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Wirtschaft in einer digitalisierten Zukunft – ein Strategischer Vorausschauprozess
Einleitung
Die Digitalisierung wird einen fundamentalen Wandel für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen. Um mögliche langfristige Implikationen für die Wirtschaftsstruktur frühzeitig zu erkennen und strategische wirtschaftspolitische Weichen stellen zu können, wird in den nächsten zwei Jahren ein Vorausschauprozess zu möglichen „Zukünften“ einer digitalisierten Wirtschaft im Auftrag des BMWi durchgeführt. Dabei werden die sich daraus ergebenden Handlungsoptionen explizit aufgezeigt.
Digitalisierung als wirtschaftspolitische Herausforderung
Die Digitalisierung und die mit ihr einhergehenden fundamentalen Veränderungen werden Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten maßgeblich prägen. Der digitale Wandel wird dabei von einer Vielzahl neuer Technologien und Geschäftsmodelle bestimmt. Diese stehen häufig miteinander im Zusammenhang und können zu plötzlichen, schubartigen Entwicklungsprozessen führen. Gleichzeitig bringen diese Technologien ungeahnte Chancen mit sich, wirtschaftlichen Fortschritt zu erreichen und somit langfristig – auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels – ein hohes Maß an Wachstum und Wohlstand zu ermöglichen. Dennoch sind damit zugleich grundlegende Strukturveränderungen für Wertschöpfungsketten, Arbeitsprozesse und Unternehmensstrukturen zu erwarten, die sowohl für Beschäftigte, Unternehmen wie auch für die Wirtschaftspolitik Herausforderungen darstellen können. Beispiele für solche disruptiven Entwicklungen zeigen sich bei digitalen Plattformen oder der Sharing Economy bereits heute.
Für die Wirtschaftspolitik stellt sich vor diesem Hintergrund eine Reihe von Fragen, wie zum Beispiel: Welchen Einfluss kann Digitalisierung auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland haben? Wie verändern sich Unternehmen, Produzenten oder Konsumenten und welche Implikationen kann dies mit sich bringen? Was bedeutet dies für Produktionsprozesse, Unternehmenslandschaft, den Strukturwandel allgemein und bestimmte Branchen im Speziellen? Welche Implikationen können sich aus unterschiedlichen Eigentumsrechten zum Beispiel an Daten, Algorithmen, digitalen Plattformen ergeben?
Um von fundamentalen Veränderungen infolge digitaler Technologien und Geschäftsmodelle nicht überrascht zu werden und um den Prozess aktiv gestalten zu können, ist eine strategische Analyse verschiedener möglicher, langfristiger Entwicklungen äußerst wichtig. Zudem ist eine Untersuchung der damit verbundenen Herausforderungen an den Ordnungsrahmen von hoher Relevanz für eine effektive, moderne Wirtschaftspolitik. Eine solche interdisziplinäre, strategische Weitsicht ermöglicht es, im Zeitalter der globalen Digitalisierung frühzeitig agieren zu können und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dauerhaft zu sichern.
Der Foresight-Prozess des BMWi
Die Dynamik, Richtung und Konnektivität der Entwicklungen einzelner Technologien sind mittel- bis langfristig allerdings nur schwer absehbar. Ihre Auswirkungen und Implikationen für Wirtschaft und Gesellschaft lassen sich anhand klassischer Prognosemethoden kaum ableiten, da diese im Wesentlichen Vergangenheitsentwicklungen, d. h. Trends, fortschreiben bzw. auf strukturellen Modellannahmen basieren. Mittel- bis langfristige Trendveränderungen und fundamentale Strukturbrüche, wie sie im Zuge der Digitalisierung zu erwarten sind, lassen sich mit solchen Methoden kaum abbilden. Gleichzeitig besteht ein hohes wirtschaftspolitisches Interesse, frühzeitig Vorstellungen über mögliche Entwicklungen in der Digitalisierung und die damit verbundenen Herausforderungen zu entwerfen. Neuere Methoden wie die „Strategische Vorausschau“ nutzen Trend- und Wechselwirkungsanalysen, die in Form von alternativen Szenarien plausibel gemacht werden, um mögliche „Zukünfte“ zu entwickeln (s. Kasten). Das BMWi hat einen solchen Foresight-Prozess über die nächsten zwei Jahre angestoßen. Ziel des Vorausschauprozesses ist es, verschiedene Szenarien mit Blick auf die Digitalisierung und die damit einhergehende Entwicklung der deutschen Wirtschaftsstruktur qualitativ aufzubereiten, zu bewerten und wirtschaftspolitische Implikationen abzuleiten.
Strategische Vorausschau – Eine Methodik der Zukunftsforschung
Die Strategische Vorausschau (oder „Strategic Foresight“) ist ein Feld der Zukunftsforschung. Sie umfasst systematische Ansätze, die dazu dienen, sich methodisch fundiert mit möglichen zukünftigen gesellschaftlichen, politischen und/oder technologischen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Sie wird für langfristige Entwicklungen eingesetzt, bei denen die Zukunft mit einer großen Unsicherheit behaftet ist, die Möglichkeit nichtlinearer Veränderungen besteht und klassische Prognoseinstrumente daher nur begrenzt anwendbar sind. Ziel eines Vorausschauprozesses ist nicht, ein bestimmtes Ergebnis unter Angabe einer Wahrscheinlichkeit vorherzusagen. Es geht vielmehr darum, verschiedene mögliche Entwicklungen bzw. „Zukünfte“ abzubilden und Chancen und Herausforderungen des jeweiligen Szenarios aufzuzeigen, um besser auf sie vorbereitet zu sein und die Zukunft – soweit möglich – besser gestalten zu können. Dabei werden auch Szenarien abgebildet, deren Eintritt aus heutiger Sicht ggf. als eher unwahrscheinlich eingestuft wird, die aber dennoch in den Grenzen des Möglichen liegen.
Der Prozess dient somit als Instrument für strategische Planungen und findet sowohl in Unternehmen als auch in der Politik zunehmend Anwendung. Dabei werden unterschiedliche, oft qualitative Methoden wie zum Beispiel Experteninterviews, Roadmapping, Szenarioanalysen, Wild Cards - einzeln oder in Kombination – eingesetzt.
In internationalen Organisationen (z. B. OECD), Forschungseinrichtungen (Bertelsmann Stiftung etc.) wie auch in einigen Bundesministerien (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)) wurden bereits Prozesse der Strategischen Vorausschau mit Blick auf die Digitalisierung durchgeführt und Fragen zu Perspektiven für Technologien und Gesellschaft behandelt. Im BMWi wird in der Abteilung Digital- und Innovationspolitik regelmäßig eine Technologieabschätzung über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren durchgeführt, die allerdings vor allem auf Anwendungsmöglichkeiten abzielt. Ein umfassenderer Prozess mit dem Ziel, wirtschaftspolitisch relevante Entwicklungen einzelner digitaler Technologien und Anwendungsfelder zu identifizieren und Entwicklungen zu beschreiben, existiert dagegen bislang nicht und stellt eine Neuerung dar.
Konkret werden mittels unterschiedlicher Foresight-Methoden wie Roadmap- und Szenario-Entwicklung zunächst mögliche Entwicklungen in ausgewählten Schlüsseltechnologien über einen Zeithorizont von zehn bis 15 Jahren identifiziert. In einem zweiten Schritt werden Dynamik, Richtung und Konnektivität einzelner technologischer Entwicklungen sowie deren Interaktionen mit wirtschaftlichen Bereichen analysiert und mögliche Zukunftsszenarien entwickelt. Fragestellungen, die in solchen Szenarien adressiert werden können, umfassen zum Beispiel Veränderungen von Produktionsprozessen, Eigentumsrechte an Daten, haftungsrechtliche Aspekte autonomer Systeme oder wettbewerbsrechtliche Fragen digitaler Plattformen und ihre möglichen Folgen für Wachstums-, Produktivitäts- und Einkommensentwicklung, die Unternehmenslandschaft sowie den Strukturwandel. Im Fokus steht dabei vor allem eine Betrachtung qualitativer Entwicklungen, weniger konkrete, quantitative Produktivitätseffekte einzelner Technologien.
Auf Basis der Szenarien sollen dann wirtschaftspolitische Herausforderungen identifiziert und ordnungspolitische Handlungsoptionen abgeleitet werden. Die Ergebnisse der geplanten Vorausschau können somit wichtige Beiträge für langfristige, strategische Überlegungen zu einem Ordnungsrahmen für die digitalisierte Wirtschaft leisten.
Erster Schritt: Identifikation von relevanten Schlüsseltechnologien
Durchgeführt wird der zweijährige Prozess durch das VDI Technologiezentrum in Zusammenarbeit mit DICE Consult sowie Prof. Dr. Christoph Busch von der Universität Osnabrück.
Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 29. Mai im BMWi wurden die während des Projekts zu betrachtenden Schlüsseltechnologien diskutiert und ausgewählt. Acht Technologien wurden als relevante „Schlüsseltechnologien“ identifiziert: Digitale Plattformen, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, Autonome Systeme, Blockchain, Big Data, Quantenrechner und Industrie 4.0. Diese Technologien werden analysiert, in ihren möglichen Wechselwirkungen betrachtet und die daraus folgenden Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft untersucht: Die meisten dieser Technologien sind zwar vielen bereits geläufig, ihr Anwendungspotenzial ist aber noch nicht notwendigerweise ausgeschöpft oder nicht eindeutig absehbar. Interdisziplinäres Expertenwissen ist notwendig, um dieses angemessen und in Gänze zu beurteilen. Dabei wird sowohl auf technische als auch ökonomische und rechtliche Expertise zurückgegriffen. Neben den spezifischen Technologien wird das Projekt zudem allgemeine Perspektiven der Digitalisierung mit berücksichtigen, sodass die Digitalisierung auch ganzheitlich betrachtet wird. Über Zwischenergebnisse des Projektes wird das BMWi regelmäßig berichten.