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06.12.2023 - Artikel - Energie

Roadmap Systemstabilität

Einleitung

Der Fahrplan zur Erreichung eines sicheren und robusten Betriebs des zukünftigen Stromversorgungssystems mit 100% Erneuerbaren Energien

Windräder auf einem Feld

© istockphoto.com/elxeneize

Hintergrund

Der Betrieb des Stromnetzes muss auf
100 Prozent Erneuerbare Energien ausgerichtet werden

Deutschland befindet sich mitten in der Umsetzung der Energiewende, bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien – vor allem aus Wind- und Solarenergie gedeckt werden. Das Stromsystem muss in Deutschland etwa 2035 weitgehend klimaneutral sein, damit alle übrigen Sektoren bis 2045 klimaneutral sein können – das zeigen Szenarien der Internationalen Energieagentur. Dieser Umbau verändert die Stromversorgung in Deutschland grundlegend. So wird es zukünftig immer mehr Stunden geben, in denen die Stromnachfrage zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien gedeckt wird.

Diese Veränderung in der Erzeugungsstruktur hat auch Einfluss auf den Betrieb des Stromnetzes. Die Erneuerbaren-Anlagen sind im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken in der Regel im Verteilnetz und über leistungselektronische Stromrichter an das Stromnetz angeschlossen. Daraus ergeben sich andere Anforderungen, aber auch neue Möglichkeiten, um einen sicheren und robusten Netzbetrieb zu gewährleisten.

Für einen sicheren Betrieb des Stromnetzes und für die Gewährleistung der Systemstabilität spielen die sogenannten Systemdienstleistungen eine zentrale Rolle, unter anderem die Regelung von Frequenz und Spannung des Wechselstroms. Beispielsweise stellen die Synchrongeneratoren konventioneller Kraftwerke neben dem erzeugten Strom auch eine Trägheitskomponente bereit („Momentanreserve“), die stabilisierend auf Frequenzänderungen im Stromsystem wirkt. Das Ausscheiden konventioneller Kraftwerke hat somit zur Folge, dass deren stabilisierende Eigenschaften zukünftig alternativ erbracht werden müssen. Erneuerbare Stromerzeugungsanlagen sowie andere Anlagen wie z.B. Speicher und Ladeeinrichtungen für Elektromobilität oder Anlagen der Netzbetreiber müssen hierfür weiterentwickelt werden und diese Aufgaben übernehmen.

Insgesamt gehen mit diesem Systemwandel neue Herausforderungen für Netzbetreiber und Marktteilnehmer sowie Weiterentwicklungsbedarf für Netzbetriebskonzepte und technische Spezifikationen von Anlagen einher.

Vor diesem Hintergrund wurde im Koalitionsvertrag 2021 die Erarbeitung einer Roadmap Systemstabilität unter Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) festgelegt.

Roadmap Systemstabilität

© BMWK

Roadmap Systemstabilität

Der Fahrplan zur Zielerreichung steht

Die Roadmap Systemstabilität ist ein zentraler Baustein für den Umbau des Stromsystems im Rahmen der Energiewende. Sie stellt erstmals die notwendigen Weiterentwicklungen zur Wahrung der Systemstabilität strukturiert dar.

Die Erstellung der Roadmap Systemstabilität erfolgte von Herbst 2022 bis Ende 2023 unter der Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem breiten Beteiligungsprozess unter aktiver Mitwirkung der Branchen. In vier thematischen Arbeitsgruppen mit 11 Unterarbeitsgruppen und begleitet von einem Beirat wurde auf Basis von insgesamt über 70 Sitzungen gemeinsam die Roadmap Systemstabilität erarbeitet. Insgesamt waren über 150 Personen aus mehr als 80 Institutionen beteiligt, darunter Vertreter von Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern, Anlagenherstellern, Verbänden, Normungsgremien und der Wissenschaft. Koordiniert wurde der Prozess von einer Projektsteuergruppe bestehend aus BMWK, Bundesnetzagentur, ef.Ruhr GmbH und dena. 

Als Kernaufgabe der Roadmap war die Frage „WAS muss WER bis WANN umsetzen“ gesetzt, also auf prozessualer Ebene aufzuzeigen,

  1. welche Schritte für einen stabilen Betrieb des Stromnetzes mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien eingeleitet werden müssen,
  2. wann diese stattfinden sollen und
  3. welche Akteure jeweils die Prozesse koordinieren sollen.

Als Grundlage für die Erarbeitung der Roadmap wurde zunächst zusammen mit den beteiligten Akteuren ein gemeinsames Zielbild mit den Funktionalitäten des zukünftigen Stromversorgungssystems entwickelt. Mithilfe dieses Zielbildes wurden dann Herausforderungen hinsichtlich eines stabilen und robusten Systembetriebs mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien beschrieben. Daraus wurden Prozesse abgeleitet, die für die Erreichung des Zielsystems angepasst oder neu aufgesetzt werden müssen. Die Ableitung der Prozesse erfolgte auf Basis der inhaltlichen Arbeit der vier Arbeitsgruppen. Es wurden übergeordnete, verbindende Prozesse identifiziert, alle Prozesse wurden zeitlich eingeordnet und es wurden Querbezüge zwischen den verschiedenen Prozessen identifiziert.

Das Herzstück der Roadmap Systemstabilität stellt der „Meilensteinplan“ dar, der einen konkreten Transformationspfad hin zu einem sicheren und robusten Systembetrieb mit
100 Prozent Erneuerbaren Energien liefert.

Die Roadmap Systemstabilität wurde im Dezember 2023 von der Bundesregierung beschlossen.

Als zusätzliche Hintergrundinformationen stehen neben der Roadmap Systemstabilität auch Themenpapiere der Arbeitsgruppen zum Download zur Verfügung. Sie zeigen den Diskussionsstand der Arbeitsgruppen auf.

Umspannwerk

© BMWi/Holger Vonderlind

Meilensteine der Roadmap

WAS muss WER bis WANN umsetzen?

Der besondere Mehrwert der Roadmap Systemstabilität besteht darin, dass sie erstmalig einen konkreten Fahrplan zur Erreichung eines sicheren und robusten Betriebs des Stromsystems mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien aufzeigt. Das umfasst

  1. das Identifizieren der nötigen Prozesse („Was?“)
  2. die Festlegung der Start- bzw. Umsetzungszeiträume für diese Prozesse („Wann?“) und
  3. das Identifizieren der Prozesskoordinatoren („Wer?“).

Man kann also vereinfacht sagen, dass die Roadmap Systemstabilität einen Fahrplan liefert, „WAS WER WANN“ umsetzen muss.

In der Roadmap Systemstabilität wurden insgesamt 51 Prozesse identifiziert und 18 zentrale Meilensteine bis zum Jahr 2030 festgelegt. Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über die zentralen Meilensteine. Die einzelnen Prozesse sowie die zentralen Meilensteine werden in der Roadmap Systemstabilität detailliert erläutert.

Meilensteinplan der Roadmap Systemstabilität

Abbildung: Zentrale Meilensteine der Roadmap Systemstabilität. (Die Einführung der technischen Anschlussregeln für netzbildende Stromrichter soll gestaffelt nach Netzebenen erfolgen, hier ist deshalb eine Zeitspanne als horizontale Linie gekennzeichnet.)

© BMWK

Die zentralen Meilensteine können noch einmal zu drei Pfaden verdichtet werden:

  • Erster Pfad – Definition des Sicherheitsniveaus für das Stromsystem und Bestimmung der Systembedarfe: Für das Stromsystem muss überprüft werden, für welche Bereiche bereits ein angestrebtes Sicherheitsniveau definiert ist. Für die Bereiche des Stromsystems, für die es noch kein definiertes Sicherheitsniveau gibt, muss eine Festlegung erfolgen. Aufbauend auf diesen Sicherheitsniveaus können dann sogenannte auslegungsrelevante Fälle definiert werden. Auslegungsrelevante Fälle beschreiben planbare und nicht planbare Ereignisse, mit denen das Stromsystem konfrontiert werden kann und die es zu beherrschen gilt. Auf Basis der definierten auslegungsrelevanten Fälle kann im nächsten Schritt eine Quantifizierung der Bedarfe an den einzelnen Systemdienstleistungen erfolgen.

  • Zweiter Pfad – Deckung der Systembedarfe: Die Deckung und strukturierte Beschaffung der identifizierten Bedarfe an den einzelnen Systemdienstleistungen stellen den zweiten zentralen Pfad dar. Hierzu sind geeignete Beschaffungsverfahren einzuführen und umzusetzen. Grundsätzlich gibt es für die Beschaffung von Systemdienstleistungen drei verschieden „Säulen“, die auch parallel verfolgt werden:
    Säule 1: Systemdienstleistungen aufgrund verpflichtender technischer Anforderungen an die Anlagen (technische Anschlussregeln)
    Säule 2: freiwillige vergütete Erbringung von Systemdienstleistungen durch Marktakteure (marktgestützte Beschaffung)
    Säule 3: Systemdienstleistungen durch Netzbetriebsmittel der Netzbetreiber

  • Dritter Pfad – Etablierung von netzbildenden Stromrichtern: Netzbildende Stromrichter stellen für das Zielsystem mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien eine Schlüsseltechnologie zur Wahrung der Systemstabilität dar. Anlagen mit netzbildenden Stromrichtern können aktiv eine Spannung für das Stromnetz vorgeben und eine Trägheit zur Stabilisierung von Frequenzschwankungen (Momentanreserve) bereitstellen. Dabei handelt es sich um eine relativ neue Technologie. Für einen flächendeckenden Einsatz müssen deshalb Erfahrungen gesammelt werden. Dies kann im Rahmen von Forschungs- und Pilotprojekten sowie einer marktgestützten Beschaffung erfolgen. Auf Grundlage dieser Erfahrungen können dann technische Anforderungen für Anlagen und die dort verwendeten netzbildenden Stromrichter definiert bzw. weiterentwickelt werden.

Umsetzung und Monitoring

Wir setzen die produktive Zusammenarbeit fort

Die Erarbeitung der Roadmap Systemstabilität unter der Leitung des BMWK mit Unterstützung der ef.Ruhr GmbH und der dena war nur möglich durch die konstruktive und aktive Mitarbeit vieler Akteure der Branchen. Dazu zählen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, Anlagenhersteller, Verbände, Normungsgremien und Vertreter der Wissenschaft. Nur durch diese Akteursvielfalt und deren jeweiliges großes Engagement in den Arbeitsgruppen und im Beirat war die Erarbeitung der Roadmap Systemstabilität in dieser umfassenden Form möglich.

Insgesamt wurden im Rahmen der Roadmap Systemstabilität 51 Prozesse identifiziert. Diese müssen nun von den verschiedenen Akteuren angestoßen oder angepasst und umgesetzt werden. In nahezu allen Prozessen sind mehrere Akteure involviert und müssen Teilprozessverantwortungen übernehmen. Es bestehen zudem Abhängigkeiten zwischen den Prozessen. Die Umsetzung der Roadmap Systemstabilität muss deshalb, wie schon bei der Erstellung, von allen Akteuren engagiert und konstruktiv begleitet werden. Nur durch eine gute Zusammenarbeit kann das übergeordnete Ziel des klimaneutralen Stromsystems erreicht werden.

Das BMWK und die Bundesnetzagentur werden die erfolgreiche Umsetzung der Roadmap wieder aktiv unterstützen und begleiten. Dazu ist beispielsweise ein „Forum Systemstabilität“ geplant. Dabei handelt es sich um eine regelmäßige Austauschplattform für die Akteure, die für die Umsetzung der verschiedenen Roadmap-Prozesse verantwortlich sind. Das „Forum Systemstabilität“ soll auch für ein Monitoring über die Umsetzung der Maßnahmen und Prozesse der Roadmap Systemstabilität genutzt werden. Ein Anhaltspunkt sind dabei die in der Roadmap identifizierten zentralen Meilensteine. Sie stellen die Schlüsselpunkte der Transformation im Bereich Systemstabilität dar und können deshalb als Orientierung über den Fortschritt der Umsetzung der Roadmap dienen.

Solaranlage und Windräder zum Informationsportal Erneuerbare Energien; Quelle: BMWi/Holger Vonderlind

© BMWi/Holger Vonderlind

Einordnung in die Gesamtstrategie der Energiewende

Ein zentrales Puzzlestück für die Energiewende

Neben dem Systembetrieb mit der Wahrung der Systemstabilität müssen für das Gelingen der Energiewende auch die Transformation von Energieerzeugung und -verbrauch sowie der Infrastrukturausbau zur Erreichung eines klimaneutralen Energiesystems adressiert werden. Für diese Prozesse wird mit der „Systementwicklungsstrategie“ (SES) ein übergeordneter Rahmen festgelegt. Damit kann die „Systementwicklungsstrategie“ für Folgeprozesse, wie zum Beispiel die Netzentwicklungspläne für Strom und Gas/Wasserstoff Orientierung bieten.

Der Themenkomplex der Gewährleistung der Systemstabilität in einem Stromsystem mit
100 Prozent Erneuerbaren Energien wird mit der Roadmap Systemstabilität erstmals umfassend und strukturiert adressiert. Damit wird sichergestellt, dass Systemstabilitätskriterien keine Restriktion für die Energiewende darstellen. Die Roadmap Systemstabilität und die „Systementwicklungsstrategie“ bilden damit ergänzende Säulen der Transformation des Energiesystems. Nähere Informationen zur SES sind unter https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/ses.html verfügbar.

Downloads

Arbeiter auf Strommast symbolisiert Netze und Netzausbau

© BMWi/Holger Vonderlind

Ein Stromnetz für die Energiewende

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Weiterführende Informationen

  • Artikel -

    Artikel: Netzbetrieb und Systemsicherheit

    Öffnet Einzelsicht
Windräder auf einem Feld

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