Die African Continental Free Trade Area (AfCFTA) ist das wegweisende Projekt der Afrikanischen Union (AU) für die wirtschaftliche und politische Entwicklung des afrikanischen Kontinents. Hauptziel dieser pan-afrikanischen Freihandelszone ist der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen sämtlichen afrikanischen Staaten. Während an den konkreten Inhalten des Handelsabkommens noch gearbeitet wird, wecken die Verhandlungen bereits große Hoffnungen bei afrikanischen ebenso wie europäischen Unternehmen.

Lagos, Stadt in Afrika, Marktimpressionen

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Mit der African Continental Free Trade Area, kurz AfCFTA, verfolgt die Afrikanische Union (AU) das Ziel, eine pan-afrikanische Freihandelszone für Waren und Dienstleistungen zu schaffen. Es soll ein gemeinsamer afrikanischer Markt für 1,3 Milliarden Menschen mit einer gebündelten Wirtschaftsleistung von mehr als 2,3 Billionen US-Dollar entstehen. Die AfCFTA hat das Potenzial, ein Meilenstein für die wirtschaftliche und politische Entwicklung des afrikanischen Kontinents zu sein. Die geplanten Handelserleichterungen sollen den vergleichsweise geringen intra-afrikanischen Handel steigern. Der innerafrikanische Warenhandel macht nur knapp 16 Prozent des gesamten afrikanischen Warenhandels aus und entspricht mit gut 160 Milliarden US-Dollar in etwa der Hälfte des afrikanischen Warenhandels mit der EU (s. Abbildung 1). Zum Vergleich: In Europa liegt der innereuropäisch gehandelte Anteil bei etwa 70 Prozent (s. Abbildung 2).

Abbildung 1: Warenhandel Afrika nach Exportdestinationen 2018

Abbildung 1: Warenhandel Afrika nach Exportdestinationen 2018

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Abbildung 2: Intra-kontinentaler Warenhandel 2018 (Anteil am Gesamtwarenhandel)

Abbildung 2: Intra-kontinentaler Warenhandel 2018 (Anteil am Gesamtwarenhandel)

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Abbau von Handelshemmnissen soll Wohlstand erhöhen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert in seinem jüngsten Diskussionspapier, dass durch das Abschaffen der innerafrikanischen Zölle sowie das Reduzieren nicht-tarifärer Handelshemmnisse Wohlstandsgewinne für den Kontinent in Höhe von fast vier Prozent erzielt werden können, das gesamtafrikanische Handelsvolumen um etwa acht Prozent steigt und der intra-afrikanische Handel um 82 Prozent zunimmt (Abrego et al., 2019). Es ist jedoch zu erwarten, dass diese Effekte je nach Land unterschiedlich stark ausfallen. Neben Wohlstandsgewinnen durch das wachsende innerafrikanische Handelsvolumen ist auch mit einem sich beschleunigenden strukturellen Wandel durch eine stärkere Diversifizierung und Industrialisierung zu rechnen. Die Gründung der AfCFTA kann somit helfen, einige der von den Vereinten Nationen formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals), insbesondere das Ziel zur wirtschaftlichen Entwicklung (Ziel 8) und zur Industrialisierung der Wirtschaft bzw. zum Aufbau einer modernen Infrastruktur (Ziel 9), zu erreichen. Weitere Studien (u. a. Tanyi, 2015; Saygili et al., 2017) prognostizieren steigende Realeinkommen, höhere Produktivitätsraten und ein verbessertes Geschäftsklima. Darüber hinaus kann die AfCFTA zu einer größeren Unabhängigkeit afrikanischer Produzenten vom Weltmarkt und von Weltmarktpreisen beitragen.

Neue Marktchancen nicht nur für afrikanische Unternehmen

Nicht nur afrikanische Unternehmen können von der geplanten Freihandelszone profitieren. Auch europäische Firmen erhoffen sich neue Marktchancen. Denn bisher hemmt die geringe Größe einzelner afrikanischer Märkte in Verbindung mit mangelnder regionaler Integration die wirtschaftlichen Aktivitäten europäischer Unternehmen in Afrika. Investitionen und Handel werden durch einen gesamtafrikanischen Markt für europäische Unternehmen attraktiver. Allerdings bleiben unterschiedliche Zollbestimmungen zwischen der EU und den einzelnen afrikanischen Staaten trotz der AfCFTA zunächst bestehen. Obwohl die AU langfristig eine afrikanische Zollunion anstrebt, ist kurz- und mittelfristig kein einheitlicher afrikanischer Außenzoll zu erwarten. Darüber hinaus kann der steigende innerafrikanische Warenhandel dazu führen, dass Importe aus der EU ersetzt werden. Somit bleiben die möglichen Auswirkungen der AfCFTA auf europäische Unternehmen erst einmal abzuwarten.

AfCFTA als Leuchtturmprojekt der Afrikanischen Union

Für die AU ist die pan-afrikanische Freihandelszone das Leuchtturmprojekt zur Umsetzung ihrer Agenda 2063, in welcher sie die Vision eines „integrierten, aufstrebenden und friedlichen Afrikas“ formuliert. Diese Vision stellt Ausgangspunkt und Triebfeder für die geplante Freihandelszone sowie für die parallel laufenden Verhandlungen zur Schaffung eines gemeinsamen Lufttransportmarktes dar. Im Kontext der AfCFTA wurde darüber hinaus ein zusätzliches Protokoll unterzeichnet mit dem Ziel, freien Personenverkehr innerhalb Afrikas zu ermöglichen. Damit kommt der AU eine wegweisende und beratende Rolle als Koordinatorin und Vermittlerin in den derzeit laufenden Verhandlungen der Mitgliedstaaten zur AfCFTA zu. Durch ein gemeinsames Vorgehen der afrikanischen Staaten bei der wirtschaftlichen Vernetzung des Kontinents erhofft sich die AU zudem, langfristig ihre Position bei Verhandlungen auf globaler Ebene zu stärken. Letztlich ist die wirtschaftliche Integration der afrikanischen Staaten auch ein klares politisches Signal gegen Protektionismus und nationale Alleingänge sowie ein Beitrag zur Friedenssicherung.

Verhandlungen zur Schaffung der AfCFTA: Ambitionierter Fahrplan mit vielen Fragezeichen

Das von 2015 bis 2018 verhandelte Rahmenabkommen zur Schaffung der AfCFTA wurde von allen afrikanischen Staaten bis auf Eritrea unterzeichnet. Inzwischen hat etwa die Hälfte der unterzeichnenden Länder das Rahmenabkommen ratifiziert (s. Karte), welches im Mai 2019 völkerrechtlich in Kraft trat.

Die weiteren Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung des gemeinsamen Markts sollen in zwei Phasen erfolgen: Während der bereits begonnenen Phase I stehen die Protokolle zum Handel mit Waren und Dienstleistungen und Regelungen zum Streitschlichtungsverfahren im Fokus. Wichtigstes bisheriges Ergebnis ist die Einigung, die inner-afrikanischen Zölle auf 90 Prozent aller Produktkategorien innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erlassen. Die verbleibenden Zölle sollen – mit Ausnahme weniger Zolllinien, die dauerhaft von der Liberalisierung ausgenommen werden – innerhalb von zehn Jahren abgeschafft werden. Diese Zehnjahres-Frist wurde für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) auf 13 Jahre verlängert, damit sie ihre Volkswirtschaften besser auf den zunehmenden innerafrikanischen Wettbewerb vorbereiten können. Die Verhandlungen über die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs konzentrieren sich auf fünf Sektoren: Transport, Kommunikation, Tourismus, Finanzdienstleistungen und unternehmensbezogene Dienstleistungen. In Phase II sollen die Protokolle zur Investitions- und Wettbewerbspolitik sowie zu Fragen des geistigen Eigentums verhandelt werden.

Nach wie vor bleiben viele Details und auch der genaue Zeitplan offen. Die AU zeigt sich dennoch ambitioniert und betonte auf dem Sondertreffen im Juli 2019, dass der Handel nach den Regeln der AfCFTA bereits vom 01. Juli 2020 an erfolgen soll. Ob dies gelingen wird, hängt unter anderem von der Frage ab, ob die afrikanischen Staaten über ausreichend Kapazitäten verfügen, die AfCFTA zu verhandeln und umzusetzen. In diesem Kontext ist auch die Frage nach der institutionellen Arbeitsteilung zwischen den geplanten Organen der AfCFTA entscheidend. Auch wenn bereits im Rahmenabkommen Zuständigkeiten für diese definiert wurden, müssen die konkreten Arbeitsweisen erst noch etabliert werden. Es bleibt also abzuwarten, ob sich dieser ehrgeizige Fahrplan einhalten lässt.

Ausgestaltung der AfCFTA: eine anspruchsvolle Aufgabe

Das Abkommen konkret auszugestalten gleicht einer Herkulesaufgabe mit viel Konfliktpotenzial. Die Heterogenität der Vertragsstaaten mit Blick auf Größe, Einkommensniveau und Offenheit der Volkswirtschaften stellt eine große Herausforderung dar. Mögliche Ausnahmeregeln auf bestimmte Zolllinien sowie die Schutzmaßnahmen für sensible Industrien oder junge Industriezweige stehen auf der Liste möglicher Konfliktpunkte ganz oben.

Um Nachverhandlungen und spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden, ist es erforderlich, die Handelsregeln transparent, verständlich und eindeutig auszugestalten.
Dies betrifft insbesondere die Ursprungsregeln. Diese geben Auskunft, welche Produkte aufgrund ihrer Herkunft bzw. Weiterverarbeitung innerhalb Afrikas unter die Regelungen der AfCFTA fallen. Je strikter und komplexer diese Regeln sind, desto eher kann sichergestellt werden, dass nur afrikanische Produkte und Dienstleistungen von dem Abkommen profitieren. Da viele Staaten in Afrika die Kapazitäten erst aufbauen müssen, um strikte Ursprungsregeln wirksam durchzusetzen, empfehlen die Vereinten Nationen (UNCTAD, 2019) den Verhandlungspartnern, in der Anfangsphase der Umsetzung weniger restriktive Ursprungsregeln zu wählen.

Nationale Umsetzung: Herausforderungen ins- besondere bei der Reduzierung nicht-tarifärer Handelshemmnisse

Um die AfCFTA erfolgreich umzusetzen, müssen auf nationaler Ebene kohärente und adäquate Maßnahmen ergriffen werden. Es gibt kein supra-nationales Organ, das für die Umsetzung der neuen Handelsregeln direkt verantwortlich ist. Die AU unterstützt und koordiniert die Etablierung der AfCFTA, aber letzten Endes müssen nationale Gesetze und Verordnungen verabschiedet werden, um die Wirksamkeit der Handelsregeln zu gewährleisten.

Auch zum Abbau der nicht-tarifären Handelshemmnisse sind Maßnahmen auf nationaler Ebene notwendig. In Afrika sind diese Handelshemmnisse ein größeres Hindernis für den grenzüberschreitenden Handel als Zölle. Lange Wartezeiten an Grenzübergängen, Korruption und bürokratische Hürden bremsen den innerafrikanischen Handel bisher immens aus. Auch die fehlende oder marode Infrastruktur, wie überlastete Straßen oder zu kleine Brücken, stellt häufig ein Hindernis für den grenzüberschreitenden Handel dar. So kann ein Transport von Lagos nach Hamburg weniger kosten als ein Transport von Lagos nach Tema im benachbarten Ghana. Um die AfCFTA erfolgreich umzusetzen, ist es daher ebenso erforderlich, ein handelsfreundliches Rechtssystem zu schaffen, wie auch die Infrastruktur zu modernisieren.

EU und Deutschland unterstützen die Bemühungen der AU

Die Europäische Union (EU) und Deutschland fördern die Bemühungen der AU durch eine Reihe von Maßnahmen. Konkret unterstützt die EU die Verhandlungen der AfCFTA mit 50 Millionen Euro für den Zeitraum von 2018 bis 2020. Ein erstes Projekt mit einem Volumen von drei Millionen Euro wurde im Dezember 2018 in Zusammenarbeit mit der Economic Commission for Africa der Vereinten Nationen (UNECA) gestartet. Im selben Jahr half die EU afrikanischen Ländern mit fünf Millionen Euro, globale Zollstandards und weitere Handelserleichterungen umzusetzen. Zudem unterstützt die Bundesregierung die AfCFTA unter anderem über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB).

Abbildung 3: Länderübersicht – Welche Staaten haben das AfCFTA-Rahmenabkommen unterzeichnet bzw. ratifiziert?

Abbildung 3: Länderübersicht – Welche Staaten haben das AfCFTA-Rahmenabkommen unterzeichnet bzw. ratifiziert?

© tralac 2019 (Letzte Aktualisierung: Juli 2019)

EU-Kommissionspräsident Juncker hatte im September 2018 angekündigt, langfristig ein Kontinent-zu-Kontinent- Abkommen zwischen EU und AU anzustreben. Dieses Abkommen könnte perspektivisch auf der AfCFTA aufbauen, erfordert auf afrikanischer Seite jedoch die tatsächliche Umsetzung der AfCFTA und eine Zollunion mit gemeinsamem Außenzoll. Da dies innerhalb der nächsten Jahre kaum realistisch erscheint, ist vorerst die Umsetzung der Economic Partnership Agreements (EPAs) der EU mit regionalen Staatengruppen in Afrika zentral.

Zusammenfassend erweisen sich die Bestrebungen der afrikanischen Staaten, eine pan-afrikanische Freihandelszone zu gründen, als weiterer Schritt auf dem Weg zu einem integrierten, aufstrebenden und friedlicheren Afrika. Ein gemeinsamer afrikanischer Markt wird nicht nur afrikanischen, sondern auch europäischen Unternehmen neue Marktchancen bieten. Allerdings gilt es trotz der beeindruckenden Geschwindigkeit der vergangenen Verhandlungen weiter abzuwarten, wie ernst es die afrikanischen Regierungen mit der Umsetzung dieser Vision meinen.

Kontakt: Alessandro Hörmann, Dr. Ulrike Zirpel
Referat: Subsahara-Afrika

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Literatur:

Abrego, M. L., Amado, M. A., Gursoy, T., Nicholls, G. P., & Perez­Saiz, H. (2019). The African Continental Free Trade Agreement: Welfare Gains Estimates from a General Equilibrium Model. International Monetary Fund.

Saygili, M., Peters, R., & Knebel, C. (2017). African continental free trade area: Challenges and opportunities of tariff reductions. UN.

Tanyi, K. T. (2015). Assessing Africa’s two billion populated market by 2063: The facts and fallacies of a Continental Free Trade Area (CFTA). Business and Economics Journal, 6(3), 1.

UNCTAD (2019). Economic Development in Africa Report 2019 (Made in Africa – Rules of Origin for Enhanced Intra-African Trade).