Stahlindustrie
Die deutsche Stahlindustrie hat als Basisindustrie eine besondere Bedeutung für die industriellen Wertschöpfungsketten in Deutschland. Sie erwirtschaftet einen Umsatz von rund 32,1 Milliarden Euro (2020) und beschäftigt rund 87.000 Menschen (2020). Die gesamte Rohstahlproduktion lag 2020 bei 35,7 Millionen Tonnen. Rund 22 Millionen Tonnen an sog. Steel Mill Products (Walzstahl- und Schmiedeerzeugnisse in Form von stahlhaltigen Gütern wie z.B. Autos) wurden 2020 exportiert, 20,4 Millionen Tonnen importiert. Zu den größten Stahlproduzenten in Deutschland zählen die thyssenkrupp Steel Europe AG mit einer Produktion von rund 12 Millionen Tonnen, die ArcelorMittal Germany Holding GmbH mit rund 8 Millionen Tonnen und die Salzgitter AG mit rund 6,6 Millionen Tonnen Rohstahl. In Deutschland ist Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von rund 40 Prozent das Bundesland mit der größten Stahlerzeugung [1].
Deutschland ist der achtgrößte Rohstahlhersteller weltweit hinter China, Indien, Japan, den USA, Russland, Südkorea und der Türkei sowie der größte Stahlproduzent der EU-27 vor Italien, Frankreich und Spanien. China ist mit einem Anteil von rund 50 Prozent an der globalen Produktion mit Abstand weltgrößter Produzent [2].
Etwa zwei Drittel des Stahls werden in Deutschland in integrierten Hüttenwerken (überwiegender Einsatz von Eisenerz; so genannte Hochofenroute) erschmolzen. Das verbleibende Drittel wird über die Elektrostahlroute (Einsatz von Stahlschrott) erzeugt. Den Werkstoff Stahl zeichnet aus, dass er nahezu vollständig recycelbar ist. Damit können natürliche Ressourcen in erheblichem Umfang eingespart werden.
Die Innovationen der Stahlbranche tragen aufgrund der engen Verflechtung mit anderen Industriebranchen zu den Erfolgen etwa der Automobilindustrie oder des Maschinenbaus bei. Zugleich werden eine Vielzahl umweltrelevanter Produkte aus innovativen Stählen hergestellt, beispielsweise Windkraftanlagen, hocheffiziente Turbinen zur Energieerzeugung oder leichtere Automobilkarosserien.
Insgesamt zeichnet sich der Weltstahlmarkt durch eine ausgeprägte internationale Wettbewerbsintensität aus, die sich negativ auf die erzielbaren Preise auswirkt. Insbesondere die chinesische Stahlproduktion und chinesische Stahlexporte haben den Weltstahlmarkt in den vergangenen Jahren erheblich beeinträchtigt. Die in China erkennbaren Sättigungstendenzen und daraus resultierende nachlassende Dynamik der Stahlnachfrage im Inland bleiben ohne ausreichende Anpassung der Kapazitäten.
In Folge agiert die deutsche Stahlindustrie weiterhin in einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld.
Internationaler Wettbewerb
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt die Forderung, weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, um bestehende Marktungleichgewichte abzubauen. Maßgeblich sind in diesem Kontext insbesondere Maßnahmen auf Ebene der Europäischen Union und im G20-Kontext.
Für die Stahlindustrie von großer Bedeutung sind die handelspolitischen Schutzinstrumente.
Dazu gehören Ausgleichszölle basierend auf der europäischen Anti-Dumping-Grundverordnung und der Anti-Subventions-Grundverordnung. Auf diesen Grundlagen kann die Europäische Kommission Ausgleichszölle verhängen, wenn durch Dumping oder durch die Subventionierung von Waren eine Schädigung eines Wirtschaftszweigs in der EU verursacht wird. Damit stehen wirksame und effektive handelspolitische Schutzinstrumente zur Abwehr unfairer Handelspraktiken zur Verfügung. Unabhängig davon besteht für die Europäische Kommission die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen und unter Beachtung des WTO-Rechts, zeitlich befristete handelspolitische Schutzmaßnahmen einzuführen. Hierfür gelten jedoch andere und deutlich höhere Anforderungen.
Der weitaus größte Teil der deutschen Exporte, 75-80%, verbleibt innerhalb der Europäischen Union. Nur 20 bis 25% der Stahlausfuhren aus Deutschland gehen in Drittländer. Unter den Drittländern sind die USA ein wichtiger Exportmarkt für die deutsche Stahlindustrie. Die deutschen Stahlexporte in die USA sind infolge der Section 232 Maßnahmen von 5,6% in 2017 auf 2,6% in 2021 zurückgegangen.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die Bundesregierung, dass es der Europäischen Kommission gelungen ist, mit den USA eine Verständigung im Zollstreit um Stahl und Aluminium zu finden. Es handelt sich um einen Kompromiss, nicht um eine vollständige Beseitigung der Section 232-Zölle. Die USA haben in einer einseitigen Erklärung angekündigt, ihre bisher erhobenen Zusatzzölle ab Januar 2022 durch eine Quotenregelung zu ersetzen. Diese besagt, dass für festgelegte Mengen (Quoten) auf Basis des historischen Handelsvolumens (für Stahl 2015-2017, für Aluminium 2018-2019) keine Zusatzzölle erhoben werden. Die EU setzt im Gegenzug die EU-Kompensationszölle auf diverse US-Produkte aus, da deren Grundlage für die Dauer der Zollaufhebung der USA entfällt.
Da der Kompromiss keiner vollständigen und bedingungslosen Aufhebung der Section 232-Zölle der USA gegenüber der EU und allen anderen Exportländern gleichkommt, bestehen weiterhin Risiken für die deutsche Stahlindustrie aufgrund potentieller Handelsumlenkungen aus Drittländern in den EU-Markt, ausgelöst durch die Section 232-Zölle. Schutzmaßnahmen der EU gegen Handelsumlenkungen aus Drittstaaten werden daher weiter nötig bleiben. Die EU-Kommission hatte nach einer mehrmonatigen Überprüfung der Handelsströme für Stahlprodukte zunächst vorläufige Schutzmaßnahmen und am 2. Februar 2019 endgültige Schutzmaßnahmen für insgesamt 26 Stahlproduktfamilien erlassen. Die Schutzmaßnahmen wurden am 18. Juni 2021 erneut um drei Jahre verlängert.
Überkapazitäten im Stahlsektor im Rahmen der G20 abbauen
Das Thema Überkapazitäten im Stahlsektor steht seit Dezember 2016 und der Gründung des „Global Forum on Steel Excess Capacity“ regelmäßig auf der Agenda der G20. Die beteiligten Staaten wollen im Rahmen dieses Zusammenschlusses gemeinsam Lösungen für die globale Herausforderung der Stahlüberkapazitäten erarbeiten. Es sollen Wege zum Abbau von Subventionen und Beihilfen gefunden werden, die für die Entstehung von Überkapazitäten verantwortlich sind. Ziel ist eine Reduzierung bestehender Produktionskapazitäten weltweit.
Branchenkonjunktur
2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
Produktion (Mio. t) Rohstahl [3] | 42,1 | 43,3 | 42,4 | 39,6 | 35,7 |
Umsatz (Mrd. Euro) [3] | 35,1 | 42,1 | 44,1 | 39,1 | 32,1 |
Anzahl Betriebe [3] [4] | 175 | 170 | 168 | 165 | 160 |
Anzahl Beschäftigte [3] [4] | 96.957 | 95.772 | 96.464 | 97.400 | 94.031 |
Import von Stahlerzeugnissen [3] (Mio. t) | 26,8 | 28,5 | 28,0 | 24,4 | 20,4 |
Export von Stahlerzeugnissen [3] (Mio. t) | 25,6 | 27,3 | 26,4 | 24,8 | 22 |
[1]Wirtschaftsvereinigung Stahl;
[2] Statista;
[3] Statistisches Bundesamt, ausgewertet von Wirtschaftsvereinigung Stahl
[4] Statistisches Bundesamt: Wirtschaftszweigklassifikation WZ08-241 und WZ08-242