verpflichtet. Zum anderen müssen antragstellende Unternehmen ein Energie- bzw. Umweltmanagementsystem einführen. Bei kleinen und mittleren Unternehmen können dies auch sogenannte alternative Systeme zur Verbesserung der Energieeffizienz sein, die in der am 6. August 2013 in Kraft getretenen Verordnung über Systeme zur Verbesserung der Energieeffizienz im Zusammenhang mit der Entlastung von der Energie- und der Stromsteuer in Sonderfällen (((Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung - SpaEfV, BGBl I, Seite 2858 (PDF, 109 KB)) geregelt sind. Weitere Informationen finden Sie in den Erläuterungen zur SpaEfV. Die Anforderungen an die Nachweisführung sind zuletzt durch die Verordnung zur Änderung der Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung vom 31. Oktober 2014, BGBl. I, Seite 1656 (PDF, 60 KB) angepasst worden. Sie können die Textfassung der Verordnung hier (PDF, 80 KB) sowie die Begründung zur Änderungsverordnung hier (PDF, 447 KB) abrufen.

Die Regelung zum Spitzenausgleich läuft zum Jahresende aus. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit unter der Federführung des Bundesministeriums der Finanzen eine Nachfolgeregelung.

Weitere wichtige Entlastungstatbestände im Energiesteuergesetz und im Stromsteuergesetz sind die Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren (§ 51 EnergieStG, § 9a StromStG) und die Steuerentlastung für Unternehmen (§ 54 EnergieStG, § 9b StromStG). Weiterführende Informationen hierzu sind auf der Internetseite des für Strom im Stromsteuergesetz und für die Energiebesteuerung federführenden Bundesministeriums der Finanzen zu finden.

Die Strompreiskompensation

Seit 2013 werden stromintensiven Unternehmen im internationalen Wettbewerb auf Antrag Beihilfen zum Ausgleich der auf den Strompreis übergewälzten Kosten der Treibhausgasemissionen gewährt (Strompreiskompensation). Hierfür wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eine Förderrichtlinie erstellt. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wurden per Erlass Maßgaben für die Anwendung dieser Förderrichtlinie für indirekte CO2-Kosten durch die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) angeordnet. Die Kompensation richtet sich in Höhe und Adressatenkreis nach den Vorgaben der Beihilfeleitlinien der Europäischen Kommission. Die Kompensation erfolgt nachschüssig. Detaillierte Informationen zur Strompreiskompensation, insbesondere zur Antragstellung, finden Sie auf der Homepage der DEHSt im Umweltbundesamt.

Die Strompreiskompensation stärkt energieintensive deutsche Industrieunternehmen, etwa die Stahl- und Chemieindustrie, in ihrer weltweiten Wettbewerbsfähigkeit. Durch Effizienz-Zielvorgaben werden Anreize zur weiteren Energieeinsparung und Verbesserung der Produktionsprozesse gesetzt. Darüber hinaus soll vermieden werden, dass die Abwanderung der Produktion an Standorte mit geringeren Umweltstandards außerhalb der Europäischen Union letztlich zu einem Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen führt.

Im Auftrag des BMWK wurde eine Evaluation der Strompreiskompensation für die Jahre 2013-2017 durchgeführt. Den Evaluationsbericht können Sie hier abrufen