IN KÜRZE:
DIE EZB PROGNOSTIZIERT DIESES JAHR EINE INFLATION VON 6,8 % FÜR DIE EUROZONE. DESHALB WILL DIE EZB 2022 MEHRFACH DIE ZINSEN ANHEBEN. WÄHRENDDESSEN SIND DIE ZINSEN FÜR UNTERNEHMEN, STAATEN UND PRIVATE HAUSHALTE BEREITS GESTIEGEN. GEGENÜBER DEM US-DOLLAR IST DER EURO MITTLERWEILE AUF PARITÄT GEFALLEN.

Die Inflation in der Eurozone zog zuletzt deutlich an. Im Juni stieg das allgemeine Preisniveau um 8,6 % gegenüber dem Vorjahr, die Kernrate der Inflation (also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel) um 3,7 %. 1 Die EZB hat im Juni quartalsmäßig neue – abermals deutlich höhere – Inflationsprognosen präsentiert: Nach 6,8 % für dieses Jahr prognostiziert die Notenbank 3,5 % für 2023 und 2,1 % im Jahr 2024 – die EZB rechnet also auch mittelfristig mit Raten über ihrem 2 %­Ziel. Die EZB hat ihre Prognose für die Kernrate der Inflation ebenfalls angehoben: Nach 3,3 % in diesem Jahr rechnet die EZB mit 2,8 % im Jahr 2023 und 2,3 % für 2024. Das heißt, dass sie davon ausgeht, dass die Energie­ und Lebensmittelpreise mittelfristig weniger stark steigen als die Preise für den Rest des Warenkorbs.

INFLATION IN DER EUROZONE Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Die Bilanzsumme der EZB beträgt derzeit rund 8,8 Milliarden Euro, dies entspricht rund 70 % des Eurozonen­BIP. Nachfolgend die größten Posten in der Bilanz:

Asset purchase programme (APP): Das reguläre Ankaufprogramm ist zum 1. Juli ausgelaufen. Das APP ist weniger flexibel als das Notfallprogramm PEPP. Der Ankauf griechischer Staatsanleihen etwa ist nicht möglich. Im Juni hielt die EZB insgesamt 3.265 Milliarden Euro. Das entspricht 37 % ihrer Bilanz. 80 % davon sind Staatsanleihen der Euroländer.

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EZB-BILANZ Bild vergrößern

Targeted longer-term refinancing operations (TLTROs): Die an Banken vergebenen vergünstigten Langfrist­Kredite werden seit Dezember nicht mehr vergeben. Die EZB hält im Rahmen der TLTROs 2.124 Milliarden Euro. Das entspricht 24 % ihrer Bilanz.

Pandemic emergency purchase programme (PEPP): Das angesichts der Pandemie aufgelegte Notfallankaufprogramm ist bereits Ende März ausgelaufen; Reinvestitionen sind aber bis „mindestens“ Ende 2024 möglich. Im Juni hielt die EZB insgesamt 1.694 Milliarden Euro. Das entspricht 19 % ihrer Bilanz. 97 % davon sind Staatsanleihen der Euroländer.

Leitzinsen: Die EZB hat angekündigt, ihre drei Leitzinsen anzuheben: um 25 Basispunkte in ihrer nächsten Sitzung am 21. Juli und – abhängig von den dann wieder aktualisierten Prognosen – in der darauffolgenden Sitzung am 8. September eventuell sogar um 50 Basispunkte. Auch danach rechnet die EZB mit „graduellen aber anhaltenden“ Zinserhöhungen. Die Leitzinsen betragen derzeit noch: Haupt­Refi 0,00 %, Spitzen­Refi 0,25 %, Einlagefazilität ­0,50 %.

Angesichts zwischenzeitlich stark gestiegener Kreditzinsen und erhöhter Aufschläge auf Eurozonen­Staatsanleihen hat die EZB nach einer Sondersitzung am 15. Juni außerdem angekündigt Reinvestitionen von auslaufenden Staatsanleihen aus den im Rahmen des PEPP gehaltenen Wertpapieren flexibel einzusetzen. Außerdem will die EZB voraussichtlich am 21. Juli auch ein neues „Anti­Fragmentierungsinstrument“ vorstellen.

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die Banken der Eurozone halten weiter viel Liquidität. Die Überschussreserven belaufen sich auf derzeit rund 3,7 Billionen Euro und die Überschussliquidität auf rund 520 Milliarden Euro.

LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

GELDMARKT Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, steigen die Zinsen seit Ausbruch der Pandemie das erste Mal wieder über das Niveau der Einlagefazilität. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von drei Monaten) notierte zuletzt bei etwa ­0,14 %. Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit bleibt auf historisch niedrigem Niveau, ist aber zuletzt wieder gestiegen: Der Aufschlag schwankt zuletzt um 0,18 %.

KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die ausstehende Kreditmenge in der Eurozone belief sich im Mai auf 6,5 Billionen Euro (an private Haushalte) und 13,9 Billionen Euro an Unternehmen (das entspricht circa 57 % beziehungsweise 120 % des Eurozonen­BIP). Kredite an Haushalte wuchsen im Mai um 4,6 % und Kredite an Unternehmen um 5,1 % im Vergleich zum Vorjahr.

RENDITEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Kreditzinsen in der Eurozone sind dabei weiter gestiegen. Anleihen mit einer BBB­Bewertung und mit einer Laufzeit von zehn Jahren notierten zuletzt beispielsweise bei 3,8 %, solche mit einem AAA­Rating bei 2,3 %. Die Finanzierungskosten für private Haushalte bewegen sich dazwischen, zuletzt bei 3,5 %.

RENDITEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Die Zinsen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen bewegten sich zuletzt um 1,27 % – und damit weit über den noch negativen Zinsen zu Jahresbeginn. Die Zinsen auf Staatsanleihen der übrigen Euroländer steigen ebenfalls. Die höchsten Zinsen gibt es hier nach wie vor von griechischen und italienischen Staatsanleihen. Sie lagen zuletzt bei 3,64 beziehungsweise 3,25 %.

Der Euro hat im Vergleich zum Jahresbeginn 11 % an Wert gegenüber dem US­Dollar verloren und zuletzt die Parität erreicht. Gegenüber dem britischen Pfund steht der Euro seit Jahresbeginn etwa 1 % wertvoller und notierte zuletzt bei 0,85 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn rund 6 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 138 Yen pro Euro.

WECHSELKURSE Bild vergrößern