In der heutigen Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) hat Deutschland mit der Mehrheit der Mitgliedstaaten der am 19.02.24 von der belgischen Ratspräsidentschaft im Trilog erzielten, vorläufigen Einigung zum Verordnungsentwurf über einen freiwilligen Zertifizierungsrahmen zur CO2-Entnahme und Carbon Farming zugestimmt. Die Einigung muss nun noch durch das Europäische Parlament formell bestätigt werden.

Staatssekretär Sven Giegold: Die Einigung ist ein wichtiger Erfolg der EU beim Klimaschutz auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Mit diesem Rahmen setzt sich die EU einen hohen und verlässlichen ökologischen Standard für die freiwillige und einheitliche Zertifizierung von CO2- Entnahmen. Die Treibhausgasminderung muss weiterhin Priorität in der Klimaschutzpolitik haben. Parallel ist jedoch ein Hochlauf von CO2- Entnahmetechnologien notwendig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Der EU-Zertifizierungsrahmen zur CO2-Entnahme wird einheitliche und transparente Regeln schaffen, um mit den zertifizierten Aktivitäten Geld zu verdienen. Diese können zu neuen Einkommensquellen für Landwirte und Waldbesitzer werden.

Die Einigung sieht die wirksame Verankerung des sog. Kaskadenprinzips für die Nutzung der Biomasse und robuste Regeln gegen Doppelzählungen („Double Counting“) der Zertifikate vor. Bei der Berechnung der CO2-Bilanz von Biomasse werden die Emissionen des gesamten Lebenszyklus berücksichtigt. Auch die strenge Differenzierung der Zertifikate nach den jeweiligen Verfahren zur CO2-Entnahme im Unionsregister, wiederkehrende Kontrollen und die zwingend nötige Zusätzlichkeit der Aktivitäten stärken die Integrität und Verlässlichkeit des Rahmenwerks. Nur integre Zertifikate können Vertrauen von Investoren schaffen. Hierfür hatte sich Deutschland bis zum Schluss in den Verhandlungen stark gemacht.

Die zertifizierbaren Aktivitäten sind:

  • Permanente CO2-Entnahmen, z.B. aus Kohlenstoffspeicherung nach der Verbrennung von Biomasse (BECCS) oder CO2-Abscheidung aus der Luft (DACCS) die mehrere Jahrhunderte überdauern;
  • Die temporäre stoffliche CO2-Bindung, z.B. in langlebigen Produkten, diese muss nachweislich für mindestens 35 Jahre anhalten.
  • CO2-Entnahmen und Minderungen von Emissionen aus Böden („soil emission reductions“) insb. Wiedervernässung entwässerter Moorböden) im Bereich Carbon Farming, sie müssen für mindestens fünf Jahre gebunden sein.

Wie bei jedem Kompromiss mussten aus deutscher Sicht auch Zugeständnisse gemacht werden. Zwar konnte die sofortige Erweiterung des Anwendungsbereichs für Emissionsminderungen im Bereich Tierhaltung verhindert werden, aber es wird eine vorgezogene Überprüfung der EU Kommission im Jahr 2026 geben, ob und inwieweit der Anwendungsbereich entsprechend geöffnet wird. Schon von Beginn an waren neben den CO2-Entnahmetechnologien auch einzelne Minderungsaktivitäten umfasst, wenn auch mit vergleichsweise hohem THG-Minderungspotenzial (sog. „Soil Emission Reductions“).

Der geplante Zertifizierungsrahmen bezieht sich nicht auf CCS-Anlagen, die schwer vermeidbare fossile Emissionen bspw. aus industriellen Prozessen abscheiden sollen. Dabei handelt es sich nicht um eine CO2-Entnahme, sondern um Treibhausgasminderungstechnologien.

Nach Abschluss des Rechtssetzungsverfahrens (Zustimmung des EU Parlaments, Veröffentlichung Rechtstext) wird insbesondere die EU Kommission gefordert sein, für die verschiedenen Aktivitätstypen Zertifizierungsmethoden und insbesondere Monitoring, Reporting und Verification (MRV)-Vorschriften auszuarbeiten sowie das zentrale Unionsregister für CO2-Entnahme und das so genannte Carbon Farming aufzubauen. Eine Expertengruppe, in der auch die Mitgliedstaaten vertreten sind, wird sie darin unterstützen und beraten.