Digitalisierung, Klimaschutz, Welthandel: Große Herausforderungen der Industriestrategie 2030.

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Deutschland hat einen starken industriellen Kern, der eine hohe Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze schafft. Allein rund 20 % der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Industrieunternehmen, Zusätzlich schafft die Industrie Millionen von Arbeitsplätzen in vor- und nachgelagerten Dienstleistungsbranchen. Doch die Erfolgsfaktoren und Rahmenbedingungen sind im Wandel. Um morgen noch erfolgreich zu sein, müssen heute die richtigen Weichen gestellt werden.

In Kürze
Nur wenn die Industrie sich schon heute gut aufstellt, wird sie künftig erfolgreich sein.

Basisinnovationen verändern ganze Wertschöpfungsketten

Der digitale Wandel prägt die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und Europa. Basisinnovationen wie beispielsweise in den Bereichen künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Biotechnologie oder neue Werkstoffe verändern ganze Wertschöpfungsverbünde. Mit der Digitalisierung entstehen zudem neue plattformbasierte Geschäftsmodelle. Nur wer sich heute in diesen Feldern gut aufstellt, wird in der Lage sein, die Zukunft der Industrie erfolgreich zu gestalten. Die Industrie hat nicht nur eine wichtige Rolle in der Digitalisierung; sie ist auch ein zentraler Akteur, wenn es darum geht, den Klimaschutz effizient umzusetzen. Die Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels werden weitgehend von Industrieunternehmen entwickelt, die Produkte von der Industrie hergestellt. Nur wenn jetzt Investitionen in emissionsarme industrielle Prozesse und Produkte getätigt werden, können Klimaziele erreicht werden. Gleichzeitig stellen protektionistische Maßnahmen und eine staatlich gelenkte Industriepolitik von Drittstaaten die europäische Industrie vor große Herausforderungen.

Wirtschaft und Politik müssen Strukturwandel aktiv angehen

Die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und die Begleitung des Strukturwandels sind gemeinsame Aufgaben von Wirtschaft und Politik: Handeln und die Chancen ergreifen müssen in der Sozialen Marktwirtschaft in erster Linie die Unternehmen. Der Politik kommt die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Unternehmen ihre Leistungsstärke im Wettbewerb entfalten und auf einem „Level Playing Field“ agieren können – national wie international. Die Politik schafft Anreize und fördert den Wettbewerb unabhängig von der Unternehmensgröße. Denn das erfolgreiche Miteinander von kleinen und mittleren Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, darunter auch die „Hidden Champions“ in ihren Nischenmärkten und industriellen Großunternehmen sowie Dienstleistungsunternehmen, sind wesentliche Erfolgsfaktoren für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Dialog zur Industriepolitik

Angesichts der vielschichtigen und tiefgreifenden Veränderungen hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, mit seinem Entwurf einer nationalen Industriestrategie 2030 vom 5. Februar 2019 eine breite und intensive industriepolitische Debatte in Deutschland und Europa angestoßen. Insbesondere der umfassende und konstruktive Austausch mit Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auf nationaler Ebene hat eindrucksvoll gezeigt: Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gehört ganz oben auf die politische Agenda. Es gilt, den Industriestandort noch besser für die Zukunft zu wappnen. Als Ergebnis des mehrmonatigen Dialogprozesses hat Bundesminister Altmaier dann am 29. November 2019 die überarbeitete Industriestrategie 2030 vorgestellt.

Wie auch die Mittelstandsstrategie des BMWi enthält sie umfassende wirtschaftspolitische Maßnahmen, um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten und so die Grundlagen für künftigen Wohlstand und Wachstum zu legen. Die Industriestrategie 2030 soll insbesondere auch dazu beitragen, wirtschaftliche und technologische Kompetenz wiederzuerlangen und zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu erhöhen und eine führende Rolle Deutschlands als Industrienation zu stärken. Die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, zum Beispiel im „Bündnis Zukunft der Industrie“, ist dabei ein wichtiges Anliegen des BMWi. Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik tragen eine gemeinsame Verantwortung dafür, das europäische Wohlstands- und Gesellschaftsmodell aufrechtzuerhalten.

In Kürze
Die im November 2019 vorgestellte Industriestrategie ist im Dialog mit Wirtschaft und Gewerkschaften entstanden und enthält wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Erhöhung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit.

Strategie wird großes Thema auch in der EU-Ratspräsidentschaft

Da über wesentliche Rahmenbedingungen für die Industrie auch in Brüssel entschieden wird, setzt sich die Bundesregierung für eine ambitionierte, langfristig ausgerichtete EU-Industriestrategie mit konkreten Maßnahmen ein. Dementsprechend wird das Thema auch bei der anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten. Halbjahr 2020 eine wichtige Rolle spielen.

Leitbilder der Industriestrategie sind die Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft, offene Weltmärkte mit regelbasiertem Handel und vergleichbare internationale Wettbewerbsbedingungen. Daran anknüpfend werden drei Handlungsfelder besonders adressiert: Standortbedingungen, Technologieförderung und Schutz der technologischen Souveränität.

Erstens müssen die Rahmenbedingungen für die Industrie weiter verbessert werden. Für eine wettbewerbsfähige Industrie brauchen wir einen modernen Ordnungsrahmen, der sich an die wandelnden Erfordernisse unserer Zeit anpasst. Zur Analyse der Standortbedingungen hat das BMWi eine Studie in Auftrag gegeben. Diese wird zusätzliche Anregungen geben, um auf nationaler Ebene notwendige Weichenstellungen für die Zukunft zu treffen. Dazu gehören unter anderem wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern und eine zukunftsorientierte Gestaltung der Sozialversicherungen mit einer Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge bei unter 40 Prozent.

In Kürze
Die Industriestrategie 2030 adressiert drei Handlungsfelder im Besonderen:

- bessere Standortbedingungen,

- die Förderung von neuen Technologien und

- den Schutz der technologischen Souveränität.


Mit Blick auf die Anforderungen von Digitalisierung und Strukturwandel ist es außerdem notwendig, den Arbeitsmarkt zeitgemäß zu gestalten und zusätzliche Fachkräfte im In- und im Ausland zu gewinnen. Die Stromkosten müssen wettbewerbsfähig gehalten werden; „Carbon Leakage“ infolge der Bepreisung von CO2-Emissionen durch Zertifikate, also eine Verlagerung emissionsintensiver Wirtschaftsaktivitäten an Standorte mit schwächeren Klimaschutzgesetzen, ist zu vermeiden. Der zukunftsorientierte Ausbau der Infrastruktur, bürokratiearme Rahmenbedingungen, die sichere Rohstoffversorgung und ein Voranbringen der Kreislaufwirtschaft sind ebenfalls wichtige ¬Bausteine, um den Standort Deutschland weiter zu stärken.

Zweitens gilt es, das Innovationspotenzial der Industrie zu aktivieren. Sogenannte Game-Changer-Technologien sind ein entscheidender Treiber des Strukturwandels und müssen als Basis für neue und leistungsfähige Produkte und Dienstleistungen am Standort Deutschland weiter gestärkt werden. Dafür werden deutlich größere Investitionen in Schlüsseltechnologien benötigt. Während die USA und China bereits heute hohe Milliardenbeträge investieren, haben es innovative Technologieunternehmen in Deutschland und Europa oft schwerer, geeignete Finanzierungen für ihre Investitionen zu finden. Um das Innovationspotenzial zu heben, müssen die Finanzierungsmöglichkeiten weiter verbessert werden, vor allem in der Wagniskapitalfinanzierung. Zudem muss es gelingen, mehr technologische Neuerungen in Anwendung zu bringen.

Drittens muss Deutschland als führende Industrienation den Anspruch haben, die Schlüsseltechnologien der Zukunft mitzugestalten, entsprechende Standards zu setzen und Wertschöpfungsverbünde in Deutschland und Europa zu halten. Das BMWi setzt sich zum Beispiel für den Aufbau einer europäischen Batteriezelltechnologie und – gemeinsam mit europäischen Partnern – für die Schaffung einer vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur (GAIA-X) für alle datenbasierten Prozesse ein.

Neben der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung von Technologien brauchen wir Mechanismen, um unsere technologische Souveränität und damit die relevante industrielle Substanz in Deutschland und Europa zu wahren. Leitbilder der deutschen Wirtschaftspolitik bleiben die Soziale Marktwirtschaft und offene Weltmärkte mit regelbasiertem Handel und vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen weltweit sowie die Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs. In Fällen, in denen die Offenheit Deutschlands von Unternehmen aus Drittstaaten genutzt wird, Strategien zu verfolgen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die technologische Souveränität gefährden können, muss das bestehende Instrumentarium angesichts der rasanten technologischen und geopolitischen Entwicklungen modernisiert werden. Mit Blick auf die digitale Globalisierung muss in diesem Zusammenhang auch die Cybersicherheit gestärkt werden.

Industriepolitische Roadmap

Die Industriestrategie 2030 ist als ein mittelfristiger Prozess zur Stärkung der Industrie angelegt, der im gemeinsamen Dialog mit wesentlichen Akteuren aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik fortgesetzt wird. Das BMWi wird die in der Strategie thematisierten industrierelevanten Vorhaben auch innerhalb der Bundesregierung vorantreiben und auf den Weg bringen.

Im Sommer 2020 wird eine Standortkonferenz auf Grundlage einer unabhängigen Standortanalyse stattfinden. Zudem wird eine unabhängige Monitoring-Gruppe eingerichtet, die in regelmäßigen Abständen eine Bewertung der industriellen Entwicklung, industrierelevanter Maßnahmen der Wirtschaftspolitik sowie auch besonderer Herausforderungen vornehmen wird.

Die Rahmenbedingungen müssen in Deutschland und Europa der weltweit hohen technologischen und unternehmerischen Dynamik entsprechend weiterentwickelt werden. Damit trägt der Staat zum Erfolg der Unternehmen in Zeiten der digitalisierten Globalisierung bei und zeigt auch unter den Gegebenheiten der aktuellen Herausforderungen, wie die Soziale Marktwirtschaft als erfolgreiches Ordnungskonzept Wachstum und Beschäftigung auch in Zukunft ermöglichen kann.

In Kürze
Das BMWi wird die in der Strategie formulierten Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung vorantreiben. So wird unter anderem im Sommer eine Standortkonferenz stattfinden. Eine einzurichtende Monitoring-Gruppe soll zudem auch wirtschaftspolitische Maßnahmen auf den Prüfstand stellen.
Kontakt
Götz Siegert
Referat: Grundsatzfragen der Industriepolitik; Bündnis Zukunft der Industrie
schlaglichter@bmwk.bund.de