Mit einer neuen Strategie unterstützt die Europäische Kommission kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aller Branchen

Frau am Schreibtisch

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Am 10. März 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission die Mitteilung „Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa“ zusammen mit der Mitteilung zur neuen Industriestrategie und dem Aktionsplan für den europäischen Binnenmarkt. Durch die KMU-Strategie der Kommission sollen kleine und mittlere Unternehmen aller Branchen – von inno­vativen Start-ups bis zum traditionellen Handwerksbetrieb – unterstützt und gestärkt ­werden. Der Fokus der Strategie liegt auf drei Schlüsselbereichen: der nachhaltigen und digitalen Transformation, der freien Geschäftsausübung im Binnenmarkt und dem besseren Zugang zu Finanzmitteln. Das Aufbauinstrument schafft zusätzlich ein finanzielles Fundament für eine langfristige Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz europäischer KMU nach der Corona-Pandemie und ergänzt die EU KMU-Strategie faktisch als „vierte Säule“.

Europäische KMU von Corona-Pandemie stark betroffen

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der KMU-Strategie war die Corona-Pandemie bereits in vollem Gang. Branchen und Regionen sind dabei in unterschiedlichem Ausmaß betroffen, allerdings ist der Anteil der Beschäftigten in den durch die Pandemie besonders betroffenen Branchen in vielen EU-Mitgliedsstaaten beträchtlich (Abbildung 1).

Abbildung 1: Beschäftigte in den am meisten von der Corona-Pandemie betroffenen Sektoren (Prozentualer Anteil an der Gesamtbeschäftigung 2018 oder aktuellstes verfügbares Jahr) Bild vergrößern

Abbildung 1: Beschäftigte in den am meisten von der Corona-Pandemie betroffenen Sektoren (Prozentualer Anteil an der Gesamtbeschäftigung 2018 oder aktuellstes verfügbares Jahr)

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Nach OECD-Untersuchungen dominieren in diesen besonders betroffenen Branchen Kleinstunternehmen (< neun Arbeitnehmer) und Solo-Selbständige. Insgesamt sind im OECD-Durchschnitt 75 % der Beschäftigten, die in den stark von der Pandemie betroffenen Branchen arbeiten, entweder als Solo-Selbständige tätig oder arbeiten in Kleinstunternehmen oder in kleinen und mittleren Unternehmen. In Griechenland und Italien sind es sogar fast 90 %.

Um die Pandemie einzudämmen, haben die europäischen Regierungen weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft beschlossen und die nationalen Grenzen geschlossen. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf alle Unternehmen, die auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts angewiesen sind, darunter insbesondere auf KMU in den europäischen Grenzregionen und im Dienstleistungssektor. Um die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abzufedern und den Erholungsprozess zu unterstützen, wurden auf nationaler Ebene vielfältige Hilfsmaßnahmen für KMU beschlossen. Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich darüber hinaus auf ein gemeinsames umfassendes Maßnahmenpaket mit Sicherheitsnetzen für Beschäftigte, Unternehmen und die Mitgliedstaaten. Zudem vereinbarte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 21. Juli 2020, ausgehend von einem Vorschlag der Kommission vom 27. Mai 2020, ein weitreichendes Aufbauinstrument. Dieses Instrument soll die wirtschaftliche Erholung in den Mitgliedstaaten unterstützen und ihre Zukunftsfähigkeit stärken. Die Mittel des Aufbauinstruments sollen in Projekte geleitet werden, die mit den länderspezifischen Empfehlungen des Rates der Europäischen Union im Einklang stehen und die das Wachstumspotenzial, den Beschäftigungsaufbau sowie die wirtschaftliche und soziale Widerstandsfähigkeit stärken. Die Projekte sollen einen effektiven Beitrag zur grünen und digitalen Transformation leisten.

Mann schreibt auf Laptop

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KMU als treibende Kräfte des Wandels

Über 23 Mio. KMU erwirtschaften mit fast 90 Mio. Beschäftigten mehr als 50 % der Wertschöpfung in der EU. Sie sind die Träger der Transformation und die treibenden Kräfte des Wandels. Viele KMU sind inhabergeführt und zeichnen sich durch eine besondere Perspektive aus: Nachhaltiges Wirtschaften sowie der langfristige Erhalt und Ausbau von Kompetenzen, Arbeitsplätzen und Vermögen haben regelmäßig Vorrang vor kurzfristiger Optimierung. KMU sind häufig wirtschaftlich und sozial fest lokal verankert. Ein funktionierender Binnenmarkt ist für sie besonders wichtig: Nur 3 % der europäischen KMU exportieren ausschließlich in Länder außerhalb der EU. Und KMU sind innovativ: 58 % aller KMU in der EU-27 haben im vergangenen Jahr Innovationen wie zum Beispiel neue oder signifikant verbesserte Produkte und Dienstleistungen oder ein neues Geschäftsmodell entwickelt. KMU haben vergleichsweise mehr wissensintensive Unternehmen (25 %) als Großunternehmen (20 %). Viele KMU zeigen gerade jetzt in Reaktion auf den gleichzeitigen Angebots- und Nachfrageschock der Corona-Pandemie viel Flexibilität, wenn es um die Erkundung neuer Märkte, die Beschleunigung der Digitalisierung, die Ausbildung von Beschäftigten und die Anwendung neuer Technologien geht.

In Kürze:
KMU brauchen finanzielle Spielräume und Flexibilität, um neue Geschäftsfelder und Märkte zu erschließen.
Abbildung 2: Europäische KMU-Strategie  - Drei Säulen Bild vergrößern

Abbildung 2: Europäische KMU-Strategie - Drei Säulen

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Prioritäten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Aus Sicht der Bundesregierung brauchen KMU finanzielle Spielräume und Flexibilität, um neue Geschäftsfelder und Märkte zu erschließen. Regulierungen müssen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf KMU konsequent geprüft werden. Die verbesserte Anwendung des sogenannten „KMU-Tests“ in den Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission und der Abbau von Bürokratie sind daher besonders wichtig: Ein effizienter, innovationsfreundlicher und zukunftssicherer Regulierungsrahmen ist ein wichtiger Hebel zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Resilienz, auch um die Erholung nach der Corona-Krise zu unterstützen. Dafür setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein.

Antworten der EU-KMU-Strategie auf zentrale Herausforderungen

Die KMU-Strategie der EU steht auf drei Säulen:

  1. Unterstützung der digitalen und nachhaltigen Transformation,
  2. Freie Geschäftsausübung im Binnenmarkt und über den Binnenmarkt hinaus und
  3. Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmöglichkeiten.

Mit rund 30 konkreten Maßnahmen der KMU-Strategie adressiert die EU-Kommission bestehende Herausforderungen, wie folgende Beispiele zeigen.

Obwohl 91 % der KMU daran arbeiten, ihre Geschäftstätigkeit ökologischer und sozial nachhaltiger auszurichten, haben lediglich 34 % eine konkrete Strategie oder einen Aktionsplan hierfür. Ähnliches gilt für die Digitalisierung: Nur 21 % der KMU haben eine Strategie, lediglich 17 % haben erfolgreich digitale Technologien integriert. Dabei stehen insbesondere KMU bei der Umsetzung digitaler und nachhaltiger Strategien einer Vielzahl von Hürden gegenüber. Sie brauchen zum Beispiel mehr Sicherheit bezüglich zukünftiger digitaler Standards, bevor sie Investitionen tätigen oder Prozesse umstellen. Hier setzt die KMU-Strategie an: Nachhaltigkeitsberater des Enterprise Europe Networks (EEN) und digitale Innovationszentren (Digital Innovation Hubs) sollen KMU bei dem Aufbau von Expertise und dem Übergang zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung helfen. Der neue Europäische Innovationsrat (EIC) wird 300 Mio. Euro für bahnbrechende Innovationen im Bereich des Green Deal zur Verfügung stellen.

Durch die KMU-Strategie sollen zudem entscheidende Hürden im Binnenmarkt reduziert werden: Administrative Prozesse sollen unter anderen durch Zugang zu Informationen und Verfahrensabwicklung in einem digitalen One Stop Shop vereinfacht werden. Der Zahlungsverzug, der für 25 % der Firmeninsolvenzen in der EU verantwortlich ist, soll durch Monitoring- und Durchsetzungsmittel der Zahlungsverzugsrichtlinie verringert werden. Für Start-ups soll ein Standard entwickelt werden, der das Wachstum von mittelständischen Hightech-Unternehmen und Start-ups fördern soll.

In Kürze:
Mit rund 30 konkreten Maßnahmenpakete der KMU­Strategie adressiert die EU-Kommission bestehende Herausforderungen.

Da bislang nur 10 % der europäischen KMU externe Finanzmittel über die Kapitalmärkte erhalten und dadurch möglicherweise Wachstumspotenziale eingeschränkt werden, soll ein KMU IPO-Fund (Initial Public Offering) aufgelegt werden. Durch die „European Scale-up Action for Risk Capital“ (ESCALAR) wird der European Investment Fund (EIF) Mittel für stark wachsende europäische Firmen bereitstellen. Eine „gender-smarte“ Finanzierungsinitiative soll die Mittelbereitstellung für von Frauen geleitete Unternehmen fördern.

Virtuelle Europäische KMU-Konferenz mit Bundeswirtschaftsminister Altmaier und EU-Kommissar Breton

Auf der einmal jährlich stattfindenden europäischen KMU-Konferenz diskutieren ausgewählte Unternehmer/innen, Verbandsvertreter/innen und Wissenschaftler/innen aktuelle Trends und Entwicklungen, geben der EU-Kommission Rückmeldungen und Empfehlungen für die KMU-Politik und tauschen gute Beispiele aus der Praxis aus. Ausgangspunkt für die Debatten sind auch hier die Politikinstrumente aus dem sog. „Märzpaket“ (Industriestrategie, KMU-Strategie und Aktionsplan für den Binnenmarkt) sowie das Aufbauinstrument, die im Spiegel der unternehmerischen Praxis erörtert werden. Die KMU-Konferenz findet regelmäßig in dem EU-Mitgliedsstaat statt, der zum jeweiligen Zeitpunkt den Vorsitz im Rat der EU innehat. Daher richtet die EU-Kommission die diesjährige KMU-Konferenz am 16./17. November 2020 zusammen mit Deutschland als aktueller EU-Ratspräsidentschaft aus – aufgrund der pandemischen Entwicklungen als virtuelle Veranstaltung. Höhepunkte der diesjährigen Konferenz, an der voraussichtlich auch erstmals der neue KMU-Beauftragte der EU-Kommission teilnehmen wird, sind nach der Eröffnung durch Bundeswirtschaftsminister Altmaier und Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, die Vorträge und der Austausch mit Nobelpreisträger Prof. Joseph E. Stiglitz und Prof. Maja Göpel, der Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung „Globale Umweltveränderungen“. Die Corona-Pandemie und die langfristigen Transformationschancen für europäische Unternehmen werden in sieben Workshops (unter anderen zum Aufbau nach der Krise, digitaler Souveränität, nachhaltiger Finanzierung, Sprunginnovationen) und drei Masterclasses (zu geistigen Eigentumsrechten, neuen Führungs- und Managementfähigkeiten, neuen Arbeitsplätzen) diskutiert. Mit den European Enterprise Promotion Awards (EEPA), den Small und Midcap Awards für erfolgreiche Erstplatzierungen an Börsen und den „Stories of Success“ werden Unternehmenserfolge und Initiativen geehrt. Zur Ergänzung des Networking, das – bedingt durch die Einschränkungen der Pandemie – nur virtuell stattfinden kann, ist ein neues Programmelement aufgenommen worden, in dem die SME-Envoys sich und ihre Arbeit vorstellen.

Regal mit Gegenständen

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Mehr zum Thema:
Das aktuelle Programm ist unter folgendem Link zu finden: t1p.de/SME-Assembly-2020
Interessierte Unternehmen und Verbände können sich hier für eine Teilnahme an der KMU-Konferenz am 16. / 17. November anmelden.
Kontakt:
Stephanie Kage
Referat: Grundsatzfragen der nationalen und europäischen Mittelstandspolitik
schlaglichter@bmwi.bund.de