Illustration zum Artikel an den Grenzen der Physik

Fortschritt und Innovation, gerade auch mit Blick auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz, beruhen zu einem beträchtlichen Teil auf der Nutzung neuer Werkstoffe und Materialien. Etwa 70 % sämtlicher technischer Innovationen hängen direkt oder indirekt mit den Eigenschaften der genutzten Materialien zusammen.

In Kürze: Innovative Werkstoffe und Materialien haben eine große Bedeutung für die gesamte Wirtschaft.

Die Bedeutung dieser Innovationen für die gesamte Wirtschaft ist groß. Allein die klassisch werkstoffbasierten Branchen wie beispielsweise der Kraftfahrzeug- und Maschinenbau, die chemisch-pharmazeutische Industrie, das Baugewerbe oder die Metallerzeugung und -bearbeitung erzielen in Deutschland einen jährlichen Umsatz von insgesamt etwa einer Billion Euro und beschäftigen circa fünf Millionen Menschen. Der Einfluss neuer Werkstoffe und Materialien geht allerdings deutlich über die genannten Branchen hinaus. So wäre etwa auch die Digitalisierung ohne innovative Werkstoffe zum Beispiel für Schaltkreise und kompakte, effiziente und sichere Akkumulatoren nicht dort angekommen, wo sie heute ist, und visionäre Zukunftstechnologien wie Quantencomputer können ohne die benötigten Werkstoffe und Materialien niemals verwirklicht werden.

Innovationen schaffen Wertschöpfungspotentiale

Werkstoff- und Materialinnovationen tragen dazu bei, Wertschöpfungspotenziale auch in der ökologischen Transformation der Wirtschaft zu erhalten und auszuschöpfen. Sie leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Ziele und sichern somit die Lebensqualität zukünftiger Generationen. Gerade mit Blick auf Ressourceneffizienz, Alternativen zu umweltschädlichen Rohstoffen sowie die Entwicklung und Verwendung von Werkstoffen und Materialien mit kleinerem CO2-Fußabdruck kommen Querschnittstechnologien wie dem Leichtbau eine besondere Bedeutung zu. Zudem können biobasierte neue Werkstoffe und Materialien helfen, Deutschlands Abhängigkeit von Importen kritischer Rohstoffe (zum Beispiel von fossilen Energieträgern) zu verringern. Es gilt daher, den branchenübergreifenden Fortschritt in diesem Bereich nachhaltig zu unterstützen.

Rund 5 Millionen Menschen arbeiten in werkstoffbasierten Branchen.

Das Technologietransfer-Programm Leichtbau

Mit dem Technologietransfer-Programm Leichtbau (TTP LB) hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) frühzeitig den Wissens- und Technologietransfer mit besonderem Fokus auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit angestoßen. In dem 2020 aufgelegten Programm werden derzeit 94 Vorhaben mit rund 141 Millionen Euro gefördert. Die 19 Projekte im Bereich neue Werkstoffe und Materialien sind dabei so vielfältig, wie die Anwendungsfelder dieser Schlüsseltechnologie selbst.

Kreisläufe für neue Werkstoffe und Materialien

Trotz ihres immensen Potenzials sind neue Werkstoffe und Materialien auch mit großen Herausforderungen verbunden. Insbesondere Aspekte zur Schließung von Wertstoffkreisläufen, also der Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), dürfen in einem ganzheitlichen Ansatz nicht vernachlässigt werden. Auch beispielsweise die Kreislauffähigkeit, die ökologisch vertretbare Nutzung von Primärrohstoffen oder notwendige Anpassungen der Recyclingstrategien müssen von Beginn an bei der Entwicklung neuer Werkstoffe und Materialien mitgedacht und umgesetzt werden.

VOM MATERIAL ZUM WERKSTOFF

Materialien sind Stoffe, aus denen ein Objekt besteht. Sobald aus diesen Stoffen ein Werkstück (also ein Objekt mit einem Nutzen) entsteht, wird das Material zum Werkstoff. Da sich der Begriff des Nutzens sehr weit fassen lässt, betreffen hier vorhandene Potenziale die ganze Wertschöpfungskette.

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Metamaterialien: An den Grenzen der Physik

Da solche Folgeabschätzungen wissenschaftlich höchst komplex sind, ist der Ansatz, bekannten Werkstoffen durch eine neue Struktur neue Eigenschaften zu verleihen, sehr interessant. Durch moderne Simulationsmethoden können neben digitalen Zwillingen zur Steigerung der Ressourceneffizienz auch neue Materialien geschaffen werden, die scheinbar physikalische Gesetzmäßigkeiten aushebeln. Sie werden Metamaterialien genannt. Solche Metamaterialien finden mit ihren Eigenschaften kein natürliches Analogon. Beispielsweise ermöglichen elektromagnetische Metamaterialien, zu denen auch photonische oder optische Metamaterialien gehören, eine besondere Lichtstreuung. Vereinfacht: Ihr strukturelles Design erlaubt es, dahinterliegende Objekte unsichtbar zu machen oder um Ecken zu schauen. Aber auch Schwingungs- und Lärmreduktion lassen sich mit Metamaterialien erzielen. Solche vibroakustische Metamaterialien sorgen dafür, dass Komponenten leichter und zugleich deutlich leiser werden. Derartige überdurchschnittliche Lärm- und Schwingungsdämpfer sind hoch interessant im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Luft- und Raumfahrt. Sicherheitstechnische Anwendungen versprechen hingegen auxetische Metamaterialien, die bei Dehnung aufgrund ihres strukturellen Designs dicker werden.


PROJEKTE FÜR ENERGIESPARENDE PRODUKTION

Das Projekt Neue nanopartikelverstärkte Magnesiumwerkstoffe (OptUm-MagNa) beschäftigt sich mit der Entwicklung von Magnesium-Verbundwerkstoffen, die sehr kleine keramische Partikel beinhalten. Die entstehenden Werkstoffe werden durch die Partikel so formbar, dass sie Stahl- und Aluminiumlegierungen ersetzen können und dabei einen Gewichtsvorteil haben. Dadurch kann der ökologische Fußabdruck verkleinert werden. Interessant ist dies nicht nur für die Automobilindustrie und die Luft- und Raumfahrtindustrie, sondern beispielsweise auch bei Medizinprodukten.

Im Projekt Entwicklung effizienter Verfahrenstechnologien innerhalb des geschlossenen Partikelschaum-Werkstoffkreislaufs (GePart) steht die Ressourceneffizienz von Partikelschäumen im Fokus und dabei insbesondere die Nachhaltigkeit des Wertstoffkreislaufs. Dies geschieht durch die Weiterentwicklung geeigneter Recyclingverfahren und -strategien. Darüber hinaus soll die Energieeffizienz durch neue Verfahrenstechnologien verbessert werden. Eine Ökobilanzierung aller Prozesse rundet das Projektvorhaben ab. Partikelschäume finden unter anderem in Formteilen sowohl im Automobilbau und der Baubranche als auch im Sport- und Freizeitbereich Anwendung.

„15 % weniger CO2“ pro Batteriegehäuse verspricht das Verbundvorhaben COOLBat mit nachhaltigen Leichtbaulösungen. Batteriegehäuse für Elektrofahrzeuge der nächsten Generation nutzen mehr Funktionen auf kleinerem Bauraum und mit weniger Schnittstellen. Diese effizienten Lösungen entstehen aus Einzelsystemen, die in funktionsintegrierte Bauteile umgewandelt werden. Beispielsweise werden thermische und mechanische Aufgabe kombiniert: Tragstrukturen erhalten Temperierkanäle oder Bodenplatten enthalten Kühleinheiten und erfüllen gleichzeitig Aufgaben beim Crashschutz.

Neue Materialien können unsichtbar machen und um Ecken schauen.

Neue Materialeigenschaften durch verändertes strukturelles Design

Auch Metallen, die zumindest theoretisch eine gute Kreislauffähigkeit bieten, können durch Veränderungen im strukturellen Design auf atomarer Ebene herausragende neue Eigenschaften verliehen werden. Allein die gezielte chemische Veränderung der Ordnung von Metallatomen in einem Material erlaubt es, ihm völlig neue Eigenschaften zu verleihen. Die Unordnung der Atome in einem metallischen Glas resultiert beispielsweise in einer besonders hohen Korrosionsbeständigkeit, Härte und Federwirkung – eine Stahlkugel springt auf einem metallischen Glas wie ein Gummiball. Bereits 1998 wurde diese Federwirkung in einem Golfschläger für besonders weite Abschläge genutzt. Bei einem jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden durch Korrosion allein in Deutschland von rund 150 Milliarden Euro ist jedoch wirtschaftlich die Korrosionsbeständigkeit von deutlich höherem Interesse. Bisher sind der Anwendung von metallischen Gläsern aufgrund ihrer Brüchigkeit jedoch enge Grenzen gesetzt.

Abbildung: Das Technologie-Transfer-Programm Leichtbau des BMWK Bild vergrößern
15% weniger CO2 pro Batteriegehäuse verspricht das Verbundsvorhaben COOLBat.

Förderung gezielter auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausrichten

Auch wenn die Verwendung neuer Werkstoffe und Materialien mit großen Herausforderungen verbunden ist, haben sie zugleich immenses Potential für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Daher überprüft das BMWK momentan, wie ihre Förderung gezielt ausgebaut werden kann, um einen erweiterten Beitrag zur Senkung von Treibhausgasemissionen und zur Schonung primärer Ressourcen zu leisten. Eine strategische Fokussierung auf Innovationen in diesem Bereich kann dazu beitragen, nachhaltig Wachstumspotentiale zu heben und Deutschland als Innovations- und Technologiestandort zu stärken und zu einem grünen Leitmarkt zu entwickeln.

In Kürze: Neue Werkstoffe und Materialien haben ein immenses Potenzial für Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

KONTAKT
DR. FLORIAN LOOSE
Referat: Bauwirtschaft, Leichtbau/Neue Werkstoffe und Ressourceneffizienz

schlaglichter@bmwi.bund.de