Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Europa als innovativen Standort für eine digital souveräne Wirtschaft und Gesellschaft positionieren und stärken

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Am 1. Juli 2020 hat Deutschland für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Im Bereich Telekommunikation/Digitales ist der Rat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament dafür zuständig, Rechtsvorschriften, anderweitige Rahmenbedingungen und Leitlinien für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste sowie für deren Interoperabilität zu erarbeiten. Ein bekanntes Beispiel ist die Roaming-Verordnung, welche seit 2007 die Erhebung von Preisaufschlägen für die Nutzung von Mobilfunkgeräten im EU-Ausland für Anrufe, SMS und Internetzugang regelt und 2017 Preisaufschläge weitgehend abschaffte („Roamhome“). Ziel der EU-Politik ist es darüber hinaus, im Telekommunikationssektor für mehr Wettbewerb und Cybersicherheit zu sorgen und Innovationen zu fördern. In die Zuständigkeit des Rates für Telekommunikation/Digitales fallen zudem weitere digitale Themen wie z. B. Künstliche Intelligenz, Datenwirtschaft oder Internet der Dinge. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kann der Rat für Telekommunikation/Digitales am 7. Dezember pandemiebedingt nicht wie vorgesehen physisch in Brüssel tagen. Stattdessen beraten die zuständigen Minister an diesem Termin im Rahmen einer Videokonferenz unter Leitung von Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier.

Für eine digital souveräne Wirtschaft und Gesellschaft

Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist es, die digitale Souveränität Europas zu stärken. Eu­ropa soll bei Schlüsseltechnologien über eigene Fähigkeiten auf internationalem Spitzenniveau verfügen. Es gilt, hochleistungsfähige, sichere und nachhaltige digitale Infrastrukturen zu stärken, gemeinsame europäische Standards und Normen für neue Technologien zu entwickeln und dabei das europäische Wertefundament in das Digitalzeitalter zu übertragen.

Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist die Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in Europa die Chancen des digitalen Wandels in vollem Umfang für sich nutzen können. Wichtig ist, die digitale Infrastruktur zügig auf- und auszubauen. Bei diesem Thema setzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen Schwerpunkt.

Das Projekt GAIA-X ist in diesem Kontext eine bedeutsame, aus Deutschland und Frankreich heraus entwickelte, europäische Initiative zum Aufbau einer sicheren, vertrauenswürdigen und souveränen Dateninfrastruktur. Dabei werden bestehende europäische Angebote über Open Source-Anwendungen und interoperable Standards miteinander vernetzt. Gemeinsam mit der EU-Kommission und weiteren europäischen Partnern soll dieses Projekt als Grundlage eines vitalen digitalen Ökosystems weiterentwickelt werden, auch im Kontext der europäischen Cloud-Initiative und Datenstrategie.

Ein zweites wichtiges Element zur Stärkung der digitalen Souveränität Europas bildet das neue Programm „Digitales Europa“. Das Programm verfolgt mit zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen das Ziel, die digitalen Kapazitäten und Fähigkeiten Europas in zentralen Bereichen zu stärken:

  1. Hochleistungsrechnen
  2. Künstliche Intelligenz
  3. Cybersicherheit und Vertrauen
  4. Fortgeschrittene digitale Kompetenzen
  5. Einführung und optimale Nutzung digitaler Kapazitäten und Interoperabilität

Die zugehörige Verordnung soll bis zum Jahres­ende finalisiert werden, so dass das neue Programm 2021 anlaufen kann. Der Rat und das Europäische Parlament haben sich bereits im Februar 2019 weitgehend über die inhaltliche Ausgestaltung der fünf Programmziele geeinigt; zu klären ist noch das Gesamtbudget, das erst nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament endgültig feststeht.

Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz nutzen und Datenverfügbarkeit verbessern

Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie, die großes Potenzial für zusätzliches Wirtschaftswachstum und Produktivitätszuwächse birgt − in Deutschland, Europa und weltweit. Zugleich kann Künstliche Intelligenz einen wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung, beispielsweise in Bereichen wie der Diagnose- und Therapie-Assistenz, der Telemedizin, beim Schutz bestimmter Bevölkerungsgruppen oder beim Finden eines Impfstoffs, leisten.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, zu einem weltweit führenden Standort für die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz zu werden. Dies umfasst unter anderem ein koordiniertes europäisches Konzept für einen menschenzentrierten Ansatz der Künstlichen Intelligenz.

Eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der EU ist eine Verbesserung der Datenverfügbarkeit und -nutzbarkeit, auch für die Forschung und Weiterverwendung. Es kommt darauf an, eine einheitliche Datenqualität für interoperable Lösungen zu schaffen. Das „Weißbuch Künstliche Intelligenz – ein Europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen“ sowie die Europäische Datenstrategie der EU-Kommission von Februar 2020 beinhalten Maßnahmen und politische Handlungsoptionen, um die Anwendung von Künstlicher Intelligenz zu fördern und damit verbundene Risiken zu adressieren. Dieses Konzept will das BMWi unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft diskutieren und weiter voranbringen.

Veranstaltungen unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Im Bereich der Digitalpolitik finden unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft verschiedene hochrangige Treffen statt.

Am 15. Oktober 2020 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, die für Telekommunikation/Digitales zuständigen Minister der EU zu einem informellen Treffen eingeladen. Das Treffen fand wegen der anhaltenden Corona-Pandemie in einem virtuellen Format statt. Dort tauschten sich die Minister unter anderem darüber aus, wie die Rahmenbedingungen zur Datennutzung und Dateninnovation sowie die digitalen Infrastrukturen für eine Stärkung der Digitalökonomie in Europa verbessert werden können. Ferner diskutierten sie über die Prinzipien für die Ausarbeitung eines europäischen Rahmens für Künstliche Intelligenz. Darüber hinaus erörterten sie vor dem Hintergrund des von der EU-Kommission angekündigten Legislativpakets über digitale Dienste („Digital Services Act Package“), wie ein fairer und sicherer digitaler Binnenmarkt sichergestellt und das Innovationspotenzial der „europäischen Online-Plattform-Märkte“ gesteigert werden können. So gaben die Delegationen Anregungen, welche Anpassungen an der inzwischen 20 Jahre alten E-Commerce-Richtlinie vorgenommen werden sollten, um den digitalen Binnenmarkt zu stärken und ein verantwortungsvolles und rechtmäßiges Handeln der Anbieter zu gewährleisten. Zudem wurde die Frage diskutiert, mit welchen Maßnahmen ein freier Wettbewerb sowie ein faires Geschäftsumfeld insbesondere für kleine und mitt­lere (europäische) Anbieter gegenüber sogenannten Torwächter-Plattformen am besten sichergestellt werden könne. Schließlich unterzeichneten die Vertreterinnen und Vertreter der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen dieses Treffens eine gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zur Schaffung einer European Cloud Federation, vereinfacht gesagt einer euro­päischen Vernetzung von Cloud-Infrastrukturen.

Zudem führt das BMWi verschiedene Veranstaltungen mit Digitalisierungsbezug durch. Beispielsweise hat der European Competition Day am 7. / 8. September 2020 in Berlin einen Schwerpunkt auf faire Wettbewerbsbedingungen in der Plattformökonomie gesetzt. Diskutiert wurden unter anderen die Vorschläge der EU-Kommission für ein neues Wettbewerbsinstrument und eine sogenannte Ex ante-Regulierung.

Im Rahmen der Videokonferenz der für Telekommunikation/Digitales zuständigen Minister am 7. Dezember 2020 sollen schließlich wichtige europäische Rechtsetzungsmaßnahmen in den Fokus genommen werden. Ein Ziel ist, die Beratungen über die Verordnung zur Aufstellung des Programms „Digitales Europa“ für den Zeitraum 2021 – 2027 abzuschließen. Außerdem sollen die Minister Bestimmungen für die Einrichtung des Europäischen Kom-petenzzentrums für Cybersicherheit in Industrie, Technologie und Forschung und des hiermit verbundenen Netzes nationaler Koordinierungszentren auf den Weg bringen. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Vorschläge der EU-Kommission zur sogenannten ePrivacy­Verordnung sowie für einen Rechtsrahmen zur Governance gemeinsamer europäischer Datenräume zu beraten. Bei der ePrivacy-Verordnung ist ein Ziel ein wirksamer Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation. Gleichzeitig soll die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle in der digitalen Welt nicht behindert werden, besonders mit Blick auf die Wett­bewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen und Start-ups gegenüber den großen in der EU ansässigen Unternehmen.

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Weitere Informationen zum Projekt GAIA-X finden Sie in der „Schlaglichter“-Ausgabe vom September 2020:
www.bmwi.de/schlaglichter-der-wirtschaftspolitik-09-2020
Kontakt:
Annika Radmacher
Referat: Europäische Digitalpolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de