Inhalte und Ziele

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat einen Gesetzesentwurf zur gezielten Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorgelegt und wird in diesen in Kürze in die Ressortabstimmung geben. Damit setzt das BMWK seine Ankündigung von Juni dieses Jahres um. Ziel der Novelle ist es, den Wettbewerb im Sinne der Verbraucher zu stärken. Dort, wo die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegensteht, etwa weil es nur wenige Anbieter im Markt gibt und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten sind, sollen die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts gestärkt werden.

Bundesminister Habeck hierzu: „Wettbewerb ist unser schlagkräftigstes Instrument zur Senkung der Preise und zur Förderung von Innovation, gerade im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld. Angesichts der aktuell ohnehin steigenden Preise und enormen Gewinne einzelner Unternehmen ist es nicht hinnehmbar, dass es in einigen Bereichen immer noch verkrustete und durch Machtstrukturen geprägte Märkte zum Schaden der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt. Es reicht nicht, dass alle immer nur intensiveren Wettbewerb fordern, sondern wir müssen das Wettbewerbsprinzip auf den Märkten auch aktiv durchsetzen. Daher stärken wir mit der Novelle die Befugnisse des Kartellamts, damit Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Qualität zu besseren Preisen erhalten.“

Der Gesetzentwurf novelliert das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zum elften Mal und weitet die Befugnisse des Bundeskartellamtes zum Schutz der Verbraucher aus. Das „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ sieht erstens ein neues Eingriffsinstrument vor, mit dem das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektoruntersuchung Störungen des Wettbewerbs schnell und effektiv abstellen kann. Zweitens wird die Abschöpfung von Vorteilen aus Kartellrechtsverstößen für die Behörde deutlich erleichtert. Damit soll es eine bessere Handhabe zum Schutz geben, wenn es bei Märkten mit vergleichsweise wenigen Anbietern im Markt immer wieder parallele Preisentwicklungen gibt, ohne dass aber ein Kartell nachweisbar ist. Dieses Phänomen ist an den Zapfsäulen regelmäßig zu beobachten und hier muss ein schnelleres und schärferes Eingreifen des Kartellamts möglich sein.

Die im Entwurf enthaltenen Instrumente sollen eine aktivere Wettbewerbspolitik in Deutschland ermöglichen. Ziel ist die umfassende Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips – vor allem in Märkten mit strukturellen Wettbewerbsstörungen. Ähnliche Instrumente existieren bereits in anderen Staaten. Insbesondere bestehen Parallelen zur Marktuntersuchung der britischen Wettbewerbsbehörde (CMA), die ebenfalls Maßnahmen bis hin zu Entflechtungen bei Störungen des Wettbewerbs vornehmen kann. In Großbritannien hat dieses Marktuntersuchungsinstrument den Wettbewerb in verschiedenen Sektoren erfolgreich belebt (für abgeschlossene Sektoruntersuchungen der CMA mit Abhilfemaßnahmen siehe https://www.gov.uk/cma-cases?outcome_type%5B%5D=markets-phase-2-adverse-effect-on-competition-leading-to-remedies).

Die Stärkung des Wettbewerbs erfolgt auch mit Blick auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld. So kann intensiverer Wettbewerb bei steigender Inflation langfristig zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie zur Reduzierung von Monopol- und Oligopolrenten und Abhängigkeiten beitragen, insbesondere bei Märkten, wo hohe Markteintrittsbarrieren bestehen und neue Anbieter nur schwer in den Markt kommen. Diese Märkte mit „vermachteten“ Strukturen sollen aufgebrochen werden. Denn mehr Wettbewerb sorgt auf allen Märkten für niedrigere Preise und höhere Qualität für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Im Einzelnen

  1. Maßnahmen im Anschluss an eine Sektoruntersuchung
    Das deutsche Kartellrecht kennt bereits das Instrument einer Sektoruntersuchung. Derzeit kann das Bundeskartellamt untersuchen, ob der Wettbewerb in einem Sektor eingeschränkt ist. So führt das Kartellamt aktuell beispielsweise eine Sektoruntersuchung auf den Kraftstoffmärkten durch. Das Problem aktuell ist, dass das Bundeskartellamt – anders als die britische CMA – aufgrund der Sektoruntersuchung keine Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs ergreifen kann.
    Daher soll die Behörde im Anschluss an eine Sektoruntersuchung künftig Eingriffsbefugnisse erhalten, das heißt, das Bundeskartellamt soll konkrete Maßnahmen zur Abstellung festgestellter erheblicher Wettbewerbsstörungen anordnen können. In Zukunft sollen beispielsweise Verpflichtungen zur Etablierung offener Standards, zur Gewährung des Zugangs zu Schnittstellen, zur Einrichtung eines wirksamen Beschwerdemanagements, zur Veränderung der Lieferbeziehungen, zur organisatorischen Trennung von Unternehmensbereichen sowie – als ultima ratio – die Anordnung einer eigentumsrechtlichen Entflechtung möglich sein. So hat beispielsweise die britische CMA im Zuge von Sektoruntersuchungen im Baustoffbereich den Austausch wettbewerbssensibler Informationen unterbunden und – ebenso wie z.B. bei verschiedenen Flughäfen – den Verkauf von Unternehmensteilen angeordnet. Weitere Untersuchungen der CMA zielten z.B. auf den Zugang zu wichtiger Infrastruktur, Kapazitätserweiterungen und Markttransparenz und erfolgten im Verkehrs-, Finanzbereich und dem Lebensmitteleinzelhandel. Derartige Maßnahmen soll nach der Reform des Wettbewerbsrechts auch das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektoruntersuchung ergreifen können, sowohl im Hinblick auf die Marktstruktur als auch das Verhalten einzelner Unternehmen. Darüber hinaus kann das Bundeskartellamt künftig im Anschluss an eine Sektoruntersuchung Unternehmen verpflichten, alle relevanten Zusammenschlüsse auf einem oder mehreren Märkten zur Fusionskontrolle anzumelden und so präventiv einer zu starken Unternehmenskonzentration vorbeugen.
    Für die neuen Befugnisse werden klare Verfahrensdauern festgelegt: für die Sektoruntersuchung und die damit verbundenen Befragungen der Teilnehmer auf den betroffenen Märkten sowie die Datenerhebungen und -analysen sind maximal 18 Monate vorgesehen, die darauf folgende mögliche Phase der Anordnung von Maßnahmen soll ebenfalls maximal 18 Monate dauern.
    Damit kann das Kartellamt künftig Märkte mit „vermachteten“ Strukturen stärker aufbrechen und gegen Störungen des Wettbewerbs besser vorgehen. Nämlich dort, wo es schon seit langem nur wenige Anbieter im Markt gibt und wo schon seit langen kein Wettbewerb mehr herrscht und Verbraucher unter schlechter Qualität und hohen Preisen leiden. Oft braucht es nämlich keine harten Markteingriffe, um erlahmte Wettbewerbskräfte wieder zu entfesseln, sondern schnelles und gezieltes Agieren.
  2. Verbesserung der Vorteilsabschöpfung bei Kartellrechtsverstößen
    Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass Vorteile, die Unternehmen durch Kartellrechtsverstöße erzielt haben, künftig einfacher abgeschöpft werden können. Dieses Instrument besteht auch jetzt schon, wurde aber aufgrund hoher Hürden bislang noch nie genutzt. So müssen die Kartellbehörden derzeit komplexe Berechnungen des wirtschaftlichen Vorteils vornehmen und zusätzlich nachweisen, dass ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Diese Voraussetzungen werden jetzt erleichtert.
    Denn klar ist: Gewinne aus nachgewiesenen Wettbewerbsverstößen dürfen nicht bei den Unternehmen verbleiben. Die Kartellbehörden müssen rechtswidrige Bereicherungen effektiver verhindern können. Daher werden die Anwendungshürden der Vorteilsabschöpfung gesenkt. So gilt künftig die Vermutung, dass ein Unternehmen mit dem nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß einen Vorteil in Höhe von 1% seiner Inlandsumsätze mit dem Produkt oder Dienstleistung erzielt hat, das mit dem Kartellrechtsverstoß in Zusammenhang steht. Außerdem darf es für die Abschöpfung keine Rolle spielen, ob ein Unternehmen schuldhaft gehandelt hat, denn der Vorteil ist durch einen Bruch des Wettbewerbsrechts entstanden, das genügt.
    Die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung ist dabei nicht zu verwechseln und kein Ersatz für die Abschöpfung von krisenbedingten Zufallsgewinnen. Beim Kartellrecht geht es um das Abschöpfen von Vorteilen aus einem nachgewiesenen illegalen Verhalten, bei der Abschöpfung um von Zufallsgewinnen um eine wirtschafts- und finanzpolitisch gebotene Umverteilung von legalen Krisengewinnen. Was den Stromsektor anbetrifft, arbeitet das BMWK gerade an einem Mechanismus zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen, um darüber den Strompreis zu senken.
  3. Durchsetzung des Digital Markets Act
    Darüber hinaus schafft das „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ die rechtlichen Grundlagen dafür, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) unterstützen kann. Ebenso wird die Möglichkeit für die gerichtliche Durchsetzung des DMA in Deutschland eingeführt (sog. private enforcement).

    Das BMWK hat die Grundlagen des „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetzes“ insbesondere mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Wettbewerbsökonomie und Kartellrecht konsultiert und deren Anregungen aufgenommen.

Ausblick: 12. GWB-Novelle

Mit dem „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ (11. GWB-Novelle) setzt das Bundeswirtschaftsministerium weitere Punkte seiner im Februar vorgelegten wettbewerbspolitischen Agenda mit 10 Punkten für nachhaltigen Wettbewerb um. Darin wird die Stärkung fairen und wirksamen Wettbewerbs als zentrales Element einer zeitgemäßen Ordnungspolitik hervorgehoben. Weitere Punkte der 10 Punkte-Agenda, die demnächst umgesetzt werden, sind mehr Rechtssicherheit für Kooperationen von Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit sowie ein stärkerer Verbraucherschutz. So wird das Bundeswirtschaftsministerium entsprechend des Koalitionsvertrages in dieser Legislatur eine weitere GWB-Novelle mit einem Schwerpunkt auf dem Verbraucherschutz vorlegen.