Unternehmen in Deutschland sind von den Auswirkungen der Corona-Pandemie hart getroffen. Bei der Überwindung der Krise helfen ihnen die Lockerungen der Beschränkungen und die staatlichen Hilfspakete.

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Das Markt- und Sozialforschungsinstitut Kantar hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im April und Juni Befragungen durchgeführt, um die Betroffenheit von in Deutschland tätigen Unternehmen von der Corona-Pandemie zu ermitteln. In der ersten Erhebungswelle wurden 500 Unternehmen auf Basis einer repräsentativen Stichprobe befragt, in der zweiten 1.000. Wie angesichts des Ausmaßes der Pandemie zu erwarten, zeigen die Ergebnisse eine allgemein hohe Betroffenheit deutscher Unternehmen: Etwa drei von vier Unternehmen gaben an, zum Zeitpunkt der jeweiligen Befragung negative Auswirkungen zu verspüren.

Das Ausmaß der negativen wirtschaftlichen Folgen wurde in beiden Befragungsrunden auf einer Skala von 1 („geringe negative Auswirkungen“) bis 5 („sehr starke negative Auswirkungen“) als insgesamt stark angegeben. So bewerteten die Unternehmen in der ersten Befragung im April ihre negative Betroffenheit durchschnittlich mit 3,8, im Juni verbesserte sich das Ausmaß der Betroffenheit leicht auf einen durchschnittlichen Wert von 3,6. Am stärksten betroffen zeigten sich in der letzten Befragungsrunde die Branchen „Logistik/Verkehr“, „Beherbergung und Gastronomie“, „Kreativwirtschaft und Unterhaltung“, „Nahrungsmittelproduktion“, „Groß- und Einzelhandel“ sowie „Fahrzeugund Maschinenbau“.

Große Unternehmen sind den Befragungsergebnissen zufolge anteilsmäßig am häufigsten betroffen, das Ausmaß der negativen wirtschaftlichen Folgen ist jedoch bei kleinen Unternehmen am stärksten. Regional betrachtet sind Unternehmen im Süden und Westen Deutschlands am häufigsten und am stärksten betroffen. Zugleich kommt Kantar auf Basis der Juni-Befragung zu dem Befund, dass jedes zehnte Unternehmen mit positiven wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Krise kommt oder zumindest auch positive Effekte verspürt.

Nachfragerückgänge und Liquiditätsengpässe treffen besonders viele Unternehmen

Besonders häufig und stark sind Unternehmen in Deutschland laut beiden Befragungen durch einen Rückgang der Nachfrage und Liquiditätsengpässe infolge der Pandemie betroffen (Abbildung 1). Etwa die Hälfte der negativ betroffenen Unternehmen nannte darüber hinaus Schließungen von Betriebsteilen oder ganzen Betrieben, logistische Schwierigkeiten beim Absatz der eigenen Produkte oder Bezug von Vorleistungen oder Zwischenprodukten als Gründe für negative Betroffenheit. Interessanterweise stellen personelle Engpässe aufgrund von Krankheit, Quarantäne oder Kinderbetreuung oder gar Geschäftsaufgabe seit Beginn der Pandemie nur für wenige Unternehmen ein Problem dar.

Abbildung 1: Ausmass der Auswirkungen der Corona-Pandemie bei negativ betroffenen Unternehmen in der zweiten Befragungswelle Bild vergrößern

Abbildung 1: Ausmass der Auswirkungen der Corona-Pandemie bei negativ betroffenen Unternehmen in der zweiten Befragungswelle

© Erhebungen und Berechnungen durch Kantar

Ausmass der Auswirkungen der Corona-Pandemie bei negativ betroffenen Unternehmen in der zweiten Befragungswelle

Als Grund für Liquiditätsengpässe wurden am häufigsten Steuerzahlungen, Miet- oder Pachtzahlungen sowie Lohnzahlungen genannt. Von den durch Liquiditätsengpässe betroffenen Unternehmen hatte jedes vierte Unternehmen bis zum Zeitpunkt der zweiten Befragung einen Kreditantrag bei seiner Hausbank gestellt, um bestehende Forderungen zu begleichen, zum Teil in Verbindung mit einem Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Etwas mehr als die Hälfte (54%) der Kreditanträge wurde bereits bewilligt – bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von zweieinhalb Wochen. Erfreulich ist auch, dass im Juni fast die Hälfte der von Liquiditätsengpässen betroffenen Unternehmen (44%) es für sehr unwahrscheinlich hielt, in eine Insolvenz zu geraten; im April teilte nur knapp jedes fünfte Unternehmen (18%) diese optimistische Einschätzung.

In Kürze
Personelle Engpässe wegen Krankheit, Quarantäne oder Kinderbetreuung sind nicht das größte Problem.
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Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die unternehmerische Innovationstätigkeit?

Das BMWi hat über seinen Projektträger VDI TZ im April 2020 eine Online-Befragung zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die unternehmerische Forschungs-, Entwicklungs-und Innovationstätigkeit (FuEuI) durchgeführt. Insgesamt haben sich rund 1.800 Unternehmen (davon 86% kleine und mittelständische Unternehmen) an der Befragung beteiligt.

Der Großteil der befragten Unternehmen gab an, FuEuI-Projekte zu verschieben oder ihre Laufzeit zu verlängern (75%) oder sie zu unterbrechen (54%). 24% der Unternehmen geben an,
ihre Projekte ganz abzubrechen. Doch zugleich nimmt ein nennenswerter Anteil in der Krise neue FuEuI-Aktivitäten auf (21%). Großunternehmen passen Umfang und Fortführung ihrer Planungen dabei noch stärker an als KMU.

Was die strategischen Schlussfolgerungen aus der Krise angeht, so wollen 35% der Unternehmen zukünftig FuEuI stärker nutzen, um ihre Produktpalette und ihr Dienstleistungsangebot zu diversifizieren.
Die Erschließung neuer Märkte mit vorhandenem Know-How wird von 46% der Unternehmen angestrebt, eine noch stärkere Digitalisierung ihrer FuEuI-Aktivitäten von 50% der Unternehmen.

Die Ergebnisse der Umfrage finden Sie unter:
www.bmwi.de/ergebnisse-befragung-corona-forschung

Das BMWi hat seine Innovations- und Digitalförderprogramme „von der Idee zum Markterfolg“ bereits als Reaktion auf die Corona-Krise temporär administrativ angepasst.
www.bmwi.de/sofortmassnahmen-technologische-foerderung

Die durch die Befragung gewonnenen Erkenntnisse finden auch Eingang in die Transferinitiative des BMWi. Mit der Transferinitiative begleitet das BMWi den Technologie- und Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Forschung. Ziel ist es,die Entwicklung von Innovationen zu unterstützen und so Forschungsergebnisse erfolgreich in neue, marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu überführen.
www.bmwi.de/transferinitiative

Viele Unternehmen verbuchen Umsatzeinbussen, Investitionen werden häufig ausgesetzt

Die starke Betroffenheit von Unternehmen in Deutschland zeigt sich auch in ihren Umsatzerwartungen für das zweite Quartal. Hier zeichnet sich jedoch eine leichte Entspannung im Zeitverlauf ab. Im Juni gaben 61% der befragten Unternehmen an, dass sie Umsatzeinbußen um durchschnittlich 48% im Vergleich zum Vorjahr durch die Pandemie erwarten. Im April rechneten noch 72% der Unternehmen mit Umsatzeinbußen für das zweite Quartal, auch die Höhe der erwarteten Verluste war mit 55% etwas höher.

Ein gemischtes Bild ergibt sich hingegen bei den Auswirkungen der Pandemie auf die unternehmerischen Investitionstätigkeiten. Knapp drei von vier Unternehmen, die für das zweite Quartal 2020 Investitionen u.a. in digitale Ausstattung oder Strukturen, Renovierungs- und Sanierungsarbeiten oder Forschung und Entwicklung geplant hatten, haben diese zunächst ausgesetzt. Auf der anderen Seite hat etwa jedes zehnte Unternehmen im Zuge der Pandemie neue Investitionen getätigt, insbesondere in Gesundheits- oder Arbeitsschutz sowie in digitale Ausstattung oder Strukturen.

Kurzarbeit, personalpolitische Massnahmen und staatliche Hilfen erhalten Jobs und vermeiden Insolvenzen

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen zudem, dass viele Unternehmen personalpolitisch reagieren oder Hilfe der Bundesregierung in Anspruch nehmen, um die Krise zu bewältigen. Auf diese Weise konnten viele Unternehmen bis zum jetzigen Zeitpunkt Liquiditätsengpässe überbrücken und Arbeitsplätze erhalten. Im Juni setzte gut jedes vierte Unternehmen Kurzarbeit ein oder plante, diese zu nutzen, während im April noch rund jedes dritte Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Im Durchschnitt betrifft dies knapp drei Viertel der jeweiligen Belegschaft, die Tendenz ist seit der ersten Befragung rückläufig.

Viele Unternehmen reagierten zudem mit einem Abbau von Überstunden oder Urlaub (34%), den Ausbau von Telearbeit (30%) oder Verkürzung der Arbeitszeit (24%) auf die Pandemie. Auch wenn diese Maßnahmen in vielen Unternehmen die Beschäftigung sicherten, mussten einige Unternehmen zum Teil bereits Stellen abbauen. 11 % der befragten Unternehmen gab an, Beschäftigte entlassen zu haben oder plante dies.

Gut die Hälfte der befragten Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten nutzten bis Juni die Soforthilfen des Bundes oder der Länder oder beabsichtigen, sie zu beantragen. Neben unbürokratischen Zuschüssen zur schnellen Überwindung finanzieller Engpässe werden von gut jedem sechsten Unternehmen coronaspezifische Darlehen, Kredite oder Bürgschaften genutzt, während jedes fünfte Großunternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten zum Zeitpunkt der zweiten Befragung erwog, Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zu beantragen, sobald diese verfügbar sind. Der WSF stellt Mittel für Staatsgarantien für Verbindlichkeiten und direkte staatliche Beteiligungen zur Verfügung. Ziel des WSF ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Unternehmen abzumildern, die eine erhebliche Bedeutung für den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland haben. Gut ein Drittel der Unternehmen nutzt darüber hinaus die Möglichkeit der Stundung von Steuerzahlungen.

Neben den Hilfsprogrammen der Bunderegierung und der Länder sowie den von vielen Unternehmen getroffenen personalpolitischen Maßnahmen zeigen auch die auf Grund der geringen Neuinfektionen seit Mitte April bundesweit veranlassten Lockerungen der Kontaktbeschränkungen positive Wirkungen: Jedes dritte Unternehmen gab in der Juni-Befragung an, dass sich die Öffnungen positiv auf seine wirtschaftliche Situation ausgewirkt haben.

Gute Bonität erleichtert Unternehmen den Zugang zu Krediten in der Krise

Um weitere Einblicke in die bisherigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen in Deutschland zu erhalten, wurden die Umfrageergebnisse der ersten Erhebungswelle der von Kantar durchgeführten Befragungen mit den Daten des Mannheimer Unternehmenspanels (MUP) beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) auf der Unternehmensebene verknüpft.

In einem ersten Schritt analysiert das ZEW auf Basis dieser Daten, ob Unternehmen mit besserer Bonität weniger stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie betroffen sind als Unternehmen mit einem schlechteren Kreditrating. Hierfür wurde ein Index zur Unternehmensbonität, der die Kreditausfallwahrscheinlichkeit eines Unternehmens für die zweite Jahreshälfte 2019 widerspiegelt, verwendet. Bei Unternehmen mit einem niedrigen Bonitätsindex liegt eine höhere Wahrscheinlichkeit vor, dass diese ihre Kredite nicht entsprechend der getroffenen Vereinbarungen zurückzahlen können. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass Unternehmen, welche bereits vor Beginn der Pandemie ein schwaches Kreditrating aufgewiesen haben, nicht stärker von der Pandemie betroffen sind als Unternehmen mit hoher Bonität vor Beginn der Krise.

Viele Unternehmen sind folglich unabhängig von ihrer Bonität und ihrem Verschuldungsgrad vor Ausbruch der Krise von deren Auswirkungen negativ betroffen, da sie mit einem Wegfall von Lieferketten, (vorübergehenden) Betriebsschließungen und negativen Nachfrageschocks konfrontiert werden. Dies gilt vor allem für stark betroffene Branchen wie beispielsweise das Gastgewerbe, den Verkehrs- und den Unterhaltungssektor.

In einem zweiten Analyseschritt untersucht das ZEW genauer, welche Art von Unternehmen die staatlichen Hilfsprogramme in Anspruch nehmen. Hierfür wurden die von Kantar im April erhobenen Daten zur Kreditbewilligung durch die Hausbanken im Rahmen der Pandemie genutzt. Wie in Tabelle 1 veranschaulicht zeigen vorläufige Ergebnisse: Kreditanträge von Unternehmen mit ausgezeichneter bis guter Bonität vor der Krise wurden zum Zeitpunkt der ersten Befragungen in keinem einzigen Fall abgelehnt, während Kreditanträge von Unternehmen mit schwacher bis ungenügender Bonität in keinem Fall bewilligt wurden. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen mit besserer Bonität leichter Zugang zu Überbrückungskrediten gewährt wird als Unternehmen mit hoher Kreditausfallwahrscheinlichkeit. Allerdings sind diese Ergebnisse auf Grund der geringen Fallzahlen zur Kreditbewilligung mit Vorsicht zu interpretieren.

Tabelle 1: Unternehmensbonität und Kreditbewilligung Bild vergrößern

Tabelle 1: Unternehmensbonität und Kreditbewilligung

© Berechnungen des ZEW

Aussicht auf Erholung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine gute Liquiditätslage von Unternehmen vor der Krise zwar nicht vor negativen Auswirkungen durch die Krise schützt, doch scheint sie den betroffenen Unternehmen den Zugang zu Mitteln für die Krisenbewältigung zu erleichtern. Hilfsmaßnahmen, die zum Teil über Garantien des Bundes abgesichert werden, werden demnach nicht vornehmlich von Unternehmen in Anspruch genommen, die gemessen an ihrer Kreditbonität einem hohen Ausfallrisiko unterliegen. Insgesamt liefern die kombinierten Ergebnisse von Kantar und dem ZEW erste Anhaltspunkte dafür, dass Unternehmen durch einen schnellen Zugang zu staatlichen Hilfsprogrammen die Auswirkungen der Krise besser überwinden können und Insolvenzen sowie Stellenabbau vermieden werden können.

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Kontakt:
Juliane Stoll
Referat: Wirtschaftspolitische Analyse

Dr. Verena Mertens
Referat: Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Innovations- und Technologiepolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de