Energie-, Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise sind zuletzt deutlich gestiegen. Ursächlich hierfür sind die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges, die damit einhergehende Energiekrise sowie Lieferkettenprobleme, die zum Teil noch aus der Corona-Pandemie resultieren. Insgesamt übersteigt in vielen Sektoren die Nachfrage derzeit das Angebot an Rohstoffen, Vor- und Endprodukten und treibt damit die Preise in die Höhe. Dies gilt insbesondere für Energieträger, vor allem für Gas, das aufgrund der ausbleibenden russischen Lieferungen sehr knapp ist. Diese Teuerung schlägt sich auch in den Verbraucherpreisen in Deutschland nieder. Die Inflation weist derzeit den höchsten Anstieg seit fünfzig Jahren auf (siehe Abbildung 1). Differenziert man die Inflationsentwicklung nach den Bereichen Nahrungsmittel, Energie und Übriges, wird deutlich, dass Nahrung und Energie zwischen 2011 und 2021 maximal 1,5 Prozentpunkte zur Inflation beigetragen haben. Im Zeitraum 2014 bis 2016 sowie im Jahr 2020 haben Energiepreise sogar deflationär gewirkt. Seit 2021 hat sich der Preisanstieg in allen Bereichen stark beschleunigt, vor allem aber bei Nahrungsmitteln und Energie, auf die zusammengenommen fast zwei Drittel der aktuellen Preisdynamik entfallen.

Abbildung 1: ZUSAMMENSETZUNG DER INFLATIONSENTWICKLUNG Bild vergrößern

Kaufkraftverluste durch verschlechterte Terms-of­Trade

Ein großer Teil der aktuellen Preisdynamik geht direkt oder indirekt auf die gestiegenen Preise importierter Produkte zurück. Diesen Preisanstiegen der importierten Güter steht jedoch kein entsprechender Preis- oder auch Mengenanstieg der exportierten Güter gegenüber; der Wert der importierten Güter steigt dementsprechend im Verhältnis zum Wert der exportierten Güter. Gesamtwirtschaftlich lassen sich diese importpreisbedingten Kaufkraftverluste anhand der sogenannten Terms-of-Trade beziffern, des Preisverhältnisses von Exportgütern gegenüber importierten Gütern. Vor allem in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland, das stark in den internationalen Handel eingebunden ist, können die Kaufkraftverluste infolge von Energie- und Rohstoffpreissteigerungen sowie Währungsabwertungen, die die Importpreise ebenfalls deutlich steigen lassen, erheblich sein.

Abbildung 2: TERMS-OF-TRADE-EFFEKT Bild vergrößern

Abbildung 2 zeigt, dass die verschlechterten Austauschbedingungen Deutschlands mit dem Ausland bereits im Jahresverlauf 2021 die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft verringert haben (negativer Terms-of-Trade-Effekt). Im bisherigen Jahresverlauf 2022 hat sich dieser Effekt im Zuge des Ukraine-Krieges noch deutlich verstärkt. Im ersten Halbjahr 2022 beläuft sich der Verlust auf rund 2,3 % in Relation zum BIP.

Einkommensschwache Haushalte sind besonders belastet

Neben der absoluten Höhe der gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftverluste stellt sich auch die Frage, wo diese in der Gesellschaft am stärksten zu spüren sind. Betrachtet man die Verteilung der Kaufkraftverluste nach Einkommensgruppen, wird deutlich, dass sich ein derartiger Inflationsanstieg in der Regel sehr ungleich auswirkt. Dies resultiert aus unterschiedlichen Konsummustern von Haushalten je nach Einkommen: Einkommensschwache Haushalte geben die größten Anteile ihres Einkommens für Güter aus den Bereichen Nahrungsmittel und Energie aus. Somit werden sie durch die deutlichen Preissteigerungen dieser Güter und die resultierenden Kaufkraftverluste relativ gesehen besonders belastet (Priem et al. 2022). Anders als höhere Einkommensschichten können sie ihr Konsumverhalten auch weniger gut anpassen, da sie vor allem Waren und Dienstleistungen des Grundbedarfs konsumieren.

Aktuelle Krise führt zu starken Reallohnverlusten

Die hohe Inflation wird jedoch für alle Erwerbstätigen zu einem zentralen Faktor der realen Lohnentwicklung. Von 2008 bis 2021 haben sich die durchschnittlichen Nominal- und Reallöhne aufgrund der niedrigen Inflation nahezu parallel entwickelt (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: ENTWICKLUNG DER NOMINALUND REALLÖHNE Bild vergrößern

Erst seit Ende des Jahres 2021, mit Einsetzen der hohen Inflation, fallen sie stark auseinander. Die Entwicklung der Nominallöhne am aktuellen Rand hält nicht mit der hohen Inflationsentwicklung Schritt, die Kaufkraft der Löhne sinkt. Während die Nominallöhne im vierten Quartal 2021 um 3,5 % über dem Vorjahr lagen, ergab sich durch die massiven Preisanstiege ein Reallohnverlust von 1,8 %. Diese Entwicklung hat sich im Verlauf des Jahres 2022 noch weiter beschleunigt: Im zweiten Quartal 2022 lagen die Reallöhne um 4,4 % unter dem Vorjahresquartal.

Unterste Einkommensgruppe besonders betroffen

Analog zu Kaufkraftverlusten zeichnet sich auch für die Entwicklung der Reallöhne ein heterogenes Bild über die Einkommensgruppen hinweg ab. Während Abbildung 3 die durchschnittliche Reallohnentwicklung aller Erwerbstätigen aufzeigt, gibt Abbildung 4 Auskunft über die Lohnentwicklung in unterschiedlichen Einkommensgruppen. Hierfür werden die Haushalte entlang der Einkommensverteilung in zehn gleich große Gruppen, sogenannte Dezile, eingeteilt. Abbildung 4 zeigt die Verläufe ausgehend vom Jahr 2009, das als einheitliches Startjahr gesetzt wurde. Für die untersten beiden Einkommensgruppen (1. und 2. Dezil) zeigen sich über den Zeitraum von zehn Jahren seit 2009 durchschnittliche Wachstumsraten des Reallohns von 2 beziehungsweise 7 %. Dagegen belaufen sich die Zuwächse für die mittleren und höheren Einkommensgruppen (Dezile 3 bis 9) auf durchschnittlich rund 12 %, in der höchsten Einkommensgruppe (10. Dezil) sogar auf knapp 20 %. Insofern hat ein Großteil der Beschäftigten im letzten Jahrzehnt deutliche Reallohngewinne realisiert, welche die Verluste am aktuellen Rand im Durchschnitt übersteigen. Lediglich für die unterste Einkommensgruppe trifft dies nicht zu.

Abbildung 4: ENTWICKLUNG DER REALLÖHNE NACH EINKOMMENSDEZILEN Bild vergrößern

Grabka (2022) führt die gestiegene Migration nach Deutschland als einen wichtigen Faktor für Reallohnverluste in der unteren Einkommensgruppe auf: Aufgrund von zum Beispiel Sprachbarrieren oder administrativen Hemmnissen wie Arbeitserlaubnissen benötige Integration Zeit, sodass viele Migrantinnen und Migranten oftmals zunächst ein sehr geringes Einkommen erzielen, das im Zeitverlauf erst sukzessive ansteige.

Weiterhin impliziert die Reallohnentwicklung, dass es in den vergangenen Jahren insbesondere für die untersten Einkommensgruppen schwierig war, Rücklagen zu bilden, auf welche sie nun zurückgreifen könnten. Dementsprechend zeigen empirische Studien, dass die Einkommensbezieher in der unteren Hälfte der Verteilung in der Regel über keine ausreichend großen Vermögenswerte verfügen, die einen Ausgleich des Kaufkraftverlusts durch „Entsparen“ in Form einer Verringerung der Sparquote oder einer Reduktion von Rücklagen ermöglichen (Albers et al. 2022; Bundesbank 2022).

Gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Kaufkraftverluste durch die gestiegene Inflation zwar die gesamte Gesellschaft treffen, sich aber am unteren Rand der Einkommensverteilung am deutlichsten manifestieren. Um zielgerichtet einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, legen die ersten drei Entlastungspakete der Bundesregierung einen Fokus auf diese vulnerablen Gruppen. Neben Einmalzahlungen und der Ausweitung und Erhöhung des Wohngeldanspruches inklusive Einführung einer Heizkostenkomponente gibt es diverse Maßnahmen wie zeitweise vergünstigte ÖPNV-Tickets und eine Energiepreispauschale.

Zudem beabsichtigt die Bundesregierung, sowohl eine Strom- als auch eine Gaspreisbremse einzuführen, die die inflationäre Wirkung des Energiepreisanstiegs deutlich abfedern sollen. So steuert die Bundesregierung dem größten Inflationstreiber, den Energiepreisen, zielgerichtet entgegen, ohne die notwendigen Anreize zum Energiesparen auszuhebeln. Allerdings können diese Maßnahmen die Kaufkraftverluste nicht völlig ausgleichen.


WEITERE INFORMATIONEN

Kontakt:

Dr. Holgen Lüthen & Dr. Sibylle Grabert Referat: Wirtschaftspolitische Analyse

Quellen:
Albers, T., Bartels, C. and Schularick, M. (2022): Wealth and Its Distribution in Germany, 1895-2018; CESifo Working Papers 9739. t1p.de/wealth

Deutsche Bundesbank (2022): Eine verteilungsbasierte Vermögensbilanz der privaten Haushalte in Deutschland – Ergebnisse und Anwendungen; Monatsbericht Juli 2022, 15-40. t1p.de/vermoegensbilanz

Grabka, M. (2022): Löhne, Renten und Haushaltseinkommen sind in den vergangenen 25 Jahren real gestiegen; DIW-Wochenbericht 23/2022, 329-337. t1p.de/haushaltseinkommen

Priem, M., Kritikos, A., Morales, O. und Schulze, J. (2022): Folgen der Inflation treffen untere Mittelschicht besonders: Staatliche Hilfspakete wirken nur begrenzt; DIW-Wochen- bericht 28/2022, 387-394. t1p.de/folgen-der-inflation

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