Die Energiewende verändert die Stromversorgung in Deutschland grundlegend. Marktteilnehmer und Netzbetreiber müssen neuen Anforderungen gerecht werden, um einen stabilen Betrieb des Stromversorgungssystems und damit auch die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Hierfür muss der Netzbetrieb angepasst und insbesondere die sogenannten Systemdienstleistungen weiterentwickelt werden.
Systemdienstleistungen
Systemdienstleistungen (SDL) dienen dazu, dass das Stromnetz immer stabil und sicher betrieben werden kann. Hierzu zählen
- Frequenzhaltung, um Ungleichgewichte zwischen Ein- und Ausspeisungen auszugleichen und die Netzfrequenz auf ihrem Sollwert von 50 Hertz zu halten,
- Spannungshaltung, um die Spannung immer innerhalb eines vorgegebenen Bereichs zu halten,
- Betriebsführung, bei der die Netzbetreiber den korrekten Netzbetrieb überwachen und ggf. steuernd eingreifen, z.B. bei Leitungsüberlastungen, und
- Versorgungswiederaufbau, um nach dem unwahrscheinlichen Fall eines großflächigen Stromausfalls die Stromversorgung schnellstmöglich wieder hochzufahren, insbesondere mithilfe sogenannter schwarzstartfähiger Kraftwerke.
Die Netzbetreiber greifen dabei auf Produkte für Systemdienstleistungen (SDL-Produkte) zurück, die entweder durch Netzbetriebsmittel der Netzbetreiber oder Netznutzer (Erzeuger, Verbraucher, Speicher) bereitgestellt werden können.
Der Wandel des Stromversorgungssystems und europarechtliche Vorgaben machen es erforderlich, Systemdienstleistungsprodukte und deren Beschaffung weiterzuentwickeln. Derzeit erbringen konventionelle Kraftwerke noch einen großen Beitrag zur Bereitstellung der Systemdienstleistungen. Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren jedoch immer weiter zurückgehen. Langfristig werden Erneuerbare-Energien-Anlagen die maßgeblichen Erzeugungsanlagen im Stromsystem sein und auch mehr Systemverantwortung übernehmen. Im Gegensatz zu konventionellen Erzeugungsanlagen sind Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Regel im Verteilnetz angeschlossen und über Leistungselektronik, sogenannte Wechselrichter oder Umrichter, mit dem Stromnetz verbunden. Daraus ergeben sich andere Eigenschaften, Anforderungen und Möglichkeiten für Systemdienstleistungsprodukte und den Netzbetrieb. Zusätzliche Möglichkeiten ergeben sich aus der voranschreitenden Digitalisierung und durch neue Anlagen wie etwa den Umwandlungsstationen der Gleichspannungsleitungen. Auch neue und flexible Akteure wie Speicherbetreiber, Aggregatoren und Verbraucher können zukünftig Systemdienstleistungsprodukte bereitstellen. Insgesamt ergeben sich aus den Veränderungen des Stromsystems Bedarfe und neue Möglichkeiten, Systemdienstleistungen weiterzuentwickeln.
Marktgestützte Beschaffung von Systemdienstleistungen
Zukünftig sollen Systemdienstleistungen außerdem grundsätzlich transparent, diskriminierungsfrei und marktgestützt beschafft werden, sofern sie nicht durch die Netzbetreiber selbst aus Netzbetriebsmitteln erbracht werden. Die konkreten Beschaffungssysteme werden von der Bundesnetzagentur festgelegt werden. Ausnahmen wird es nur geben, wenn eine marktgestützte Beschaffung wirtschaftlich nicht effizient wäre. Hierfür hat der Bundestag am 08. Oktober 2020 ein Gesetz zur marktgestützten Beschaffung von Systemdienstleistungen beschlossen. Ziel der Regelung ist es, das Erbringen der Systemdienstleistungen durch die Einführung von transparenten und diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren für alle Marktteilnehmer zu öffnen, egal ob Erzeuger, Speicher oder Verbraucher. Mit den Änderungen wird Wettbewerb angereizt. Dadurch können technische Potenziale zur Erbringung von Systemdienstleistungen gehoben werden und die Effizienz des Netzbetriebs wird verbessert.
Zur Unterstützung der Einführung marktgestützter Beschaffungssysteme und zur Entwicklung von konkreten mögliche Lösungsbeiträge für den zukünftigen Netzbetrieb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Projekt SDL-Zukunft gestartet („Zukünftiger Bedarf und Beschaffung von Systemdienstleistungen“). Das Ministerium arbeitet im Rahmen dieses Projektes eng mit der Bundesnetzagentur zusammen und bezieht relevante Beteiligte wie Netzbetreiber, Branchenverbände und Wissenschaft ein. In diesem Rahmen wurde auch untersucht, für welche Systemdienstleistungen eine marktgestützte Beschaffung derzeit nicht wirtschaftlich effizient erscheint. Dazu hat das Projekt einen Ergebnisbericht veröffentlicht (PDF, 1.014 KB). Die Bundesnetzagentur hat am 18.12.2020 Festlegungen hierzu erlassen und folgende vier Systemdienstleistungen derzeit von einer marktgestützten Beschaffung ausgenommen:
- Trägheit der lokalen Netzstabilität (Momentanreserve)
- Inselbetriebsfähigkeit
- Kurzschlussstrom
- dynamische Blindstromstützung
Aktuell werden Vorschläge für marktliche Beschaffungssysteme für die Systemdienstleistungen Spannungsregelung/ Blindleistung sowie Schwarzstartfähigkeit erarbeitet. Hierzu wurde im Rahmen des Projektes SDL-Zukunft bereits ein Vorschlag für ein Beschaffungssystem für Schwarzstartfähigkeit (PDF, 720 KB) erarbeitet.