Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft

Die Nationale Wasserstoffstrategie - Eine Weiterentwicklung der Energiewende

Illustration zum Thema "Wegbereiter für die Energieträger der Zukunft"

© Mario Wagner

Das Energiekonzept der Bundesregierung hat 2010 die Grundlage für den Aufbau eines nachhaltigen Energiesystems gelegt. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind danach die beiden Hauptsäulen der Energiewende. In sämtlichen Bereichen müssen Einsparpotenziale ausgeschöpft werden und der verbleibende Bedarf mittels erneuerbarer Energien gedeckt werden.

Vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität geraten nun auch Bereiche in den Fokus, deren Treibhausgasemissionen als nur schwer zu mindern gelten. Bei diesen schwer zu dekarbonisierenden Bereichen handelt es sich hauptsächlich um die Schwerindustrie (Stahl, Chemie usw.) und bestimmte Verkehrsbereiche (Schwerlastverkehr, Nutzfahrzeuge, Schifffahrt, Luftfahrt usw.) In diesen Bereichen kann selbst nach Erschließung aller Einsparpotenziale nicht der gesamte Bedarf an fossilen Energieträgern direkt durch erneuerbare Energien gedeckt werden. So benötigt die Stahlindustrie z. B. weiterhin Grundstoffe für die Umwandlung von Eisenerz in Roheisen. Ähnlich werden in der Luftfahrt batterieelektrische Antriebe selbst auf lange Sicht Kraftstoffe nicht vollständig ersetzen können. Stoffliche Energieträger und Produktionsmittel sind und bleiben also auch in Zukunft in einem Industrieland wie Deutschland ein integraler Teil des Energiesystems.

Für eine erfolgreiche Energiewende müssen die noch benötigten Energieträger dekarbonisiert werden. Das heißt schlussendlich, dass bei ihrer Erzeugung und Verwendung kein neues Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen darf. Klimafreundliche Energieträger sind somit zentral für die Weiterentwicklung der Energiewende. Klimafreundlich erzeugter Wasserstoff (H2) ist dabei aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ein Schlüsselelement.

Warum Wasserstoff?

Sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch international wurde das Thema „Wasserstoff“ in den letzten Jahren als wichtige Option zur Dekarbonisierung und Emissionsminderung erkannt.

Wasserstoff ist ein vielfältig einsetzbarer Energieträger, der fossile Energieträger in zahlreichen Anwendungsbereichen ersetzen kann. Zudem ist Wasserstoff für zahlreiche chemische Prozesse unabdingbar. Im Stahlbereich könnte Wasserstoff wiederum Kohle als Grundstoff für die Umwandlung von Eisenerz in Roheisen ersetzen. Statt CO2 würde aus dem Hochofen dann Wasserdampf kommen. Als Kraftstoff kommt Wasserstoff insbesondere in der Brennstoffzelle zum Einsatz, die einen höheren Wirkungsgrad als der klassische Verbrennungsmotor aufweist und als Abgas Wasserdampf ausstößt.

Wasserstoff ist aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften nicht einfach zu speichern und zu transportieren. Insbesondere ist Wasserstoff sehr flüchtig und muss für die Lagerung aufwändig gekühlt und komprimiert werden. Um dieses Problem zu umgehen, ist von Vorteil, dass Wasserstoff auch die Grundlage für zahlreiche chemische Folgeprodukte bildet, wie Ammoniak oder Methanol, aber auch synthetische Kraftstoffe und somit auch in anderer Form gespeichert werden kann. Diese oftmals flüssigen Folgeprodukte sind leichter handhabbar und könnten z. B. fossile Kraftstoffe im Flugverkehr ersetzen. Somit könnte Wasserstoff in zahlreichen Bereichen für eine weitgehende Dekarbonisierung unumgänglich werden.

In Kürze
Wasserstoff ist vielfältig einsetzbar und kann fossile Energieträger in vielen Anwendungsbereichen ersetzen.

Ein Molekül, viele Farben

Entscheidend für die Umweltbilanz von Wasserstoff ist nicht nur die Endanwendung, sondern vor allem auch die Erzeugungsart. So werden bereits heute jährlich in Deutschland in der Chemieindustrie für stoffliche Herstellungsverfahren über 55 Terawattstunden (TWh) Wasserstoff aus fossilen Energieträgern gewonnen (sog „grauer“ Wasserstoff). Die Erzeugung von „grauem“ Wasserstoff ist hierbei mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden.

Nur Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde, ist auf Dauer nachhaltig. Dabei geht es hauptsächlich um „grünen“ Wasserstoff. Dafür wird ein sogenannter Elektrolyseur mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt und Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) sowie den begehrten Wasserstoff (H2) zersetzt. Somit wird elektrische Energie in Form von Wasserstoff gespeichert (sog. chemische Energiespeicherung).

Elektrolyseverfahren sind insbesondere in der Chemieindustrie seit Jahrzehnten bekannt. Dabei wird Wasserstoff entweder gezielt produziert, wenn besonders hohe Reinheitsgrade gebraucht werden, oder aber Wasserstoff entsteht als Nebenprodukt anderer Elektrolyseverfahren (z. B. in der Chlor-Alkali-Elektrolyse). Bevor allerdings „grüner“ Wasserstoff in einem für die Dekarbonisierung erforderlichen Umfang erzeugt werden kann, müssen noch eine Reihe Herausforderungen gemeistert werden: Zuerst müssen Elektrolyseure noch für die Wasserstoff-Erzeugung im großen Stil hochskaliert werden und deutlich leistungsfähigere Anlagen gebaut werden. Abhängig von den verfügbaren Erzeugungstechnologien ist dies unterschiedlich weit fortgeschritten. Hinzu kommt die technische Toleranz der Elektrolyseure gegenüber schwankenden Stromversorgungsbedingungen. Regelmäßiges Abschalten verringert die Lebensdauer und bedeutet zudem weniger Output und damit eine geringere Wirtschaftlichkeit der Investition. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die benötigten erneuerbaren Strommengen. Das Potential für Strom aus erneuerbaren Energien ist in Deutschland begrenzt. Zudem tragen die Stromkosten einen wesentlichen Teil dazu bei, dass „grüner“ Wasserstoff bislang die teuerste „Farbe“ ist. Die Herausforderung, „grünen“ Wasserstoff in das Energiesystem zu integrieren, liegt also neben technischen Aspekten vor allem darin, dass „grüner“ Wasserstoff verfügbar und wettbewerbsfähig gegenüber der fossilen Konkurrenz wird. Darauf konzentrieren sich die Ansätze der Bundesregierung, insbesondere im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie.

Für die Übergangsphase stehen allerdings auch weitere Alternativen zur Verfügung. So setzen große Industrieabnehmer auf „blauen“ Wasserstoff, der kostengünstiger und schneller verfügbar sein könnte. Abgesehen von der Kostenfrage könnte Wasserstoff aus „grüner“ Erzeugung hier anfangs noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Die Erzeugung von „blauem“ Wasserstoff basiert dabei wie bei „grauem“ Wasserstoff auf der CO2-intensiven Umwandlung von fossilen Kohlenwasserstoffen. Maßgeblich ist hierfür v. a. die Dampfreformierung von Erdgas. Allerdings unterscheidet sich die „blaue“ Wasserstofferzeugung dadurch, dass sie mit einem CO2-Abscheidungs- und Speicherungsverfahren gekoppelt wird (engl. Carbon Capture and Storage, CCS). Das abgeschiedene CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre, muss aber sicher zu einer geeigneten Lagerstätte transportiert werden, um dort nachhaltig gespeichert zu werden. In Norwegen z. B. werden hierzu vielversprechende Ansätze verfolgt. Insgesamt wird der Einsatz von blauem Wasserstoff jedoch kontrovers diskutiert, da die Sicherheit des CCS-Verfahrens, sprich der langfristige Verbleib des CO2 unter der Erde, zurzeit noch geprüft wird. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Klimaschutzprogramm 2030 einen Dialogprozess angekündigt, der u. a. CCS in der Gesamtschau aller Klimaschutztechnologien in den Blick nehmen soll. Vor allem bieten die rasche Skalierbarkeit und die niedrigeren Kosten blauen Wasserstoffs Vorteile, um die Umrüstung auf wasserstoffbasierte Anwendungstechnologien in der Industrie zu beschleunigen. Somit würden wesentliche Voraussetzungen für den Einsatz und die Nachfrage nach „grünem“ Wasserstoff geschaffen werden.

In Kürze
Die Bundesregierung sieht auf Dauer „grünen“ Wasserstoff als die einzig nachhaltige Lösung an.

Ähnliches gilt für die Erzeugung von „türkisfarbenem“ Wasserstoff. Hierbei wird Wasserstoff über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt. Anstelle von CO2 entsteht dabei aus Methan (CH4) der begehrte Wasserstoff (H²) und fester Kohlenstoff (C), wodurch die CCS-Problematik von leicht flüchtigem CO2 umgangen wird. Allerdings wird das Verfahren zurzeit noch für den großskaligen Einsatz entwickelt. Zudem ist die CO2-Neutralität des Verfahrens durch die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen sowie durch die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs bedingt.

Die Bundesregierung sieht auf Dauer „grünen“ Wasserstoff als die einzig nachhaltige Lösung an. Sie geht aber davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren ein globaler und europäischer Wasserstoffmarkt herausbilden wird. Auf diesem Markt werden dann auch „blauer“ oder „türkisfarbener“ Wasserstoff gehandelt werden. Aufgrund der engen Einbindung von Deutschland in die europäische Energieversorgungsinfrastruktur werden diese Optionen daher auch hier eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt werden. Die laufenden Untersuchungen der erwähnten Verfahren werden hierbei eine wichtige Grundlage für Zertifizierungssysteme bilden, die Transparenz über die Umweltbilanz der unterschiedlichen Wasserstoff-Farbschattierungen schaffen werden.

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Exkurs zu Wasserstoff-Folgeproduktion
Aus Wasserstoff können weitere Folgeprodukte hergestellt werden (Ammoniak, Methanol, Methan usw.). Sofern diese Produkte unter der Verwendung von „grünem“ Wasserstoff erzeugt werden, wird im
Folgenden übergreifend von Power-to-X (PtX) gesprochen. Je nachdem, ob die erzeugten Folgeprodukte in gasförmiger oder flüssiger Form anfallen, spricht man von Power-to-Gas (PtG) oder von Power-to-Liquid (PtL). Mittelfristig könnte dabei auch die wasserstoffbasierte Nutzung von CO2 in chemischen Prozessen eine wichtige Rolle im Sinne der Kreislaufwirtschaft einnehmen (engl. Carbon Capture and Utilization, CCU). CO2 wird z.B. für die Erzeugung von Methan aus Wasserstoff (Methanisierung) oder für weitere wichtige Grundchemikalien wie Methanol benötigt.

Wasserstofftechnologien „made in Germany“

Neben den klimapolitischen Potenzialen sind auch die industriepolitischen Potenziale der Wasserstofftechnologien nicht von der Hand zu weisen. Dabei geht es sowohl um Erzeugungsanlagen (Elektrolyseure) und Versorgungsinfrastruktur (wasserstofftaugliche Leitungen, Transport- und Speicherlösungen usw.), als auch um entsprechende Anwendungstechnologien (Brennstoffzellen, Wasserstoff-Direktreduktion in der Stahlindustrie usw). Deutschland hat die Chance, sich im internationalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und dem Export von Wasserstoff- und Power-to-X-Technologien zu erarbeiten. So verfügt die deutsche Industrie bei der Erzeugung von Wasserstoff, der Weiterverarbeitung in verschiedenste Folgeprodukte sowie deren Verwendung über ein breites Know-How. Die aufgrund der langjährigen Fördermaßnahmen (u. a. im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie und des Energieforschungsprogramms) breite deutsche Akteurslandschaft rund um Wasserstofftechnologien wird ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien in Deutschland sein. Die Herstellung der Komponenten für die Erzeugung, Nutzung und Versorgung von Wasserstoff wird dann zur regionalen Wertschöpfung beitragen und die in diesen Bereichen tätigen Unternehmen stärken. Wasserstoff steht somit auch im Zeichen der Wiederbelebung der Konjunktur (Recovery) für wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Deutschland.

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Die Nationale Wasserstoffstrategie: Chancen ergreifen

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) setzt sich die Bundesregierung zum Ziel, die klima-, energie- und wirtschaftspolitischen Chancen von Wasserstoff zu ergreifen. Sie verfolgt dabei insbesondere folgende Ansätze:

  • Wasserstoff und seine Folgeprodukte als Schlüsselelemente der Energiewende etablieren.
  • Die gute Ausgangsposition deutscher Unternehmen stärken, indem Forschung, Entwicklung und der Technologietransfer rund um innovative Wasserstofftechnologien forciert werden. Denn nur mit einer langfristig angelegten Forschungs- und Innovationsförderung entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Wasserstoff – von der Erzeugung über Speicherung, Transport und Verteilung bis hin zur Anwendung – sind Fortschritte bei diesen Kerntechnologien der Energiewende zu erzielen.
  • Die Kostendegressionen bei Wasserstofftechnologien voranbringen. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auch international gestärkt.
  • Die Voraussetzungen für einen Markthochlauf der Wasserstofftechnologien schaffen. Dafür müssen inländische Märkte für die Erzeugung und Verwendung von Wasserstoff ermöglicht werden. Der Fokus liegt dabei auf Bereichen, die schon jetzt nahe an der Wirtschaftlichkeit sind, bei denen größere Pfadabhängigkeiten vermieden werden oder die sich nicht anders dekarbonisieren lassen.
  • Die zukünftige Versorgung mit Wasserstoff und dessen Folgeprodukten sichern und gestalten. Dabei steht „grüner“ Wasserstoff im Fokus, der langfristig als einzig nachhaltige Lösung gesehen wird. Dafür muss zusätzlich zu heimischen Erzeugungspotentialen ein verlässlicher europäischer und internationaler Rahmen geschaffen werden, um mit entsprechenden Partnern neue Handelsbeziehungen aufbauen zu können. Kooperationen auf internationaler- und EU-Ebene werden hierfür maßgebliche Weichen stellen.

Bis zu 5 Gigawatt Elektrolyseleistung bis 2030

Derzeit ist die Erzeugung und Nutzung von „grünem“ Wasserstoff noch nicht wirtschaftlich. Insbesondere die Verwendung fossiler Alternativen, bei denen aktuell die Umweltkosten der CO2-Emissionen noch nicht voll eingepreist sind, ist günstiger. Um die Entwicklung voranzutreiben und eine Kostendegression bei den Wasserstofftechnologien zu erreichen, sind sowohl eine wettbewerbsfähige Produktion als auch ein wachsender Absatzmarkt für „grünen“ Wasserstoff notwendig. Ein schneller Markthochlauf für die Produktion und Nutzung von Wasserstoff ist daher von großer Bedeutung. Nur dann kann das vorhandene Wissen weiterentwickelt und die hervorragende deutsche Ausgangsposition im weltweiten Wettbewerb gehalten werden.

Als erster Schritt für den Markthochlauf ist eine starke inländische Wasserstoffproduktion und -verwendung – ein „Heimatmarkt“ – unverzichtbar. Bis zum Jahr 2030 sollen hierfür in Deutschland Erzeugungsanlagen für „grünen“ Wasserstoff von bis zu 5 Gigawatt (GW) Gesamtleistung entstehen. Zu diesem Zweck sieht der Aktionsplan der NWS vor, weitere Möglichkeiten für die Privilegierung bei staatlich induzierten Strompreisbestandteilen für den Betrieb von Elektrolyseuren zu prüfen.

Der Markthochlauf der „grünen“ Wasserstofferzeugung soll insbesondere auf der Nachfrageseite unterstützt werden. Der Fokus liegt dabei in einer ersten Phase auf den genannten Industrie- und Verkehrsbereichen, die schon jetzt nahe an der Wirtschaftlichkeit sind oder die sich nicht anders dekarbonisieren lassen. Die hier erzielten Erfolge kommen dann auch Bereichen zugute, in denen der Einsatz von Wasserstoff nicht unmittelbar bevorsteht, so z. B. möglichen Anwendungen im Wärmebereich.

In Kürze
Wir brauchen einen europäischen und internationaler Rahmen zum Aufbau von Wasserstoff-Handelsbeziehungen.

Wasserstoff als Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung der Schwerindustrie

Vor allem im Raffineriebereich könnten bis 2030 bis zu 2 GW „grüner“ Elektrolysekapazitäten entstehen. Dabei wird die im Aktionsplan vorgesehene zeitnahe und ambitionierte Umsetzung der europäischen Richtlinie über Erneuerbare Energien (RED II) eine entscheidende Rolle spielen. Über die RED II wird über eine Verpflichtung zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Verkehrssektor frühzeitig ein starker Impuls für die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff bei Raffinieren gesetzt. Dies wird den Markthochlauf der Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland zügig voranbringen

In der Industrie müssen zudem zunehmend fossile Grundstoffe und Energieträger substituiert und Verfahren mit geringerem CO2-Ausstoß entwickelt bzw. vermehrt eingesetzt werden. Hier setzt der Aktionsplan der NWS starke Anreize für mutige Investitionsentscheidungen der Industrie. Hier liegt der Schwerpunkt des Aktionsplans, mit Investitionsförderprogrammen, die die Industrie bei der Umrüstung auf Wasserstofferzeugungs- und anwendungstechnologien unterstützen. Über das Konjunkturpaket, das vom Koalitionsausschuss am 3. Juni 2020 verabschiedet wurde, könnten diese Förderprogramme noch einmal deutlich verstärkt werden.

Trotzdem stellt sich in bestimmten Bereichen die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der wasserstoffbasierten alternativen Produktionsprozesse, auch im Kontext der globalen Konkurrenz. Insbesondere die hohen Kosten für „grünen“ Wasserstoff schlagen bei der Produktion von Gütern zu Buche. Um dieser Herausforderung zu begegnen und die Wettbewerbsfähigkeit industrieller Kernbereiche zu wahren, sollen Pilotprogramme zur Förderung der wasserstoffbasierten Industrieproduktion geschaffen werden. Hierbei soll u. a. das Instrument der Carbon Contracts for Difference (CfD) im Rahmen eines Pilotprogramms getestet werden. Dabei handelt es sich um eine Form der Betriebskostenförderung, deren variable Höhe sich am CO2-Preis im europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) orientiert. Dabei verringert sich bei steigendem EU-ETS-Preis automatisch die Fördersumme. Hierdurch sollen Risiken für Unternehmen bei anfänglich hohen CO2-Vermeidungskosten verringert und Investitionsentscheidungen befördert werden.

In Kürze
Brennstoffzellenfahrzeuge können die Elektromobilität ergänzen und den Ausstoß von Schadstoffen massiv senken.
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Die wasserstoffbasierte Mobilität auf den Weg bringen

Die wasserstoffbasierte Mobilität ist vor allem für die Anwendungen eine Alternative, die vorerst nicht durch die Elektromobilität erreicht werden können und auch zukünftig auf stoffliche Kraftstoffe angewiesen sind. Hier gilt es, den Strukturwandel in der deutschen Automobilindustrie konstruktiv und zielführend zu begleiten.

Die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen kann u. a. im ÖPNV (Busse, Züge), im Straßenschwerlastverkehr (LKW) oder in der Logistik (Gabelstapler, Flurförderzeuge) die Elektromobilität ergänzen und den Ausstoß von Luftschadstoffen sowie CO2-Emissionen massiv senken. Auch im PKW-Bereich hat die Brennstoffzelle bei langen Distanzen gute Perspektiven. Im Luftverkehr und in der Schifffahrt wird sich zudem langfristig eine Nachfrage nach synthetischen Treibstoffen (insbesondere PtL) entwickeln. Für all diese Bereiche sieht der Aktionsplan konsequent ausgestattete Investitionsförderprogramme vor.

Den Wasserstoff zum Kunden bringen

All diese neuen Anwendungen setzen die Verfügbarkeit einer entsprechenden allgemein zugänglichen Netzinfrastruktur für Wasserstoff voraus. Mit seinem weit verzweigten Erdgasnetz verfügt Deutschland über eine gut ausgebaute Infrastruktur für Gase. Perspektivisch könnte ein Teil dieser Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff umgewidmet und umgerüstet werden. Zudem werden in industriellen Ballungsräumen bereits private Wasserstoffnetze betrieben. Auch diese Infrastruktur könnte in der Markthochlaufphase eine wichtige Rolle bei der Versorgung großindustrieller Kunden spielen. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben im Szenariorahmen für die Netzentwicklungsplanung 2020 – 2030 ein erstes Wasserstoffstartnetz modelliert. Vor diesem Hintergrund wird es im Weiteren darum gehen, den Markthochlauf auf Angebots- und Nachfrageseite bestmöglich mit der Netzentwicklung zu verzahnen.

Weitere Transportoptionen in Form von flüssigen Folgeprodukten (PtL) oder LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carriers) könnten für den internationalen Handel eine wichtige Rolle spielen. Der Handel mit PtX-Produkten über weite Strecken und der Transport von Wasserstoff über Leitungsnetze werden voraussichtlich eine komplementäre Rolle zueinander einnehmen.

Internationale Märkte für Wasserstoff etablieren

Mittel- und langfristig wird Deutschland „grüne“ Energie in erheblichem Umfang importieren müssen, um seine Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus zu erreichen. Bei Wasserstoff geht die Bundesregierung unter günstigen Bedingungen für den Markthochlauf bis 2030 von einem Bedarf von 90-110 TWh aus. Da die einheimische Produktion von „grünem“ Wasserstoff aufgrund der limitierten Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms den Bedarf nicht wird decken können, muss Deutschland verstärkt entsprechende Importstrukturen entwickeln. Der internationale Handel mit Wasserstoff und synthetischen Folgeprodukten wird nicht nur neue Handelsbeziehungen für Deutschland schaffen, sondern eine weitere Diversifizierung der Energieträger und -quellen ermöglichen und die Versorgungssicherheit stärken.

Die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Wasserstoff ist eine wichtige Voraussetzung für den Markthochlauf in Europa. In Ländern mit günstigen Erzeugungsbedingungen werden somit Chancen für neue Geschäftsmodelle entstehen und insgesamt wird die Versorgungssicherheit mit „grünem“ Wasserstoff in Industrieländern steigen. Um die Voraussetzungen für einen fließenden und transparenten innereuropäischen Markt zu schaffen, wird sich Deutschland auf europäischer Ebene insbesondere für die Systematisierung und Klassifizierung von Wasserstoff und synthetischen Folgeprodukten hinsichtlich Nachhaltigkeitskriterien u. a. bei der nationalen Umsetzung der RED II einsetzen.

Auf internationaler Ebene fördert die Zusammenarbeit mit potenziellen Lieferländern deren Beitrag zum internationalen Klimaschutz und bringt nachhaltige Entwicklungschancen mit sich. Insbesondere die bestehenden Energiepartnerschaften der Bundesregierung bieten Möglichkeiten für gemeinsame Projekte sowie die Erprobung von Importrouten und -technologien. Hierbei wird auch beachtet, dass der Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff nicht zu Lasten der häufig unzureichenden Energieversorgung in den Entwicklungsländern gehen darf.

Forschung, und Innovation als Türöffner für Wasserstoff

Um die gute Ausgangsposition deutscher Unternehmen zu sichern, wird es entscheidend sein, Innovationen aus dem Labor schneller als bisher in die Anwendung zu bringen und sie im industriellen Maßstab umzusetzen. Hierfür wurden die „Reallabore der Energiewende“ als neue Fördersäule der Energieforschung etabliert, um bei Schlüsseltechnologien – allen voran im Wasserstoffbereich – den Innovationstransfer zu beschleunigen. Die Bundesregierung hat zudem die Forschungsmaßnahmen an Wasserstoff-Schlüsseltechnologien in ihrem Energieforschungsprogramm strategisch gebündelt, um maximale Wirkungskraft zu entfalten.

Die Nationale Wasserstoffstrategie als anpassungsfähiger Wegbereiter

Die Erzeugung und Verwendung von Wasserstoff und seiner Folgeprodukte wird zukünftig in zahlreichen Bereichen der deutschen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Um der Unsicherheit bei langen Vorhaben entgegenzuwirken, soll die „Nationale Wasserstoffstrategie“ regelmäßig in einem Drei-Jahres-Turnus aktualisiert und gegebenenfalls angepasst werden. Grundlage hierfür wird ein Monitoringverfahren sein, das Marktentwicklungen spiegeln und bei Bedarf ein Nachsteuern anstoßen soll. Neben einem Ausschuss der Staatssekretäre, einer Bund-Länder-Plattform und einer Leitstelle Wasserstoff wird auch ein Wasserstoffrat aus ausgewiesenen Experten gegründet. All diese Instanzen werden eng miteinander auf die Weiterentwicklung des Aktionsplans hinwirken. In der NWS ist somit von vornherein der Gedanke der fortlaufenden Weiterentwicklung verankert.

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Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bmwi.de/die-nationale-wasserstoffstrategie

Kontakt:
Dr. Cyriac Massu
Referat: Gasförmige Energieträger der Zukunft

Dr. Simon Koesler
Referat: Wärmewende und Sektorkopplung
schlaglichter@bmwi.bund.de