Sprungmarken-Navigation

Artikel -

Kompetenzzentrum Europarecht

Einleitung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nimmt in seiner Europaabteilung ressortübergreifend für die gesamte Bundesregierung – aber auch für viele Bereiche der Landesregierungen – zentrale europarechtliche Belange wahr. Dabei geht es zum einen um Rechtsberatung auf dem Gebiet des Unionsrechts, um außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten mit der Europäischen Kommission über die Einhaltung und Umsetzung europarechtlicher Vorgaben (Vertragsverletzungsverfahren) sowie um Querschnittsfragen wie etwa die Subsidiaritätsprüfung, Abwehr von finanziellen Sanktionen usw. Zum anderen übernimmt das BMWK die einheitliche Prozessvertretung Deutschlands vor den europäischen Gerichten in Luxemburg – Gerichtshof der Europäischen Union und EFTA-Gerichtshof.

Rechtsberatung

Rechtsberatung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) übernimmt als "europarechtliches Kompetenzzentrum" der Bundesregierung eine ressortübergreifende Beratungsfunktion zu unionsrechtlichen Fragestellungen und verfasst in diesem Zusammenhang jährlich mehr als 100 gutachterliche Stellungnahmen.

Zu den Themen gehören:

  • institutionelle Fragen des Unionsrechts (z. B. Rechtstellung von Unionsinstitutionen wie Agenturen, Europäischer Rechnungshof, Europäische Zentralbank, Beziehungen zu Drittstaaten und Außenkompetenzen der Union),
  • materielle Fragen des Unionsrechts (insbesondere Grundfreiheiten sowie Rechtsfragen z.B. aus den Bereichen Binnenmarktrecht, Außenwirtschaftsrecht, Energie- und Umweltrecht, Technologie und Digitales, Arbeits- und Sozialrecht, Gesundheitsrecht, Ernährung und Landwirtschaft sowie Fragen im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion).
  • verfahrensrechtliche Fragen (etwa Erfordernisse für die Beschlussfassung von Rechtsakten in Rat und Europäischem Parlament, delegierte Rechtsakte/Komitologie, Vertretung in internationalen Organisationen),
  • Wirkung des Unionsrechts auf das deutsche Recht (Wirkung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, Anwendungsvorrang des Unionsrechts, Staatshaftung bei Verstößen gegen das Unionsrecht).

Vertragsverletzungsverfahren

Vertragsverletzungsverfahren

Das Kompetenzzentrum Europarecht der Bundesregierung übernimmt die zentrale Koordinierung und Bearbeitung der ggf. einem Vertragsverletzungsverfahren vorgeschalteten informellen EU-Pilotverfahren sowie aller (außerprozessualen) Vertragsverletzungsvorwürfe, die von der Europäischen Kommission gegenüber Deutschland (Bund und Länder) erhoben werden. Ziel ist dabei

  • einerseits die Verteidigung berechtigter deutscher Anliegen bzw. die Durchsetzung begründeter deutscher Rechtsauffassungen gegenüber der Europäischen Kommission,
  • andererseits die Vermeidung unnötiger bzw. aussichtsloser Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (dazu Vermittlung und Durchsetzung berechtigter unionsrechtlicher Belange gegenüber Bundesressorts und Ländern),
  • sowie übergeordnet die Vermeidung und Reduzierung von Vertragsverletzungsverfahren, insb. solcher wegen verfristeter Richtlinienumsetzung, u.a. durch kontinuierliches Monitoring und Austausch mit Bundesressorts, Ländern und Europäischer Kommission.

Der Gesamtbestand anhängiger Vertragsverletzungsverfahren entwickelt sich dynamisch. In ihren regulären Beschlussfassungen entscheidet die Europäische Kommission über die Einleitung, Fortführung oder Einstellung von Vertragsverletzungsverfahren und veröffentlicht Pressemeldungen zu den relevantesten Vorgängen. Außerdem werden etwa alle zwei Monate Vertragsverletzungsverfahren wegen verfristeter Richtlinienumsetzung eingeleitet. In einer durch die Europäische Kommission zur Verfügung gestellten, öffentlichen Datenbank lassen sich Betreff und Stand der Verfahren gegen jeden einzelnen EU-Mitgliedstaat feststellen. Einen guten Überblick über zahlenmäßige Entwicklung und thematische Schwerpunkte der Vertragsverletzungsverfahren gibt der von der Europäischen Kommission herausgegebene Jahresbericht zur Anwendung des Unionsrechts.

Prozessvertretung vor den europäischen Gerichten

Prozessvertretung vor den europäischen Gerichten

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) leistet durch das Kompetenzzentrum Europarecht der Bundesregierung die einheitliche Prozessvertretung der Bundesrepublik Deutschland vor den europäischen Gerichten in Luxemburg. Dabei umfasst die Prozessvertretung

  • die laufende Analyse aller bevorstehenden bzw. anhängigen Verfahren vor den Europäischen Gerichten – dem Gerichtshof (EuGH), dem Gericht (EuG) und dem EFTA-Gerichtshof – mit anschließender Unterrichtung der betroffenen Fachressorts sowie des Bundestags und des Bundesrats,
  • die fachliche Beratung der innerstaatlich betroffenen Stellen sowie die Koordinierung der deutschen Position in den Gerichtsverfahren,
  • die anwaltliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im schriftlichen und mündlichen Verfahren, sowie
  • die Auswertung und Dokumentation der Rechtsprechung.

Für die Bundesregierung fungiert die Prozessführung als Schlüssel, um auf die Entscheidungsfindung der Unionsgerichte effektiv Einfluss nehmen zu können. Deutsche Rechtsansichten und Interessen können so wirksam zu Gehör gebracht werden. Bei allen europäischen Gerichten zusammen gehen im Jahr rund 1.500 neue Rechtssachen ein, die das Kompetenzzentrum Europarecht analysiert. An jährlich etwa 100 Verfahren beteiligt sich die Bundesregierung im schriftlichen und im mündlichen Verfahren. Eine Beteiligung der Bundesregierung an Verfahren vor den europäischen Gerichten erfolgt dabei im Wesentlichen bei Vorabentscheidungsersuchen sowie bei Vertragsverletzungs- und Nichtigkeitsklagen.

Eine Beteiligung erfolgt aufgrund einvernehmlicher Entscheidung im fachlich betroffenen Ressortkreis und kommt unter anderem in Fällen in Betracht, in denen Bestimmungen des deutschen Rechts unmittelbar oder mittelbar auf dem Prüfstand stehen. Gleiches gilt für Verfahren, die sich mit Rechtsfragen von allgemeiner rechtlicher und politischer Bedeutung befassen.

Inhaltlich erstreckt sich die Prozessführung auf alle Bereiche, für die die Unionsgerichte laut AEU-Vertrag zuständig sind. Das sind

  • die sogenannten vier Grundfreiheiten (Warenverkehrsfreiheit, Freizügigkeit, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit) sowie die Unionsbürgerschaft und
  • daneben auch die Bereiche Wettbewerbspolitik (einschließlich staatlicher Beihilfen), Steuerpolitik, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, Handelspolitik, Innenpolitik (insbesondere Zuwanderungs-, Visa- und Asylrecht), Gesellschaftsrecht, Gesundheitswesen, Umweltpolitik, Verbraucherschutz, Verkehrspolitik, Strukturpolitik, Energiepolitik, Telekommunikations-, Medien- und Digitalpolitik.

Aktuelle Informationen über Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union

Weiterführende Informationen