Das Strom-Übertragungsnetz erfordert wie jede anspruchsvolle Infrastruktur ein ständiges Anpassen an den technischen Wandel. Seit einigen Jahren wachsen die Anforderungen an das Netz jedoch so stark, dass kleinere Ergänzungen nicht mehr ausreichen. Die Gründe dafür liegen im Wesentlichen bei den Zielen, die Deutschland sich gesetzt hat: den Umstieg auf erneuerbare Energien, das Erhalten einer hohen Versorgungssicherheit und die Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts.

Über die Notwendigkeit eines Netzausbaus gibt es einen breiten Konsens. Ob und wo dafür tatsächlich neue Trassen durch das Land führen werden, steht dagegen noch nicht endgültig fest. Dies wird nun regelmäßig in einem gesetzlich festgelegten Verfahren unter starker Beteiligung der Öffentlichkeit geprüft. Ziel ist es, die Netzlandschaft möglichst schnell für den Umstieg auf die erneuerbaren Energien zu rüsten und dabei die erforderlichen Entscheidungen gemeinsam mit der ganzen Gesellschaft zu treffen.

Die Planung des künftigen Höchstspannungsnetzes läuft in fünf aufeinander aufbauenden Verfahrensschritten ab. Dies sind der Szenariorahmen, die Netzentwicklungspläne, der Bundesbedarfsplan, die Bundesfachplanung beziehungsweise Raumordnung und die Planfeststellung.

Die Abkürzung NOVA steht für Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau. Das bedeutet, dass zunächst versucht wird, den aktuellen Netzbetrieb zu optimieren, zum Beispiel durch höhere Belastung bei kühleren Außentemperaturen. Danach geht man daran, die vorhandenen Leitungen zu verstärken. Nur, wenn beides nicht ausreicht, wird das Netz mit neuen Leitungen ausgebaut.

Dafür müsste die Stromerzeugung mit dem -verbrauch zeitlich und räumlich zusammenfallen oder die Energie am Ort der Erzeugung gespeichert werden können. Ein solches Modell erscheint in kleinen Gemeinden mit einer hohen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und lokalen Speichermöglichkeiten denkbar. Gerade private Haushalte haben in den vergangenen Jahren viel zu einer dezentralen Stromerzeugung beigetragen.

Allerdings werden sich insbesondere der industrielle Verbrauch und der Bedarf von bevölkerungsreichen Regionen auf absehbare Zeit nicht durch dezentrale Kleinanlagen vor Ort vollends decken lassen. Speichermöglichkeiten sind zudem nicht ausreichend entwickelt und ebenso wenig wettbewerbsfähig. Entsprechende Regionen wären auf den Zubau konventioneller Reservekraftwerke angewiesen. Diese müssten subventioniert werden und würden zusätzliche CO2-Belastungen mit sich bringen.

In der Praxis bräuchte etwa eine Metropolregion mit 3,5 Millionen Einwohnern 3.000 Windräder der 3-Megawatt-Klasse, um ihren Jahresenergiebedarf von etwa 19 Terawattstunden (TWh) zu decken. Bei einer dreiwöchigen Flaute ergäbe sich im Jahresmittel ein Speicherbedarf von 1,1 TWh. Um diese Menge zu speichern, benötigt man die Kapazität von mehr als 58 Millionen Elektroautos (Kleinwagen) oder 130 Pumpspeicher in den baulichen Dimensionen des Pumpspeicherkraftwerks Goldisthal in Thüringen. Ein solcher für Deutschland typischer Ballungsraum kann also dezentral im Sinne von autark weder regenerativ produzieren noch speichern.

Auch wirtschaftlich ist ein solches Szenario unrealistisch. In einer zugleich dezentralen und verbrauchsnahen Erzeugungsstruktur würde Strom aus erneuerbaren Energien nicht an den dafür günstigsten wind- beziehungsweise sonnenreichen Standorten erzeugt. Dies würde dazu führen, dass insgesamt wesentlich mehr Flächen für erneuerbare Energien gebraucht würden. Daher ist der Ausbau des Stromnetzes unverzichtbar.

In der Regel ist es so, dass ein Netzbetreiber keine Grundstücke erwirbt, um darauf eine Leitung zu errichten. Dennoch muss er natürlich fremdes Eigentum in Anspruch nehmen – zum Beispiel, um eine neue Freileitung darüber zu spannen. Dafür wird im Grundbuch eine sogenannte beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Netzbetreibers eingetragen. Damit kann dieser sein Vorhaben durchführen, das Grundstück bleibt weiterhin im Eigentum des ursprünglichen Besitzers. Wann immer möglich, sollen sich die Parteien gütlich darüber einigen.

Um den nötigen Grundbucheintrag machen zu können, versucht der Netzbetreiber, mit dem Grundstückseigentümer einen Vertrag zu schließen. Darin kann auch eine Entschädigung für das Überspannen, das Errichten eines Masts und den Grundbucheintrag selbst vereinbart werden. Wie hoch diese Entschädigung ausfällt, hängt von den tatsächlichen Einschränkungen für den Eigentümer ab; die Vertragsparteien können dies jedoch zunächst frei verhandeln. Für die Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Flächen gibt es Rahmenvereinbarungen, die die Übertragungsnetzbetreiber mit einigen Landwirtschaftsverbänden getroffen haben.

Können sich der Netzbetreiber und der Grundstückseigentümer nicht einigen, so sind ein sogenanntes Besitzeinweisungsverfahren oder ein Enteignungsverfahren möglich. Es erfolgt allerdings in keinem Fall eine vollständige Enteignung, sondern ebenfalls ein Eintrag einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ins Grundbuch. Für den Grundstückseigentümer gibt es auch in diesem Fall eine Entschädigung, die in einem behördlichen Verfahren festgesetzt wird und in der Regel niedriger ausfällt als bei einer gütlichen Einigung. Die bisherige Rechtsprechung hat für den Fall ein einmaliges Entgelt von zehn bis zwanzig Prozent des jeweiligen Verkehrswerts der betroffenen Fläche als angemessen anerkannt. Deutlich höhere Entschädigungssätze ergeben sich beispielsweise für Mastflächen auf Basis von Gutachten. Für Erdkabel auf 380-kV-Ebene fordert der Bauernverband wegen des stärkeren Eingriffs in die Bodenstruktur eine höhere Entschädigung als bei Freileitungen.

Darüber hinaus kann es auch Ansprüche auf Schadenersatz geben. Sie entstehen, wenn der Netzbetreiber beim Bau oder bei der Wartung einer Leitung fremdes Eigentum beschädigt. Solche Schäden können etwa bei landwirtschaftlichen Kulturen anfallen, wenn die Flächen vor der Ernte befahren werden müssen.

Ein Vorhabenträger ist ein Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), der für ein bestimmtes Ausbauvorhaben verantwortlich ist. In Deutschland sind derzeit vier ÜNB tätig: 50Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH, TenneT TSO GmbH und Transnet BW GmbH. Diese Unternehmen sind ausschließlich für den Stromtransport zuständig. Sie sind weder Stromerzeuger noch verkaufen sie Strom an die Verbraucher.

Übrigens: Der Vorhabenträger wird nicht von der Bundesnetzagentur beauftragt, das Netz auszubauen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz.

Ganz allgemein gesagt nehmen Träger öffentlicher Belange (TöB) öffentliche Aufgaben wahr. Danach ist jede Behörde ein TöB. Auch Bahn-, Versorgungs- und Infrastrukturunternehmen können dazugehören, sofern sie öffentliche Aufgaben erfüllen.

Abhängig vom jeweiligen Detaillierungsgrad der Planung haben TöB, die in ihrem Bereich von Netzausbau-Planungen berührt werden, bei der Bedarfsermittlung, der Bundesfachplanung und der Planfeststellung umfangreiche Beteiligungsrechte. Zu dieser Gruppe können unter anderem die für Raumordnung und Landesplanung zuständigen Landesministerien, Regierungspräsidien, Kreise und kreisfreien Städte gehören. Weitere Beispiele für betroffene TöB sind Umwelt-, Gesundheits-, Flurbereinigungs-, Wasserwirtschafts-, Straßenbau- und Bergbehörden. Eine abschließende Aufzählung enthält das NABEG jedoch nicht.

In der Bundesfachplanung wird ein Gebietsstreifen ausgewiesen, in dem die künftige Stromtrasse verlaufen soll. Innerhalb dieses sogenannten Trassenkorridors wird die Umwelt- und Raumverträglichkeit einer Stromleitung festgestellt. Der genaue Verlauf der Trasse ist Gegenstand des abschließenden Planfeststellungsverfahrens. Der Trassenkorridor ist etwa 500 bis 1.000 Meter breit, die finale Trasse wird aber deutlich weniger Raum in Anspruch nehmen.

Ja, zur Bundesfachplanung gehört das Prüfen von alternativen Trassenkorridoren. Der Antrag der Vorhabenträger muss daher räumliche Alternativen enthalten und darlegen, warum der Vorschlagskorridor den Vorzug erhalten soll. Im Verfahren können von Dritten weitere räumliche Alternativen eingebracht werden.

Ja, das geschieht vor allem mit der sogenannten Bündelung. Dabei werden neue Leitungen parallel zur bestehenden (linearen) Infrastruktur geführt. Zu dieser Infrastruktur zählen insbesondere Autobahnen, Bundesstraßen, Bahnlinien und bereits bestehende Hoch- und Höchstspannungsleitungen. So sollen Belastungen durch den Netzausbau (zum Beispiel für das Landschaftsbild) minimiert werden. Die Vor- und Nachteile einer Bündelung hängen jedoch immer von der allgemeinen Vorbelastung der Gebiete ab und müssen in jedem Einzelfall aufs Neue untersucht werden.

Die Abkürzung HGÜ steht für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Von Hochspannung spricht der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) bei mindestens 60 Kilovolt (= 60.000 Volt). Gleichstrom fließt ständig in dieselbe Richtung – darin unterscheidet er sich vom Wechselstrom, der seine Flussrichtung in regelmäßigen Zeitabständen wechselt. Keine Längenbegrenzung, Wirtschaftlichkeit für kurze Leitungslängen begrenzt.

HGÜ-Neubau-Korridore: 1.500 bis 2.250 Kilometer (Abhängig von Streckenführung)

Die Abkürzung HDÜ steht für Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung. Die wirtschaftliche Leitungslänge ist begrenzt.

Der Szenariorahmen, der die Grundlage der bisherigen Netzausbauplanungen bildet, sieht keinen Kapazitätsausbau bei der Braunkohle-Verstromung vor. Im Gegenteil nimmt die Bundesnetzagentur bundesweit aktuell einen Rückgang an – von 21,2 auf 15,4 Gigawatt zwischen 2012 und 2024. Somit sind auch keine zusätzlichen Leitungen zur Anbindung von Braunkohlekraftwerken erforderlich; die bereits bestehenden kommen mit dem derzeitigen Übertragungsnetz aus. Gleichzeitig geht der Szenariorahmen von einem Wachstum der Erzeugungskapazität bei Windkraftanlagen an Land von 31 auf 55 Gigawatt aus. Wesentlicher Treiber des Netzausbaus sind also nicht die konventionellen Kraftwerke, sondern der umfangreiche Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energien.

Wie viel Strom Kohlekraftwerke immer noch ins Netz einspeisen, hängt von den Bedingungen am Markt ab. Dabei spielen zum Beispiel die derzeit niedrigen Kosten für CO2-Zertifikate eine Rolle. Bei ihren Netzberechnungen muss die Bundesnetzagentur diese Bedingungen als gegeben hinnehmen und darf sie nicht eigenmächtig ändern. Fazit: Wegen des marktgegebenen Energiemix werden die neuen Leitungen auch Braunkohlestrom transportieren. Sie werden aber nicht für die Braunkohle gebaut.