Als Reaktion auf die andauernden Angriffe russischer Streitkräfte in der Ukraine hat die Europäische Union – abgestimmt mit den USA, Großbritannien, Kanada, Japan, Südkorea und weiteren Partnerländern – seit dem 23. Februar 2022 in mehreren Tranchen fünf präzedenzlose Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland beschlossen. Diese neuen Sanktionen ergänzen und erweitern die bereits seit 2014 bestehenden EU-Sanktionen gegen Russland substanziell. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass – abhängig von der künftigen Entwicklung – weitere Sanktionspakete geschnürt werden müssen. Deutschland wird hier weiterhin eine tragende Rolle spielen.

Welche Maßnahmen beinhalten die EU-Sanktionen gegen Russland?

Die von der EU gegen Russland beschlossenen Sanktionen sind zielgenau formuliert und Ergebnis einer sorgfältigen politischen Abwägung. Sie verfolgen das Ziel, hohen wirtschaftlichen Druck auf Russland auszuüben und dabei die Schäden für die europäische Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig soll die russische Zivilbevölkerung nicht direkt ins Visier genommen werden. So sind Exporte für medizinische Zwecke ebenso weiter möglich wie die Ausfuhr von Gütern, die dem alltäglichen Gebrauch dienen. Es besteht kein Totalembargo. Das bedeutet auch: Geschäftsbeziehungen, die nicht verboten sind, sind weiterhin erlaubt.

5 Sanktionspakete hat die Europäische Union gegen Russland zwischen dem 23. Februar und dem 11. April beschlossen – abgestimmt mit den USA, Großbritannien, Kanada, Japan, Südkorea und weiteren Partnerländern.

Die EU-Sanktionen umfassen insbesondere Exportrestriktionen, Listungen von Personen sowie Maßnahmen in Bezug auf den Finanzsektor.

Exportrestriktionen

Russlands Militärkomplex und Industrie sind auf westliche (Hoch-)Technologien angewiesen. Deren Export wurde bereits in weiten Teilen grundsätzlich verboten. Dies gilt zum Beispiel für Mikrochips und maritime Navigationstechnologie, für Sensoren, IT- und Telekommunikationstechnologie, Ausrüstung für den Öl- und Gassektor sowie für Luftfahrttechnik, inklusive Flugzeuge. Zudem gilt ein grundsätzliches Ausfuhrverbot für sogenannte Dual-Use-Güter – also Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Überdies wurde die Ausfuhr von Luxusgütern, wie bestimmten Autos, Uhren und Porzellan, verboten. Damit werden unmittelbar die wirtschaftlichen Profiteure des russischen Regimes getroffen.

„Leistungen“ von russischen Personen, Entitäten und Unternehmen

Die Entscheidung, die Ukraine anzugreifen, wurde von der russischen Regierung unter Präsident Putin und zentralen Entscheidern des russischen Regimes getroffen. Für diese Entscheidung werden sie gezielt sanktioniert, das heißt „EU-gelistet“. Dies betrifft mehr als 1.100 Personen.

Mehr als 1.100 Einzelpersonen werden sanktioniert.

Darunter sind auch Russlands Präsident Putin, der russische Außenminister Lawrow, hochrangige Militärs und Abgeordnete der Duma sowie wichtige russische Oligarchen, die Putin und sein Umfeld wirtschaftlich stützen. Dazu kommen Unternehmen und andere Entitäten. Das Vermögen dieser Personen und Entitäten in der EU wird eingefroren. Geschäfte mit ihnen sind weitgehend verboten. Zudem gilt für natürliche Personen ein Einreiseverbot in die EU.

In Kürze: Umfangreiche Finanzsanktionen schneiden den russischen Staat in Europa von den Devisenreserven und dem Finanzmarkt ab.

Finanzsanktionen

Umfangreiche Finanzsanktionen schneiden den russischen Staat von seinen Devisenreserven in Europa sowie vom europäischen Finanzmarkt ab. Neben spezifischen Transaktionsverboten für die russische Zentralbank wurde der Handel mit neuen russischen Staatsanleihen auf dem europäischen Kapitalmarkt ebenso verboten wie die Vergabe von Krediten und Darlehen an den russischen Staat. Mehrere russische Banken wurden gelistet. Zudem wurden diese und weitere Banken gezielt vom internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT ausgeschlossen. Russische Staatsunternehmen können überdies keine Wertpapiere mehr an europäischen Börsen ausgeben. Ausgewählte russische Unternehmen und Banken werden mit noch weitergehenden Refinanzierungsbeschränkungen vollständig vom europäischen Kapitalmarkt ausgeschlossen. Russische Anleger haben nur noch einen stark limitierten Zugang zum europäischen Kapitalmarkt.

Europäische Flagge

© BMWK

Was sind Sanktionen?

Wirtschaftssanktionen, Embargomaßnahmen, restriktive Maßnahmen oder Boykott: Es gibt viele Begriffe für (außen)politisch motivierte Handels- und sonstige Beschränkungen gegen bestimmte Staaten. Sanktionen sind dabei längst nicht mehr auf den Handelsbereich begrenzt.

Zeitgemäße Sanktionen sind zielgenau ausgerichtet, treffen also möglichst direkt politische Verantwortungsträger und deren Netzwerke oder bestimmte Wirtschaftssektoren. Sie schonen dabei aber idealerweise die Zivilbevölkerung.

Sanktionen sind keine Strafe für vergangenes Tun, sondern Maßnahmen mit Präventionscharakter. So werden als Folge einer „EU-Listung“ beispielsweise die in der EU befindlichen Vermögenswerte des Gelisteten, wie zum Beispiel ein Geld- oder Wertpapierkonto, automatisch eingefroren. Sie werden aber grundsätzlich nicht beschlagnahmt oder gar eingezogen. Sanktionen sollen einen Anreiz für eine politische Verhaltensänderung setzen. Sie sind ein Werkzeug der Außenpolitik. Dies prägt den gesamten Prozess ihres Zustandekommens.

Sanktionen sind ein Werkzeug der EU-Außenpolitik

Ein großer Teil der internationalen Sanktionsmaßnahmen beruht auf Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) zur „Unterbrechung von Wirtschaftsbeziehungen“, wie zum Beispiel die Sanktionen gegen Nordkorea oder Libyen. VN-Sanktionen entfalten keine unmittelbare Rechtswirkung für natürliche oder juristische Personen in Deutschland. Die VN-Mitgliedstaaten sind jedoch verpflichtet, die Sanktionen umzusetzen. Innerhalb der EU geschieht dies im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).

Am 16. März 2022 hat die Bundesregierung eine Taskforce zur Umsetzung der EU-Sanktionen eingerichtet.

Eine VN-Resolution schließt nicht aus, dass einzelne Mitgliedstaaten weiterreichende Maßnahmen beschließen können. VN-Sanktionen können daher durch sogenannte EU-autonome Sanktionen ergänzt werden, wie im Fall von Nordkorea. Es gibt aber auch EU-autonome Sanktionen ohne VN-Sockel, allen voran das EU-Sanktionsregime gegen Russland.

EU-Sanktionen sind sofort geltendes deutsches Recht.

Die EU-Sanktionsrechtssetzung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst ergeht ein einstimmig zu fassender GASP-Beschluss. Der Beschluss bindet nur die EU-Mitgliedstaaten. Im zweiten Schritt wird dieser auf Basis eines gemeinsamen Vorschlags des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der EU-Kommission per Verordnung in unmittelbar bindendes Recht umgesetzt. In der Theorie genügt für den Verordnungserlass eine qualifizierte Mehrheit; in der Praxis gilt allerdings auch hier das Konsensprinzip, zumal Beschluss und Verordnung häufig nicht nacheinander, sondern gleichzeitig verabschiedet werden.

Wie werden EU-Sanktionen in Deutschland umgesetzt?

Wichtig für das Verständnis der Umsetzungspraxis ist, dass die EU-Sanktionen mit Inkrafttreten der jeweiligen EU-Verordnungen unmittelbar geltendes Recht in Deutschland sind. Das bedeutet, dass beispielsweise das Einfrieren von Vermögenswerten unmittelbar greift, ohne dass es einer zusätzlichen behördlichen Anordnung bedarf. Banken und andere Wirtschaftsteilnehmende sind operativ dafür verantwortlich, das Einfrieren von Vermögenswerten zu beachten.

In Kürze: Banken und andere Wirtschaftsteilnehmende sind dafür verantwortlich, das Einfrieren von Vermögenswerten zu beachten.

Was genau bedeutet „Einfrieren von Vermögenswerten“?

„Gelder“ und „wirtschaftliche Ressourcen“ gelisteter Personen können eingefroren werden. Das Einfrieren führt zu einem sogenannten Verfügungsverbot. Eine eingefrorene Sache darf nicht mehr veräußert, vermietet, belastet oder anderweitig als Einkommensquelle genutzt werden. Dieses Verbot richtet sich an die gelistete Person oder Entität, aber auch an alle anderen Personen, Entitäten oder staatlichen Stellen, die mit der Sache umgehen. Darüber hinaus gilt gegenüber Gelisteten auch ein sogenanntes Bereitstellungsverbot. Gelisteten Personen dürfen demnach weder Gelder noch wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Zum Beispiel darf eine Yacht im Hafen liegen, aber nicht mehr verchartert werden. Eine Eigentumswohnung darf vom sanktionierten Eigentümer weiterhin bewohnt, aber nicht veräußert oder grundbuchrechtlich belastet werden. Ein Notar darf eine solche Transaktion nicht beurkunden, das Grundbuchamt eine entsprechende Umschreibung nicht vornehmen. Das heißt damit auch, dass Vermögensgegenstände sanktionierter Personen nicht allein auf Grundlage der EU-Sanktionsverordnungen beschlagnahmt oder gar endgültig eingezogen werden können. Ihre private Verwendung ist rechtlich weiterhin zulässig. Verboten ist ihr Einsatz als Einkommensquelle.

Auch Gelder wie Wertpapierdepots, Konten und Unternehmensbeteiligungen sanktionierter Personen werden nicht ohne Weiteres beschlagnahmt, sondern ebenfalls lediglich eingefroren. Es ist also unzulässig, dass gelistete Personen darauf zugreifen und darüber verfügen. Sind mit Unternehmensbeteiligungen bestimmte Aufsichts- und Entscheidungsbefugnisse verbunden, so dürfen diese nur ausgeübt werden, wenn die Anteile dadurch nicht in ihrem Bestand verändert werden. Ausschüttungen an gelistete Anteilseigner sind grundsätzlich nicht beziehungsweise nur auf eingefrorene Konten möglich. Das folgt aus dem Bereitstellungsverbot, das stets neben dem Einfrieren zu beachten ist.

Gleichwohl können Vermögensgegenstände präventiv beschlagnahmt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im Hinblick auf diese Sache Sanktionsverstöße begangen werden könnten. Das zu beurteilen, liegt im Ermessen der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde, also beispielsweise des Zolls oder der örtlich zuständigen Polizei- oder Ordnungsbehörde.

Überblick über die behördlichen Zuständigkeiten

Bei der operativen Umsetzung der Sanktionen wirken verschiedene Bundesund Landesbehörden entsprechend ihrer Kompetenz und Zuständigkeit zusammen. Folgende Sanktionsbereiche gibt es:

  • Für Finanzsanktionen sind Geschäftsbanken und Versicherungen unmittelbar operativ verantwortlich, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Einfrieren zu beachten. Sie sind dabei gegenüber der Bundesbank berichtspflichtig. Für die Freigabe von eingefrorenen Geldern im Rahmen der sanktionsrechtlichen Ausnahmetatbestände ist das Servicezentrum Finanzsanktionen der Bundesbank zuständig. Das betrifft insbesondere Verfügungen über eingefrorene Konten.
  • Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist zuständig, wenn sich Verbote oder Genehmigungspflichten auf die Lieferung von Gütern oder auf die Erbringung von nichtfinanzbezogenen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Gütern beziehen, zum Beispiel Dual-Use-Güter. Außerdem ist das BAFA für Ausnahmegenehmigungen hinsichtlich eingefrorener wirtschaftlicher Ressourcen verantwortlich.
  • Der Zoll überwacht die EU-Sanktionen insbesondere in den Bereichen Ein- und Ausfuhr und trifft die geeigneten operativen Maßnahmen.
  • Für die Beschlagnahme oder anderweitige Sicherstellung eingefrorener Vermögensgegenstände sind nach deutschem Recht die Behörden zuständig, die mit der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung betraut sind. Eine Sicherstellung ist dann zulässig, wenn die Gefahr eines Sanktionsverstoßes droht – beispielsweise wenn die Gefahr besteht, dass über eingefrorene Werte wie Pkw oder Yachten verfügt wird, weil diese zum Verkauf oder zur Vermietung angeboten werden. Dabei ist zu beachten, dass bei eingefrorenen Vermögensgegenständen die private Verwendung grundsätzlich weiterhin zulässig ist.
  • Rechtsverstöße gegen EU-Sanktionsbestimmungen verfolgen die zuständigen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der nationalen Straf- und Bußgeldvorschriften. Beschlagnahmen sind im Rahmen des Strafprozessrechts, Einziehungen als Rechtsfolge einer Verurteilung denkbar.

Taskforce Sanktionsimplementierung

Die Bundesregierung hat am 16. März 2022 eine Taskforce zur Umsetzung der EU-Sanktionen eingerichtet. Die Taskforce steht unter gemeinsamer Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Die Taskforce wurde eingerichtet, um eine effektive Durchsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland sicherzustellen. Für die jeweiligen Sanktionsbereiche muss die Expertise verschiedener Stellen einbezogen werden. Das betrifft neben dem BMWK, dem BMF und anderen Ministerien vor allem auch nachgeordnete Behörden und die Länder sowie die Bundesbank.

WEITERE INFORMATIONEN

Auf der Homepage der Europäischen Kommission finden Sie weitergehende allgemeine Informationen zu Sanktionen sowie den aktuellen Stand der gegen Russland verhängten Sanktionen:
www.t1p.de/eu-sanktionen

Einen sehr guten allgemeinen Überblick über die bestehenden EU-Sanktionen bietet die „EU Sanctions Map“:
www.sanctionsmap.eu/#/main

Weitere Informationen werden regelmäßig auf der Homepage des BMWK und des BAFA veröffentlicht.


KONTAKT

DR. SVEN SATTLER
Referat: Außenwirtschaftsrecht; Seerechts-/ C-Waffen-Übereinkommen


schlaglichter@bmwk.bund.de