IN KÜRZE:

DIE EZB PROGNOSTIZIERT 2022 EINE INFLATION VON 5,1 % UND BEABSICHTIGT, IHRE ANLEIHEANKÄUFE NUN SCHNELLER AUSLAUFEN ZU LASSEN ALS BISHER ANGEKÜNDIGT. SIE KÖNNTE DIESE BEREITS IM ZWEITEN QUARTAL EINSTELLEN. DIE LEITZINSEN BLEIBEN VORERST UNVERÄNDERT, KÖNNTEN DANACH ABER ANGEHOBEN WERDEN. DIE EZB BEHÄLT SICH HIER ABER SO VIEL SPIELRAUM („OPTIONALITY“ UND „FLEXIBILITY“) WIE MÖGLICH VOR.

INFLATION IN DER EURO ZONE Bild vergrößern

Die Inflation in der Eurozone zog zuletzt deutlich an. Im März stieg das allgemeine Preisniveau um 7,5 % gegenüber dem Vorjahr. Die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel, stieg um 3 % (Abbildung 1). 1 Die EZB hat im März 2021 quartalsmäßig neue – abermals deutlich höhere – Inflationsprognosen präsentiert (Abbildung 2): Nach 2,6 % für 2021 prognostiziert die Notenbank 5,1 % in diesem Jahr und 2,1 % im nächsten Jahr, aber wieder unter ihrem 2 %-Ziel liegende 1,9 % für das Jahr 2024. Die EZB hat ihre Prognose für die Kerninflation ebenfalls angehoben: Nach 2,6 % in diesem Jahr rechnet die EZB mit 1,8 % im Jahr 2023 und 1,9 % für 2024.

EZB-INFLATIONSPROGNOSE Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Die Anleihekäufe sollen nun schneller auslaufen als bisher angekündigt: Das Notfall-Ankaufprogramm PEPP läuft wie geplant Ende März aus; das reguläre Ankaufprogramm APP wird nun nur im zweiten Quartal – und weniger umfangreich als bislang angekündigt – ausgeweitet und könnte nun bereits im Juni auslaufen. Die EZB behält sich hier aber so viel Spielraum („optionality“ und „flexibility“) wie möglich vor. Die Leitzinsen bleiben vorerst unverändert. Die Bilanz der EZB beträgt derzeit rund 8,7 Billionen Euro. Das ist der höchste Wert seit Gründung der EZB im Jahr 1998 und entspricht rund 70 % des Eurozonen-BIP.

Leitzinsen und Forward Guidance: Die EZB will den Ankauf von Wertpapieren nicht mehr erst „shortly before“ einer etwaigen Zinsanhebung beenden. Stattdessen sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am 10. März 2022, dass die Zinsen, erst einige Zeit nachdem („some time after“) die Ankäufe beendet sind, angehoben werden könnten. Diese vagere Formulierung der Reihenfolge der Straffung („sequencing“) trägt den gestiegenen Aufwärtsrisiken für Inflation und Abwärtsrisiken für das BIP Rechnung. Die EZB will die Zinsen erst anheben, wenn die Inflation (1) schon deutlich vor Ende ihres Projektionszeitraumes (zur Zeit 2024) 2 % erreicht hat, (2) diesen Wert auch nicht mehr unterschreitet und (3) die höhere Inflation sich in den wichtigsten Inflationskomponenten – also vor allem in der Kerninflation – widerspiegelt, wobei ein Überschießen der Inflation übergangsweise möglich sei. Auf Basis der aktuellen EZB-Prognosen sind diese Bedingungen nicht gänzlich erfüllt. Mit der Ratssitzung am 9. Juni 2022 will die EZB wieder neue Prognosen vorlegen. Mit diesen könnten die Bedingungen für Zinsanhebungen erfüllt sein. Die Leitzinsen bleiben also vorerst unverändert und betragen: Haupt-Refi: 0,00 %; Spitzen-Refi: 0,25 %; Einlagefazilität: minus 0,50 %

Pandemic emergency purchase programme (PEPP): Das Notfallankaufprogramm ist wie geplant Ende März ausgelaufen; Reinvestitionen sollen aber bis „mindestens“ Ende 2024 möglich sein. Im März kaufte die EZB im Rahmen des PEPP netto Wertpapiere in Höhe von 30 Milliarden Euro und hält insgesamt 1.718 Milliarden Euro (maximal 1.850 Milliarden Euro). Das entspricht 19 % ihrer Bilanz. 97 % davon sind Staatsanleihen der Eurozonen-Mitgliedstaaten.

Asset purchase programme (APP): Das reguläre Ankaufprogramm wird im zweiten Quartal ausgeweitet, jedoch weniger umfangreich als in den letzten Pressekonferenzen angekündigt: Die Ankäufe sollen von derzeit rund 20 Milliarden Euro pro Monat auf 40 Milliarden Euro im April sowie 30 Milliarden Euro im Mai angehoben werden und im Juni dann wieder bei 20 Milliarden Euro liegen. Zuvor waren Ankäufe von 40 Milliarden Euro für jeden der Monate avisiert. Der Umfang der Ankäufe im dritten Quartal würde nun datenabhängig entschieden. Theoretisch wäre damit ein Ende der Ankäufe bereits im Juli möglich; zuvor wurden Ankäufe in Höhe von 30 Milliarden Euro pro Monat im dritten Quartal avisiert. Das APP ist weniger flexibel als das PEPP, zum Beispiel ist der Ankauf von griechischen Staatsanleihen (GRC) nicht möglich. Im März kaufte die EZB im Rahmen des APP Wertpapiere in Höhe von circa 16 Milliarden Euro und hält insgesamt 3.179 Milliarden Euro (hier hat die EZB kein Maximalvolumen festgelegt); das entspricht 29 % ihrer Bilanz; 80 % davon sind Staatsanleihen der Eurozonen-Mitgliedstaaten.

Targeted longer-term refinancing operations (TLTROs): Die an Banken ausgegebenen vergünstigten Langfrist-Kredite werden seit Dezember nicht mehr vergeben. Jedoch gelten noch bis Juni bestimmte Sonderkonditionen. Die EZB hält im Rahmen der TLTROs 2.198 Milliarden Euro; das entspricht 25 % ihrer Bilanz.

Notfall-Liquidität außerhalb des Eurosystems: Die EZB hat ihre Eurosystem Repo-Fazilität für Zentralbanken (EUREP) bis zum 15. Januar 2023 verlängert. Mit der Maßnahme stellt die EZB Notfall-Liquidität für Notenbanken außerhalb der Eurozone bereit. Diese Praxis wurde angesichts der Pandemie aufgelegt und soll dem Ausverkauf Euro-denominierter Wertpapiere außerhalb der Eurozone vorbeugen. Bisher sollte die Maßnahme Ende Juni auslaufen.

EZB-BILANZ Bild vergrößern

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die Banken der Eurozone halten weiter extrem viel Liquidität. Die Überschussreserven belaufen sich auf derzeit rund 3,7 Billionen Euro und die Überschussliquidität um die 600 Milliarden Euro (Abbildung 4).

LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, bleiben die Zinsen auf dem Niveau des Einlagesatzes der EZB. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von drei Monaten) notierte zuletzt bei etwa minus 0,46 % (Abbildung 5). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit bleibt auf historisch niedrigem Niveau, ist aber zuletzt wieder angestiegen. Der Aufschlag schwankte zuletzt um 0,6 %.

GELDMARKT Bild vergrößern

Die ausstehende Kreditmenge in der Eurozone belief sich im Februar auf 6,4 Billionen Euro (an Haushalte) und 13,6 Billionen Euro an Unternehmen. Das entspricht circa 55 % beziehungsweise 117 % des Eurozonen-BIP. Kredite an Haushalte wuchsen im Februar um 4,4 % und Kredite an Unternehmen um 4,1 % im Vergleich zum Vorjahr (Abbildung 6).

KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Renditen auf Unternehmensanleihen in der Eurozone steigen. Anleihen mit einer BBB-Bewertung und mit einer Laufzeit von zehn Jahren erwirtschaften beispielsweise derzeit eine Rendite von rund 2,3 %, solche mit einem AAA-Rating notieren bei 1,3 %. Die Finanzierungskosten für Haushalte bewegen sich dazwischen, zuletzt bei rund 2,0 % (Abbildung 7).

RENDITEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen ist wieder positiv mit steigendem Trend. Sie bewegte sich um 0,6 % (Abbildung 8). Die Renditen auf Staatsanleihen der übrigen Euroländer steigen ebenfalls. Die höchsten Renditen sind nach wie vor die der griechischen und italienischen Staatsanleihen; sie lagen zuletzt bei rund 2,1 % beziehungsweise 2,7 %.

RENDITEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Der Wert des Euro lag seit Jahresbeginn bei durchschnittlich 1,12 US-Dollar pro Euro, fiel aber zuletzt unter 1,10 US-Dollar pro Euro. Gegenüber dem britischen Pfund notierte der Euro bei durchschnittlich 0,84 Pfund pro Euro, gegenüber dem japanischen Yen bei durchschnittlich 131 Yen pro Euro. Damit ist der Euro gegenüber US-Dollar und Pfund schwächer, gegenüber dem Yen leicht stärker geworden (Abbildung 9).

WECHSELKURSE Bild vergrößern