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Frauen sind im Energiesektor weltweit stark unterrepräsentiert

Wie viele Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens weist der Energiesektor Ungleichgewichte im Hinblick auf die Geschlechterverteilung und Diversität auf – in Deutschland und weltweit. Unterschiede zeigen sich in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bezahlung, energiebezogene Bildung und Teilhabe an energiepolitischen Entscheidungen.

Analysen und Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) und International Renewable Energy Agency (IRENA) belegen, dass im Energiesektor besonderer Handlungsbedarf besteht, um gleiche Teilhabe und gleiche Entlohnung zu erreichen. So liegt der Frauenanteil im Energiesektor weltweit unterhalb des Durchschnitts von 46 % in der Gesamtwirtschaft. Dabei schneidet der zukunftsgerichtete Bereich der erneuerbaren Energien mit einem Frauenanteil von 32 % besser ab als die Öl- und Gasindustrie (22 %). Nach Angaben der IEA sind zudem weniger als fünf Prozent der Spitzenpositionen und weniger als 14 % der gehobenen Führungspositionen im Energiesektor mit Frauen besetzt. Mehr als 25 % der Privatunternehmen des Energiesektors haben keine weiblichen Führungskräfte. Neben der Unterrepräsentanz von Frauen im Energiesektor weist auch das Lohnniveau ein geschlechtsspezifisches Gefälle auf. Statistiken der IEA zufolge verdienen Frauen im Energiesektor in Deutschland im Schnitt neun Prozent weniger als Männer – selbst bei Berücksichtigung des Qualifikationsniveaus. Zudem treffen auch im Energiesektor Frauen, die von Mehrfachdiskriminierungen betroffen sind, auf die größten Barrieren am Arbeitsplatz, wie eine 2021 veröffentlichte Studie von Diversio belegt.

ANTEIL DER FRAUEN IN DEN BEREI CHEN ÖL UND GAS, ERNEUERBARE ENERGIEN INSGESAMT, WINDKRAFT, PHOTOVOLTAIK UND IM GESAMT - WIRTSCHAFTLICHEN DURCHSCHNITT

Ursächliche und verstärkende Faktoren

Gründe für anhaltende Unterschiede liegen unter anderem in geschlechtsspezifischen Vorurteilen, Geschlechterungleichgewichten in den MINT-Fächern, der Trägheit von Institutionen und Netzwerken sowie dem Einfluss von narrativen Elementen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt beispielsweise das Programmieren von Computern weithin als Aufgabe für Frauen. Als der Einfluss und die Bedeutung des Berufs zunahmen, wurde das Wissen in diesem Bereich zunehmend als „männlich“ angesehen und Frauen wurden aus diesem Beruf verdrängt.

Viele der Barrieren, auf die Frauen und insbesondere mehrfachdiskriminierte Frauen treffen, treten nicht nur spezifisch im Energiesektor auf, sondern zeigen sich auch in anderen Wirtschaftssektoren. Krisen wie die Covid-19-Pandemie treffen die genannten Gruppen zudem häufig überproportional. So erhöhte die Pandemie die Belastung durch unbezahlte Pflegearbeit wie Kinderbetreuung und Altenpflege. Dabei waren es überwiegend Frauen, die in der Folge ihre Erwerbsarbeit reduzierten oder den Beruf gänzlich zurückstellten. Auch sind Frauen global in besonderem Maße von Energiearmut und den Auswirkungen des Klimawandels betroffen.

Chancen für die Energiewende durch Geschlechtergerechtigkeit und Diversität

Die Gleichstellung der Geschlechter ist eine zentrale Voraussetzung für eine resiliente und inklusive demokratische Gesellschaft. Im Kontext der Energiewende ist die Sensibilisierung für die Genderthematik insbesondere für die Gestaltung eines gerechten, erneuerbaren Energiesystems von herausragender Bedeutung. Es braucht vielfältige Expertisen und Perspektiven, um innovative und nachhaltige Lösungen zu identifizieren.

Die Energiewende ist eine weitreichende, technische, ökonomische und soziale Transformation. Sie bietet die Möglichkeit, z. B. durch die Dezentralisierung der Energieversorgung, die Umstrukturierung bestehender Machtverhältnisse und die Entstehung neuer Arbeitsplätze, die Diversität und Geschlechtergleichheit zu fördern und das System inklusiver zu gestalten. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Transformation bestehende Ungleichheiten nicht reproduziert oder verstärkt. Dafür müssen der Zugang für Frauen in den Energiearbeitsmarkt verbessert, inklusive Organisationskulturen geschaffen und gleiche Teilhabe an Entscheidungsfindungen erreicht werden. Mögliche Maßnahmen umfassen:

  • die Etablierung von Maßnahmen zur Gewährleistung transparenter und gerechter Einstellungsverfahren sowie Qualifikationsbewertungen
  • die Förderung eines unterstützenden Umfelds: Beratung und Schulungen zur Aufklärung (unterbewusster) geschlechterspezifischer Vorurteile
  • verbesserte Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, z. B. angemessene Angebote der Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten
  • transparente Maßnahmen zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und faire Tarifverhandlungen
  • die besondere Förderung von MINT-Akademikerinnen zur Erweiterung des Fachkräfte-Pools

Um dies zu gewährleisten, ist ein nachhaltiges Handeln von öffentlichen und privaten Institutionen, Wirtschaft und Gesellschaft gefordert.

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Das BMWK macht sich für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit stark

Um die Gleichstellung im globalen Energiesektor zu fördern und die Rolle der Frauen bei der Gestaltung der Energiewende sichtbarer zu machen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) im November 2021 die Kommunikationsinitiative „Women Energize Women“ gestartet. Im Rahmen von Diskussionsrunden und Netzwerk-Veranstaltungen diskutieren Energieexpertinnen aus aller Welt die Herausforderungen der Energiewende, informieren über die Situation von Frauen im Energiesektor, teilen eigene Erfahrungen und beraten Lösungsansätze. Kommunikativ werden die Formate über verschiedene Social-Media-Kanäle begleitet. Das Highlight der Kampagne wird auch dieses Jahr die internationale Frauenkonferenz „Women Energize Women“ sein, die im Juni 2023 im Rahmen der europäischen Messe smarter E in München stattfinden wird. 2022 nahmen mehr als 250 Personen aus über 50 Ländern an der Frauenkonferenz teil.

Zudem setzt das BMWK seit 2021 gemeinsam mit dem Global Women’s Network for the Energy Transition (GWNET) und der GIZ das Mentoring-Programm „Energizing Women to Advance the Energy Transition“ um, an dem mehr als 100 Energieexpertinnen aus zahlreichen Energiepartnerschaftsländern teilnehmen. Am Frauentag 2023 startete der Bewerbungsaufruf zur neuen Phase des Programms.

Mit solchen Maßnahmen zielt das BMWK darauf ab, Frauen weltweit für EnergiewendeBerufe zu begeistern, miteinander zu vernetzen, ihr Innovationspotenzial zu fördern und den Anteil an Frauen insbesondere im nachhaltigen Energiesektor zu erhöhen.

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Geschlechtergerechtigkeit als Themenschwerpunkt der G7-Präsidentschaft

Unter kanadischer Präsidentschaft bekannten sich die G7-Energieministerinnen und Energieminister 2018 zur „Equal by 30 Campaign“ und unterstrichen damit den Willen, bis zum Jahr 2030 auf gleiche Bezahlung, gleiche Führungsbeteiligung und gleiche Chancen für Frauen im Energiesektor hinzuarbeiten. Unter britischer Präsidentschaft 2021 verständigten sie sich auf verstärkte gemeinsame Verpflichtungen, um eine inklusivere und vielfältigere Belegschaft im Energiesektor zu erreichen. Dabei sollen insbesondere Mehrfachdiskriminierungen berücksichtigt und sichtbar gemacht werden. Mit der Umsetzung dieser Bekenntnisse zeigen die G7 zum einen ihre Entschlossenheit, das Grundrecht auf Teilhabe und Chancengleichheit für alle zu garantieren. Gleichzeitig erkennen sie die Gleichstellung als Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende an.

Auch unter der deutschen G7-Präsidentschaft im Jahr 2022 wurde die Umsetzung des Vorhabens durch das BMWK und die anderen G7-Partner fortgeführt. In dem Rahmen wurde ein gemeinsamer G7-Bericht erarbeitet. Der Bericht sensibilisiert für die energiepolitische Relevanz der Thematik und dient als Bestandsaufnahme der G7 zur „Equal by 30“-Kampagne. Er gibt Einblicke in die Herausforderungen und Entwicklungen der Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in den Ländern und fasst Maßnahmen im Hinblick auf das Engagement der G7 für die Kampagne zusammen. Als Input für den Bericht diente eine entsprechende Umfrage unter den G7-Partnern.

Der Bericht identifiziert unter anderem folgende Handlungsfelder:

  • Erhebung genderdisaggregierter Daten für den Energiesektor
  • Förderung einer gleichmäßigeren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Pflegearbeit zwischen den Geschlechtern
  • Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen und anderen unterrepräsentierten Gruppen in der Energiewirtschaft
  • Hinterfragen von traditionellen Denkmustern bzw. einem veralteten Rollenverständnis
  • Quantifizierbare Ziele und Quoten
  • Etablierung einer Gender-Folgenabschätzung von Politikmaßnahmen und Gesetzesvorhaben

Ausblick

Gender Mainstreaming und die Erhöhung der Vielfalt spielen für eine erfolgreiche und inklusive Energiewende eine entscheidende Rolle. Ein Energiesektor, der sowohl die Geschlechterperspektive als auch weitere soziale Kategorien bei seinen Strukturen und seiner Maßnahmengestaltung berücksichtigt, kann positive Rückkopplungen auf die Genderdimensionen des Klimaschutzes haben. Auch über die Maßnahmen der G7 hinaus müssen nachteiligen Entwicklungen entgegengewirkt und positive Entwicklungen hin zur Geschlechtergleichheit gefördert werden. Es gilt, eine gleichberechtigte Zukunft für alle zu schaffen – der Energiesektor ist Teil davon.

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KONTAKT & MEHR ZUM THEMA

Dr. Annika Schäfers, Nicole Schrön
Referat: Multilaterale Kooperation, G7/G20; Internationale Organisationen

schlaglichter@bmwk.bund.de

Mehr zum Thema: www.bmwk.de/G7-report