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Die Bundesregierung ergreift Massnahmen, um Planungs- und Genehmigungsprozesse deutlich zu beschleunigen
Die deutsche Wirtschaft verfügt über hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit, und auch als Investitionsstandort ist Deutschland aufgrund seiner zentralen Lage, seines Verkehrsnetzes, seiner Produktionsstrukturen und seiner qualifizierten Fachkräfte attraktiv. Dies gilt bei aller Kritik an den teilweise komplexen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Investitionen wie die „Gigafactory“ von Tesla zeigen, dass auch innerhalb der bestehenden Regelungen eine schnelle Umsetzung möglich ist. Dennoch können zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren die Wettbewerbsfähigkeit und in der Folge auch den wirtschaftlichen Wohlstand gefährden. Um langfristig Investitionen umsetzbar und rentabel zu machen, braucht Deutschland deshalb auch weitere Verbesserungen der Planungs- und Genehmigungsprozesse. Ein zügigerer Aus- und Neubau der Infrastruktur und Investitionen insbesondere in den wichtigen Bereichen Verkehr, Industrie und Energie fördert Innovationen, stärkt Logistikketten und kann auch die Transformation zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft unterstützen.
Der Koalitionsausschuss hat in seiner Sitzung am 8. März 2020 beschlossen, Planungs- und Genehmigungsverfahren vor allem in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur zu beschleunigen und das Verfahrensrecht entsprechend anzupassen. Das Bundeskabinett hat daraufhin im August 2020 den Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes auf den Weg gebracht.
In Kürze:
Zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren können die Wettbewerbsfähigkeit und in der Folge auch den wirtschaftlichen Wohlstand gefährden.
Kontinuierlicher Fortschritt im Bereich Planungs- und Genehmigungsverfahren
Der genannte Gesetzentwurf ist Teil eines kontinuierlichen Prozesses zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Er ist bereits im aktuellen Koalitionsvertrag angelegt; die Bundesregierung hat den Prozess auch im Klimapaket aufgegriffen, das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde. Der Entwurf des Investitionsbeschleunigungsgesetzes knüpft an weitere Gesetze und Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung an, die bereits in dieser Legislaturperiode verabschiedet wurden. Dazu zählen unter anderem:
Dabei ist das im April 2020 in Kraft getretene Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG) besonders hervorzuheben. Es wird an zwölf ausgewählten Verkehrsprojekten eine Genehmigung durch Gesetzbeschluss erproben. Das oftmals sehr langwierige Planfeststellungsverfahren wird dabei durch ein kürzeres vorbereitendes Verfahren ersetzt. Materiellrechtliche Prüfungen sowie insbesondere die wichtigen Aspekte der Bürgerbeteiligung bleiben dabei erhalten. Klage gegen ein Maßnahmengesetz kann dagegen nicht mehr vor dem Verwaltungsgericht sondern nur noch mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Neben einer Beschleunigung von Verfahren kann die Genehmigung von Infrastrukturprojekten durch den Bundestag zudem die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen.
Zu den zwölf ausgewählten Projekten gehören im Bereich „Schiene“ unter anderem der Ausbau der Eisenbahnstrecke von München über Mühldorf nach Freilassing und der Ausbau der Eisenbahnstrecke von Magdeburg nach Halle. Im Bereich Wasserstraßen sind z. B. die Fahrrinnenanpassung der Außenweser und der Unterweser (Nord) und die Abladeoptimierung der Fahrrinnen des Mittelrheins betroffen.
Investitionsbeschleunigungsgesetz begünstigt Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
Um die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 umzusetzen, wurde der Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes (InvBeschlG) für Infrastrukturvorhaben erarbeitet. Die Federführung hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) inne; es arbeitet eng zusammen mit dem Bundesministerium des Inneren (BMI), dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Zu den enthaltenen Maßnahmen zählen u. a. Vereinfachungen im Raumordnungsrecht und bei der Genehmigung der Elektrifizierung von Schienenstrecken sowie Maßnahmen zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren. Der Entwurf des InvBeschlG trägt zum Bürokratieabbau bei und schafft wichtige Voraussetzungen, um Investitionen schneller und effektiver realisieren zu können. Im Einzelnen enthält der Entwurf folgende Vorschläge:
Kürzere Verwaltungsgerichtsverfahren:
Die Gesamtdauer von verwaltungsgerichtlichen Verfahren bis zu deren rechtskräftigem Abschluss soll reduziert werden, indem der Instanzenzug verkürzt wird. Dazu wird die Eingangszuständigkeit für Streitigkeiten, die bestimmte infrastrukturrelevante Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren zum Gegenstand haben, von den Verwaltungsgerichten auf die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe verlagert. Diese Änderung spart eine Instanz und verkürzt somit die Zeit der Verfahren. Erfasst sind hiervon insbesondere Planfeststellungsverfahren für Landesstraßen, für Wasserkraftwerke und Häfen sowie Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesberggesetz. Ebenfalls erfasst werden Rechtsstreitigkeiten, die die Genehmigung von Windenergieanlagen an Land betreffen.
In Kürze:
Neben einer Beschleunigung von Verfahren kann die Genehmigung von Infrastrukturprojekten durch den Bundestag die gesellschaftliche Akzeptanz von Infrastrukturprojekten erhöhen.
Darüber hinaus ist unter anderem vorgesehen, dass die mündliche Verhandlung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren so früh wie möglich stattfinden soll. Zudem sollen für Angelegenheiten des Planungsrechts besondere Kammern oder Senate gebildet werden. Um Personalknappheit an den Gerichten zu begegnen, sollen Richter außerdem flexibler eingesetzt und Kompetenzen in Gerichten gebündelt werden können.
Auch soll für überregional wichtige Infrastrukturprojekte – wie Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan oder dem Mobilfunkausbau – gesetzlich ein Sofortvollzug angeordnet werden können. Das bedeutet, dass nach Genehmigung durch die zuständige Behörde sofort gebaut werden kann. Die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen oder Anfechtungsklagen entfällt in diesen Fällen. Der Weg des einstweiligen Rechtsschutzes (Eilverfahren) bleibt jedoch erhalten.
Beispiel
Heute kann eine Windenergieanlage nicht unmittelbar nach der Genehmigung errichtet werden. Vielmehr muss der Anlagenbetreiber abwarten, ob ein Widerspruch oder eine Klage eingehen. Im Fall einer Klage verzögert sich der Baubeginn oft um Jahre. Durch den Wegfall der aufschiebenden Wirkung kann in Zukunft trotzdem unmittelbar mit dem Bau begonnen werden – es sei denn, die Behörde oder ein Gericht trifft eine Anordnung, dass der Ausgang des Verfahrens abgewartet werden muss. Dies bedeutet, dass Windenergieanlagen viel häufiger schnell realisiert werden können.
Beschleunigte Bauvorhaben an der Schiene:
Der Ausbau bestehender Schieneninfrastruktur beispielsweise für die Elektrifizierung oder Digitalisierung von Schienenstrecken oder der Umbau von Bahnsteigen soll grundsätzlich vom Erfordernis planungsrechtlicher Genehmigungen ausgenommen werden. Dies gilt, soweit keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Die Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen wird zudem gelockert. Bei der Digitalisierung von Schienenstrecken und der Erneuerung von Bahnübergängen ist z. B. keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr erforderlich; bei der Elektrifizierung von Schienenstrecken findet eine Vorprüfung statt, durch die nachfolgende Prüfungen teilweise entfallen können. Davon betroffen sind Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel:
die Ausstattung einer Bahnstrecke mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (European Rail Traffic Management System (ERTMS)).
der barrierefreie Umbau, die Erhöhung oder Verlängerung von Bahnsteigen, die Errichtung von Schallschutzwänden zur Lärmsanierung.
Auch wird die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zulassung von Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern entfallen. Dies greift Maßnahmen des im Oktober 2019 erarbeiteten Aktionsplans des BMWi auf und soll dazu beitragen, Ausbauziele für Windkraft an Land zu erreichen. Diese sind von zentraler Bedeutung für die Energiewende.
Straffung der Raumverträglichkeitsprüfung:
Das Raumordnungsverfahren für Planungen oder Maßnahmen wird grundlegend verändert. Künftig soll es nur noch auf Antrag des jeweiligen Vorhabenträgers durchgeführt werden. Damit soll der Träger der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme von überörtlicher Bedeutung im Einzelfall selbst entscheiden, ob er ein vorgelagertes Raumordnungsverfahren als zielführend oder als entbehrlich erachtet. Sind Konflikte zu erwarten, leitet die für Raumordnung zuständige Landesbehörde ein Raumordnungsverfahren ein. Darüber hinaus wird das Raumordnungsverfahren verbessert, insbesondere durch die stärkere Digitalisierung und eine engere Verzahnung mit dem Zulassungsverfahren. So sind z. B. Online-Veröffentlichungen vorgesehen. Zudem soll im Zulassungsverfahren die Prüfung auf Belange beschränkt werden, die nicht schon zuvor Gegenstand des Raumordnungsverfahrens waren.
Ausblick und nächste Schritte
Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren macht die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Unternehmen und die Gewinnung von Fachkräften attraktiver. Dies fördert wirtschaftliches Wachstum und trägt zum Klimaschutz, ebenso wie zur langfristigen Sicherung des Wirtschafts- und Investitionsstandorts Deutschland bei. Wirtschaft und Verwaltung werden voraussichtlich jährlich um rund 9 Millionen Euro entlastet.
Der zweistufige Zulassungsprozess für Infrastrukturprojekte in Deutschland
1. Raumordnungsverfahren: Es dient der Prüfung der (über)regionalen Auswirkungen eines Projektes. Dabei wird beurteilt, ob Planungen und Maßnahmen mit den Erfordernissen und Zielen der Raumordnung übereinstimmen, die grundsätzlich für einen Ausgleich der vielfältigen Nutzungen und Funktionen des Gesamtraums der Bundesrepublik Deutschland und seiner Teilräume sorgt.
2. Planfeststellungsverfahren: Verwaltungsverfahren, in dem der Plan für konkrete raumbedeutsame Vorhaben und Infrastrukturmaßnahmen wie der Bau von z. B. Autobahnen, Eisenbahnstrecken oder Wasserkraftwerken verbindlich festgelegt wird.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Investitionsbeschleunigungsgesetz wird nun im parlamentarischen Verfahren beraten. Neben legislativen Maßnahmen sieht der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 auch exekutive Instrumente der Verfahrensbeschleunigung vor. Konkret wird hierin die Bildung von Kompetenzteams aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bundesministerien und -behörden angeregt, die nach dem Vorbild anderer EU-Mitgliedstaaten als behördenübergreifende Pools von Experten mit Großprojekterfahrung und flexibler Einsatzmöglichkeit zur Unterstützung von Entscheidungsträgern in Ländern und Gemeinden oder Gemeindeverbänden gebildet werden. Ein entsprechender Umsetzungsvorschlag wird derzeit geprüft.
Verzögerungen von Infrastrukturprojekten, beispielsweise im energiewirtschaftlichen Bereich, sind teilweise auf Vorgaben im EU-Umwelt- und Naturschutzrecht zurückzuführen. Diese bringen einen umfangreichen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Prüfaufwand mit komplexen und zeitaufwendigen Verfahren der Planungsbehörden mit sich. Aus diesem Grund wird angestrebt, auch auf europäischer Ebene Möglichkeiten einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren zu diskutieren.