Das Statistische Bundesamt hat am 25. Februar 2022 detaillierte Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal 2021 veröffentlicht. Demnach nahm das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP mit einer Veränderungsrate von 0,3 % gegenüber dem Vorquartal ab. Nach dem Pandemiewinter 2021 hatte sich das BIP im zweiten (+2,2 %) und dritten (+1,7 %) Quartal 2021 zunächst deutlich erholen können. Dies wurde vor allem durch einen Boom des privaten Konsums nach dem Winter-Lockdown begünstigt. Dieser Trend wurde im vierten Quartal 2021 jedoch abrupt gestoppt, da die Omikron-Welle zu hohen Infektionszahlen und neuen Kontaktbeschränkungen führte. Insbesondere Handel, Gaststätten und körpernahe Dienstleistungen wurden dadurch ausgebremst. Die Industrie konnte ihre Produktion hingegen – nach drei negativen Quartalen infolge – wieder steigern. Dies kann als erstes Anzeichen dafür interpretiert werden, dass sich die seit circa einem Jahr bestehenden Lieferengpässe bei Vorleistungsgütern im Schlussquartal 2021 sukzessive entspannten.

Mit der aktuellen Veröffentlichung wurde das vierte Quartal gegenüber der Schnellmeldung vom 28. Januar (-0,7 %) merklich aufwärtsrevidiert. Die BIP-Entwicklung zum Ende des Jahres 2021 ist auch relevant für das BIP-Wachstum im Jahr 2022, da sie das Ausgangsniveau bestimmt, von dem die deutsche Volkswirtschaft ins neue Jahr startet. In der Jahresprojektion vom 26. Januar 2022 ging die Bundesregierung davon aus, dass das BIP im Jahr 2022 um 3,6 % wächst. Mit der nun erfolgten Aufwärtsrevision der Datenbasis wäre die Einschätzung der Bundesregierung – für sich genommen – gut nach unten abgesichert. Andererseits sorgt Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine für zusätzliche substanzielle konjunkturelle Risiken, deren Auswirkungen zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer abzusehen sind. Am 27. April legt die Bundesregierung mit der Frühjahrsprojektion eine neue Einschätzung zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung vor.

INDUSTRIEPRODUKTION ERHOLT SICH, BRUTTOWERTSCHÖPFUNG IM MINUS

Insgesamt ist die Bruttowertschöpfung im vierten Quartal 2021 gegenüber dem dritten Quartal um 0,9 % zurückgegangen. Es kam dabei zu einer Umkehr des Trends der vorangegangenen Quartale: So konnte die Bruttowertschöpfung in der Industrie nach drei negativen Quartalen in Folge wieder deutlich zulegen (+1,8 %). Auch das Baugewerbe verzeichnete nach einem sehr schlechten dritten Quartal wieder ein Plus (+1,6 %). Dies ist ein erstes Anzeichen dafür, dass sich der Engpass bei Vorleistungsgütern im vierten Vierteljahr allmählich auflöst. Da viele Unternehmen in Umfragen jedoch immer noch von Knappheiten berichten, kann es auch sein, dass Lerneffekte oder die Neuorganisation der Beschaffung die jetzige Ausweitung der Produktion ermöglicht haben – trotz bestehenden Engpässen. Der gewichtige Kfz-Bereich, der besonders unter einer Knappheit bei Halbleitern litt, konnte die Produktionszahlen zum Jahresende hin deutlich ausweiten – wenn auch von niedrigem Niveau aus.


IN KÜRZE:

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im vierten Quartal 2021 leicht um 0,3 %.

Die Bruttowertschöpfung in der Industrie konnte nach drei schwachen Quartalen erstmals wieder zulegen (+1,8 %).

Der Dienstleistungssektor wurde durch die Omikron-Welle erneut zurückgeworfen (-2,1 %).

Da die Dienstleistungsbereiche rund 70 % der Wertschöpfung ausmachen, ergibt sich im Saldo eine leicht negative Veränderungsrate des BIP im vierten Quartal.

Im Gesamtjahr 2021 ist die deutsche Volkswirtschaft um 2,9 % gewachsen.

Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland Bild vergrößern

Die Dienstleistungsbereiche konnten ihr Wachstum aus den Sommerquartalen im vierten Quartal 2021 hingegen nicht fortsetzen. Die Omikron-Welle und die zur Bekämpfung des Virus erlassenen Zugangsbeschränkungen wie zum Beispiel die 2G-Regeln führten zu substanziellen Wertschöpfungseinbußen. Das Gastgewerbe war mit minus 12,5 % naturgemäß besonders betroffen. Auch die sonstigen Dienstleister hatten mit minus 10 % hohe Einbußen zu verzeichnen. Die Wertschöpfung im zusammengefassten Bereich „Handel, Verkehr, Gastgewerbe“ sank indes mit einer Rate von minus 1,6 %.

Wachstum des Bruttoinlandsprodukts Bild vergrößern

PRIVATER KONSUM ZIEHT BIP INS MINUS – ANDERE BEREICHE STÜTZEN

Der Rückgang im vierten Quartal 2021 wurde vor allem durch ein Verwendungsaggregat verursacht: Der private Konsum lag mit minus 1,8 % deutlich im negativen Bereich. Durch weitgehende Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte waren für einen Teil der Bevölkerung viele Konsumausgaben schlichtweg nicht mehr möglich. Der Staat hingegen erhöhte seine Konsumausgaben um 1 %. Ausschlaggebend dürften die Kosten für die Booster-Impfkampagne sowie die Wiedereröffnung vieler Testzentren gewesen sein.

Mit der Industriekonjunktur zogen auch die Investitionen wieder leicht an: Die Investitionen in Ausrüstungen – dahinter stehen vor allem Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – stiegen um 0,9 %. Die Bauinvestitionen stabilisierten sich nach starken Einbußen im dritten Quartal (+0,0 %). Auch der rechnerische Wachstumsbeitrag des Außenhandels fiel mit plus 0,2 Prozentpunkten leicht positiv aus. Die Exporte stiegen um 4,8 %, die Importe um 5,1 %.

BOOM AM ARBEITSMARKT HÄLT AN

Im Durchschnitt waren im vierten Quartal rund 45,4 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigt. Damit stieg die Erwerbstätigkeit saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal kräftig um 311.000 Personen. Gleichzeitig sank die Arbeitslosenquote von 5,5 % auf 5,1 %. Damit hat die Omikron-Welle kaum sichtbare Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Vielmehr sorgte die wieder anziehende Industrieproduktion für eine steigende Erwerbstätigkeit. Auch die Kurzarbeit ging weiter zurück, sie lag im Dezember 2021 bei hochgerechnet 0,6 Millionen Menschen. Das Arbeitsvolumen als Summe der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen, welches die Kurzarbeit berücksichtigt, stieg im dritten Quartal um 3,7 % gegenüber dem Vorjahresquartal. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – nahm gegenüber dem Vorjahresquartal jedoch ab (-1,8 %), da das BIP leicht zurück ging, während das Arbeitsvolumen zunahm.

Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,5 % an. Die Arbeitnehmerentgelte legten dabei deutlich um 4,7 % zu. Die monetären Sozialleistungen sanken aufgrund der niedrigeren Zahl an Kurzarbeitenden um 2,3 % gegenüber dem Vorjahresquartal. Die privaten Konsumausgaben nahmen gegenüber dem Vorjahr um 2,6 % zu. Die saisonal bereinigte Sparquote der privaten Haushalte stieg wegen der Beschränkungen durch die Pandemie auf 12,5 % an. In Hochzeiten der Pandemie war sie auf Rekordwerte von über 20 % geklettert, weil die Möglichkeiten zum Konsum fehlten. Mittlerweile bewegt sich die Sparquote nur noch geringfügig über ihrem langjährigen Durchschnitt.