Vertragspartner zu Investitionsschutzabkommen; Quelle: Fotolia.com/Rawpixel

© Fotolia.com/Rawpixel

Mit Investitionsschutzverträgen sichern Staaten ihren Investoren völkerrechtlichen Schutz im jeweiligen Gaststaat zu. Weltweit gibt es ungefähr 3.000 bilaterale und multilaterale Investitionsförderungs- und -schutzverträge (Investitionsschutzverträge).

Derartige Verträge werden abgeschlossen, um ein einheitliches Verständnis über Investitionsschutz und dessen praktische Umsetzung in den beteiligten Staaten sicherzustellen. Denn die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten zum Schutz von Investitionen in manchen Ländern entsprechen nicht immer unseren rechtsstaatlichen Vorstellungen. Ohne Investitionsschutzvertrag wäre der ausländische Investor ggf. auf unsichere Klagewege vor nationalen Gerichten im Gaststaat oder auf diplomatische Interventionen seiner Regierung gegenüber der ausländischen Regierung angewiesen, um seine Investition gegen willkürliches Verwaltungshandeln wie eine Enteignung ohne Entschädigung zu schützen. In der Regel enthalten Investitionsschutzverträge folgende Schutzstandards:

  • Schutz gegen Enteignung ohne Entschädigung,
  • Gerechte und billige Behandlung = fair and equitable treatment (FET),
  • voller Schutz und Sicherheit = full protection and security,
  • Meistbegünstigung = most favoured nation treatment (MFN),
  • Inländerbehandlung = Schutz vor Diskriminierung,
  • Schutz gegen den Bruch staatlicher Zusagen, sog. "Umbrella"-clause,
  • uneingeschränkter Transfer von Kapital und Erträgen.

Einige Investitionsschutzverträge sehen zur Beilegung von Investitionsschutzstreitigkeiten sogenannte Investor-Staat-Schiedsverfahren vor. Sie ermöglichen dem Investor, seine Rechte unabhängig von nationalen Gerichten und diplomatischen Interventionen durchzusetzen. Die Investitionsschutzverträge regeln dabei, wann der Investor ein Schiedsverfahren einleiten kann und nach welcher Schiedsverfahrensordnung das Schiedsgericht zusammengesetzt werden und arbeiten soll.

Entwicklung zum modernisierten Investitionsschutz-Freihandelsabkommen mit Investitionsschutz und Investitionsschutzverträge der EU und der EU-Mitgliedstaaten mit Drittstaaten

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz setzt sich für modernere und transparentere Regeln beim Investitionsschutz und bei der Beilegung von Investitionsschutzstreitigkeiten ein. Bereits im Februar 2015 hat das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit weiteren EU-Handelsministern einen Vorschlag für einen modernen Investitionsschutz vorgelegt. Die EU-Kommission hat die Ansätze auf breiter Linie aufgegriffen und im Herbst 2015 einen eigenen Vorschlag für modernen Investitionsschutz für das Abkommen über die geplante transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) präsentiert, der im November 2015 als EU-Vorschlag in diese Verhandlungen eingebracht wurde. In fünf Abkommen sind die Verhandlungen mit diesen reformierten Regeln beim Investitionsschutz und bei der Beilegung von Investitionsschutzstreitigkeiten bereits abgeschlossen worden: Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) und der EU-Mitgliedstaaten mit Kanada (CETA) sowie die Investitionsschutzabkommen der EU und der EU-Mitgliedstaaten mit Singapur und mit Vietnam, sowie die Freihandelsabkommen mit Mexiko (Stand April 2021) und das Rahmenabkommen mit Chile beinhalten bereits die Vorschläge der EU für ein reformiertes Streitbelegungsverfahren mit einem modernen, transparenten Investitionsgerichtshof (Übersicht Abkommen mit Investitionsschutz).

Im Einklang mit den Zielsetzungen des Koalitionsvertrages hat sich die Bundesregierung parallel zur Ratifikation von CETA in Deutschland dafür eingesetzt, „gemeinsam mit den Partnern des Abkommens im Wege einer bindenden Auslegung von materiell-rechtlichen Investitionsschutzstandards in CETA eine missbräuchliche Anwendung dieser Standards wirksam zu begrenzen." Seit November 2022 haben die Europäische Kommission und Kanada auf Initiative Deutschlands hin über den Text eines völkerrechtlich verbindlichen Beschlusses des Gemischten CETA-Ausschusses verhandelt. Ziel ist eine Verbesserung des Investitionsschutzkapitels des CETA-Abkommens. In dem Beschluss werden die Schutzstandards im Investitionsschutzrecht klarstellend präzisiert. Damit wird der staatliche Regulierungsspielraum (sog. Right to Regulate) zur Erreichung legitimer Gemeinwohlziele gestärkt. Die Annahme des Beschlusses ist für Anfang 2024 zu erwarten.

Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung entsprechend dem Eckpunktepapier „Handelspolitik der BReg“ bei allen Abkommen mit Investitionsschutz für eine weitere Stärkung des staatlichen Regulierungsrechts und eine Konzentration auf Inländergleichbehandlung und Schutz vor direkter Enteignung ein.

Bilaterale Investitionsförderungs- und -schutzverträge zwischen Deutschland und anderen Staaten

Deutschland hat seit 1959 mehr als 130 bilaterale Investitionsschutzverträge abgeschlossen. Vielfach haben Drittstaaten Deutschland um den Abschluss eines Investitionsschutzvertrags gebeten, um ihr Land attraktiver für deutsche Investoren zu machen. Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen tragen regelmäßig zur Sicherung und zum Ausbau von Arbeitsplätzen in Deutschland bei. Oft geht es bei solchen Projekten vor allem um eine bessere Markterschließung vor Ort und größere Absatzchancen. Die Investitionsschutzverträge erleichtern auch kleinen und mittleren Unternehmen die Erschließung ausländischer Märkte.

Investitionsschutzverträge bilden zudem in der Regel die Voraussetzung für die Übernahme von Bundesgarantien für deutsche Direktinvestitionen im Ausland zur Absicherung politischer Risiken. Sie gewährleisten ausreichenden Rechtsschutz im Gaststaat. Dieser ist nach dem Haushaltsrecht Voraussetzung für die risikomäßige Vertretbarkeit der Übernahme einer Investitionsgarantie.

Situation nach dem Vertrag von Lissabon

Mit dem Vertrag von Lissabon ist die Zuständigkeit für ausländische Direktinvestitionen im Jahr 2009 auf die EU übergegangen. Die EU-Kommission hat damit die Möglichkeit, für die EU und die 27 EU-Mitgliedstaaten Abkommen zum Investitionsschutz zu verhandeln. Diese sollen an die Stelle der bilateralen Abkommen der einzelnen Mitgliedsstaaten treten.

Der Rat ermächtigt die EU-Kommission in der Regel auch, über den Schutz von Portfolioinvestitionen und Investor-Staat-Schiedsverfahren unter Beteiligung der Mitgliedstaaten zu verhandeln, die nach dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu dieser Frage (Rechtssache 2/15 im Kontext des Freihandelsabkommens mit Singapur) nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen, sondern weiterhin in die der EU-Mitgliedstaaten. Deshalb werden die neu verhandelten Abkommen regelmäßig als sog. gemischte Abkommen zwischen der EU, den 27 EU-Mitgliedstaaten und dem jeweiligen Drittstaat abgeschlossen. "Gemischt" bedeutet, dass Teile der Abkommen in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten fallen - in diesem Fall müssen auch die nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen. Bereits am 5. Juli 2016 hatte die EU-Kommission dem Europäischen Rat vorgeschlagen, das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) als ein gemischtes Abkommen abzuschließen, weshalb neben Kanada und der EU auch die EU-Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind.

Die bilateralen Investitionsschutzverträge der EU-Mitgliedstaaten gelten fort, solange keine Verträge der EU und der EU-Mitgliedstaaten mit Drittstaaten über Investitionsschutz abgeschlossen sind. Das ist in der Verordnung Nr. 1219/2012, sogenannte "Grandfathering"-Verordnung (PDF: 754 KB), zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern geregelt. Danach dürfen die EU-Mitgliedstaaten neue bilaterale Investitionsschutzverträge mit Drittstaaten nur noch nach Rückermächtigung durch die EU-Kommission verhandeln und unterzeichnen.

Investitionsschutzabkommen zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten

EU-Mitgliedstaaten haben in der Vergangenheit auch mit solchen Staaten Investitionsschutzverträge abgeschlossen, die später EU-Mitgliedstaaten geworden sind. Alle Länder, mit denen Deutschland seinerzeit Verträge verhandelt hat, waren zum damaligen Zeitpunkt noch keine Beitrittskandidaten zur EU. Auf Basis des Übereinkommens vom 5. Mai 2020 zur Beendigung der bilateralen Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten sind inzwischen alle bilateralen Investitionsschutzverträge der Vertragsstaaten untereinander außer Kraft getreten.

Die EU-Mitgliedstaaten haben mit der Europäischen Kommission die Zukunft der Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten erörtert. Frankreich, Deutschland, Österreich, Finnland und die Niederlande haben 2016 in einem "Non-Paper" (PDF: 349 KB) einen rechtsstaatlichen Mechanismus vorgeschlagen, der die Streitbeilegung nach den bestehenden bilateralen Intra-EU-Investitionsschutzverträgen ersetzen und für alle EU-Mitgliedstaaten gelten könnte. Nach dem Vorschlag würden die bestehenden Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten baldmöglichst beendet und damit Schiedsgerichte mit privat ernannten Schiedsrichtern innerhalb der EU abgeschafft.

Die Bundesregierung hat nach vorangehender Billigung durch das Bundeskabinett am 15. Januar 2019 gemeinsam mit 21 anderen EU-Mitgliedstaaten eine Erklärung zur Aufhebung der Intra-EU-Investitionsschutzverträge (Intra-EU-IFV) zur Umsetzung des Achmea-Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 6. März 2018 unterzeichnet. In der Erklärung bekunden die unterzeichnenden EU-Mitgliedstaaten ihre Bereitschaft, ihre Intra-EU-IFV aufzuheben. Außerdem erklären sie, dass das vom EuGH ausgesprochene Verbot von Intra-EU-Investitionsschiedsverfahren nach ihrem Verständnis auch für Intra-EU-Schiedsverfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrages (ECT) gilt.

Auf Basis dieser Erklärung sind die Verhandlungen für ein Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-IFV erfolgreich abgeschlossen worden. Das Übereinkommen zur Beendigung der bilateralen Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden „das Übereinkommen“) wurde am 5. Mai 2020 von 23 Mitgliedstaaten der EU einschließlich Deutschland unterzeichnet. Das Vertragsgesetz zu dem Übereinkommen ist am 21. Januar 2021 im Bundesgesetzblatt Teil  II verkündet worden.

Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde ist das Übereinkommen nach seinem Art. 16 Absatz 2 am 9. Juni 2021 für Deutschland in Kraft getreten.

Gleichzeitig werden nach Art. 4 Absatz 2 des Übereinkommens

  • die in Anhang A des Übereinkommens genannten DEU-Investitionsschutzverträge und
  • die Nachwirkungsklausel des in Anhang B des Übereinkommens genannten DEU-Investitionsschutzvertrags

im Verhältnis zu den Vertragsparteien beendet, für die das Übereinkommen ebenfalls bereits in Kraft getreten ist.

Danach sind die DEU-Investitionsschutzverträge mit Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Malta, der Slowakischen Republik, Slowenien, Ungarn, die Nachwirkungsklausel des DEU-Investitionsschutzvertrages mit Polen, die DEU-Investitionsschutzverträge mit Litauen, Griechenland, der Tschechischen Republik, Rumänien und Portugal außer Kraft getreten.

Der Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens und des Außerkrafttretens der Investitionsschutzverträge ist im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht worden.

Beilegung von "innereuropäischen" Investitionsstreitigkeiten im Rahmen des Energiecharta-Vertrags

Der EuGH (Große Kammer) hat in der Rechtssache „Komstroy“ (Rs. C-741/19), mit Urteil vom 2. September 2021 entschieden, dass Intra-EU-Schiedsgerichtsverfahren auf Basis des Energiecharta-Vertrags (ЕСТ) mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sind. Damit hat der EuGH seine im Achmea-Urteil (Rs. C-284/16) vom 6. März 2018 zu Schiedsgerichten geformte Linie bestätigt und vertieft. Deutschland und die große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten bekräftigen das Achmea-Urteil in der am 15. Januar 2019 verabschiedeten "Erklärung zur Aufhebung der Intra-EU-Investitionsschutzverträge (Intra-EU-IFV) zur Umsetzung des Achmea-Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 6. März 2018".

Unionsrechtswidrig sind somit sowohl Schiedsverfahren, die auf bilateralen Investitionsschutzverträgen zwischen EU-Mitgliedstaaten basieren (Achmea-Urteil), als auch solche auf Basis des multilateralen ECT (Komstroy-Urteil).

Die Rechtsprechung im Urteil Komstroy wurde inzwischen in den Urteilen PL Holdings (Rs. C-109/20) vom 26. Oktober 2021 und European Food S.A. u.a. (Rs. C-638/19 P - Micula) vom 25. Januar 2022 bestätigt. Die Bundesregierung hat in den Verfahren schriftlich und mündlich betont, dass der ECT in Intra-EU-Konstellationen nicht für die Erhebung von Investitionsschiedsklagen genutzt werden kann, da derartige Schiedsverfahren unionsrechtswidrig sind.

Im Komstroy-Urteil hat der EuGH klargestellt, dass Art. 26 Abs. 2 Buchst. c ECT „dahin auszulegen (ist), dass er auf Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat über eine Investition des Investors im zuerst genannten Mitgliedstaat nicht anwendbar ist“ (vgl. „Komstroy“ (Rs. C-741/19) Rn. 66).

Auch das Schiedsgericht in Green Power K/S und Obton A/S v. Spanien hat sich der Rechtsprechung des EuGH angeschlossen und die Klage, gestützt auf den ECT aufgrund fehlender Zuständigkeit abgewiesen (SCC Case No. V 2016/135, Award, 16. Juni 2022, Rn. 477).

In diesem Zusammenhang weist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die im Binnenmarkt tätigen deutschen Investoren und die in Deutschland tätigen europäischen Investoren auf die Unionsrechtswidrigkeit von Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren, die auf Basis von bilateralen Investitionsschutzverträgen oder des ECT gegen einen EU-Mitgliedstaat erhoben worden sind, hin.

Aus der EuGH-Rechtsprechung folgt eindeutig, dass angerufene Schiedsgerichte ohne Rechtsgrundlage agieren.

Anknüpfend an die EuGH-Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 27. Juli 2023 in drei Beschlüssen (I ZB 43/22, I ZB 74/22 und I ZB 75/22) entschieden, dass gegen Intra-EU Schiedsverfahren nach dem ICSID-Abkommen Rechtsschutz vor den deutschen Gerichten möglich ist. Demnach haben die deutschen Zivilgerichte bei unionsrechtswidrigen Intra-EU Schiedsverfahren auf Antrag das Schiedsverfahren gem. §1032 Abs. 2 ZPO für unzulässig zu erklären. Als Konsequenz könnte ein in einem solchen Schiedsverfahren ergangener Schiedsspruch in Deutschland nicht mehr vollstreckt werden.

Die Vollstreckung etwaiger Schiedssprüche wird mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Mitgliedstaaten unmöglich.

Der EuGH stellte dazu in seinem Beschluss in der Rs. Romatsa (Rs. C-333/19) vom 21. September 2022 fest, dass diese europarechtswidrigen ICSID-Schiedssprüche nicht vollstreckt werden dürfen. Auch außerhalb der EU wird die Vollstreckung erschwert, wie aktuelle Interventionen der betroffenen EU-Mitgliedstaaten, unterstützt von der Europäischen Kommission, u.a. vor nationalen Gerichten in den Vereinigten Staaten und in Australien zeigen.

Die EU-Mitgliedstaaten ergreifen gemeinsam mit der Europäischen Kommission die notwendigen Maßnahmen, um die wirksame Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH zu gewährleisten.

Die Bundesregierung hat den Rücktritt vom Energiecharta-Vertrag erklärt. Der Rücktritt wird am 21. Dezember 2023 wirksam.

Zur Erinnerung: Das Achmea-Urteil des EuGH führte zum Abschluss des Abkommens über die Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten, das für Deutschland am 09. Juni 2021 in Kraft getreten ist. Inzwischen sind alle bilateralen Investitionsschutzverträge der Vertragsstaaten untereinander außer Kraft getreten.

Beilegung von Investitionsstreitigkeiten: Schiedsverfahren und Investitionsgerichtssystem

In älteren Investitionsschutzverträgen war die Klärung von Streitigkeiten im Wege von Staat-Staat-Schiedsverfahren vorgesehen. Bei einem Streit über die Anwendung und Einhaltung eines Investitionsschutzvertrags musste daher der Heimatstaat des Investors gegen den Gaststaat ein Staat-Staat-Schiedsverfahren einleiten. Um Investitionsstreitigkeiten zu entpolitisieren, wurden in den 1980er-Jahren Investor-Staat-Schiedsverfahren eingeführt. Dem Investor wurde damit ermöglicht, selbst Verletzungen des jeweiligen Investitionsschutzvertrags vor einem Schiedsgericht geltend zu machen. 

Mit dem modernisierten EU-Ansatz, der in dem Freihandelsabkommen mit Kanada und in den Investitionsschutzabkommen mit Singapur und Vietnam umgesetzt wurde, wird die Streitbeilegung modernisiert und ein öffentlich-legitimiertes Investitionsgericht eingeführt. Die Richter werden von den Vertragsparteien des Abkommens ernannt und nicht mehr von den Parteien des konkreten Streits. Die Gerichtsverhandlungen sind öffentlich und alle Schriftsätze und Urteile werden veröffentlicht. Zudem ist eine Berufungsinstanz vorgesehen, um die Konsistenz und Richtigkeit der Entscheidungen sicherzustellen. Kanada, Singapur und Vietnam, die EU und die EU-Mitgliedstaaten nehmen damit die Verbesserungsvorschläge auf, die im Anschluss an die öffentliche Konsultation zu Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP erarbeitet wurden. Die EU-Kommission hatte daraufhin die Einrichtung eines Investitionsgerichts erstmals in den Verhandlungen für TTIP vorgeschlagen. In den Freihandelsabkommen mit Kanada und den Investitionsschutzabkommen mit Singapur und Vietnam haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, die Investitionsgerichte nach diesen Abkommen mittelfristig durch einen ständigen multilateralen Investitionsgerichtshof abzulösen.

Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten setzen sich für die Errichtung dieses multilateralen Investitionsgerichtshofs im Rahmen der Verhandlungen in der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law - UNCITRAL) Arbeitsgruppe III (Reform der Investor-Staat Streitbeteiligung) ein.

Parallel dazu haben die Mitgliedsstaaten des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank (International Centre for Settlement of Investment DisputesICSID) die Reform der Verfahrensregeln für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten angenommen.

Die geänderten Verfahrensregeln sind am 1. Juli 2022 in Kraft getreten und finden ab diesem Zeitpunkt Anwendung. Maßnahmen zur Umsetzung oder Ratifikation auf nationaler Ebene sind nicht erforderlich. Die neuen Regeln werden für neue Verfahren (und auf Wunsch der Parteien auch für laufende Verfahren) Verbesserungen insbes. mit Blick auf Transparenz, Effizienz der Verfahren, Beteiligungsrechte von Nicht-Streitparteien und den Umgang mit missbräuchlichen Klagen mit sich bringen.

Darüber hinaus sind mit den Resolutionen 1 bis 4 (ICSID Convention Proceedings, ICSID Additional Facility Proceedings, ICSID Mediation Proceedings, ICSID Fact-Finding Proceedings) mit großer Mehrheit weitere Änderungen auch im Verwaltungsbereich von ICSID und für andere Aspekte der außergerichtlichen Streitbeilegung angenommen worden: https://icsid.worldbank.org/resources/rules-amendments.

Rechtsgrundlagen für Schiedsverfahren

In den einzelnen Investitionsschutzverträgen ist jeweils geregelt, nach welchen Schiedsverfahrensordnungen Schiedsverfahren durchgeführt werden können. Beispiele sind die Verfahrensordnungen der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law - UNCITRAL), des Internationalen Zentrums für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes - ICSID), der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC), oder der Handelskammer Stockholm (Stockholm Chamber of Commerce - SCC).

ICSID ist ein Teil der Weltbank-Gruppe und dort seit 1966 aufgrund der ICSID-Konvention angesiedelt. Die ICSID-Konvention wurde am 18. März 1965 unterzeichnet und ist zwischenzeitlich von 155 Staaten ratifiziert worden, darunter Deutschland. ICSID ist die bedeutendste Institution zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (derzeit sind dort rund 300 Fälle anhängig). Die ICSID-Konvention enthält in ihren Artikeln 37 bis 47 und in den ergänzend geltenden Schiedsverfahrensregeln (ICSID Arbitration Rules) strenge Vorgaben an die Konstituierung und die Zusammensetzung des Schiedsgerichts sowie an den Ablauf des Schiedsverfahrens. Das ICSID-Verfahren ist gerichtsähnlich ausgestaltet und qualitativ hochwertig. Über die einzelnen anhängigen Verfahren wird auf der ICSID-Webseite detailliert und zeitnah berichtet.

Zurzeit sehen 78 der geltenden bilateralen Investitionsschutzverträge Deutschlands Investor-Staat-Schiedsverfahren vor.

Mehr Transparenz bei Investor-Staat-Schiedsverfahren

Die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht, UNCITRAL, hat am 11. Juli 2013 umfassende neue Transparenzregeln für Investor-Staat-Schiedsverfahren verabschiedet. Die Bundesregierung hat sich als UNCITRAL-Vollmitglied aktiv an der Ausarbeitung der neuen Transparenzregeln beteiligt und begrüßt sie ausdrücklich. Die EU hat als Beobachter teilgenommen. Transparenz bei Investor-Staat-Schiedsverfahren ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung, da in diesen Verfahren öffentliche Interessen, nicht zuletzt Belange der Steuerzahler, berührt sind.

Die Transparenzregeln gelten bereits seit dem 1. April 2014 und sind weitreichend. Grundsätzlich sollen:

  • alle Verfahren öffentlich registriert werden (Art. 2),
  • alle Schriftsätze veröffentlicht werden (Art. 3),
  • die Verhandlungen des Schiedsgerichts öffentlich durchgeführt werden (Art. 6),
  • der Zivilgesellschaft die Möglichkeit der Beteiligung gegeben werden (Art. 4),
  • die Schiedssprüche bzw. Urteile veröffentlicht werden (Art. 3).

Ausnahmen gelten für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Weitere Informationen finden Sie auf dem Internetportal von UNCITRAL.

Die UNCITRAL-Transparenzregeln gelten allerdings nur für Investor-Staat-Schiedsverfahren auf Grundlage jüngerer Investitionsschutzverträge, also Verträge, die die Staaten nach dem 31. März 2014 geschlossen haben, falls die Vertragsparteien ihre Einbeziehung vereinbaren.

Transparenzregeln für Alt-Verträge: Mauritius-Konvention

Sämtliche bestehenden deutschen bilateralen Investitionsförderungs- und -schutzverträge mit Investor-Staat-Schiedsverfahren wurden vor 2014 abgeschlossen. Die UNCITRAL-Transparenzregeln gelten daher bisher nicht für Investor-Staat-Schiedsverfahren nach diesen Verträgen.

Um die Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln auch für diese Alt-Verträge zu ermöglichen, wurde die sog. Mauritius-Konvention ausgearbeitet. Mit ihr werden die UNCITRAL-Transparenzregeln auf bereits bestehende Investitionsschutzverträge erstreckt. Voraussetzung ist, dass der beklagte Staat die Mauritius-Konvention ratifiziert hat und dass der Investor einem Staat angehört, der ebenfalls an die Mauritius-Konvention gebunden ist.

Die Unterzeichnung der Mauritius-Konvention und die Erstreckung der Transparenzregeln auf bestehende Investitionsschutzverträge ist ein wichtiges politisches Signal für mehr Transparenz. Investor-Staat-Schiedsverfahren nach der Mauritius-Konvention - wie auch allgemein nach den UNCITRAL-Transparenzregeln - werden transparenter sein als Verfahren vor deutschen Gerichten oder WTO-Verfahren.

Den von der UN-Generalversammlung angenommenen Entwurf der Mauritius-Konvention finden Sie hier.

Das Bundeskabinett hat am 25. Februar der Unterzeichnung der Mauritius-Konvention zugestimmt. Damit schafft die Bundesregierung die Voraussetzungen für deutlich mehr Transparenz in künftigen Investor-Staat-Schiedsverfahren nach bestehenden Investitionsschutzverträgen. Die Unterzeichnung der Mauritius-Konvention fand am 17. März 2015 in Port Louis (Mauritius) statt. Die Ratifikation steht noch aus, da die EU-Kommission den zeitgleichen Beitritt der EU und ihrer Mitgliedstaaten anstrebt.