Der Leichtbau ist ein maßgeblicher Innovationstreiber in vielen Hochtechnologiebranchen. Nicht umsonst wurde die Technologie in der Nationalen Industriestrategie 2030 als „Game Changer“ bezeichnet. Auf dem 1. Lightweighting Summit auf der HANNOVER MESSE wurden jüngst die Chancen und Herausforderungen dieser Schlüsseltechnologie diskutiert. Das Ergebnis: Der Leichtbau ist wichtiger denn je!

Bundesminister Peter Altmaier

Bundesminister Peter Altmaier

© BMWi/Bildkraftwerk

Leichtbau als „Game Changer“

„Der Leichtbau gehört zu den Game-Changer-Technologien des 21. Jahrhunderts.“ Mit diesen Worten eröffnete Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den ersten Leichtbaugipfel auf der diesjährigen HANNOVER MESSE.

Vor rund 370 Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutierten hochrangige Leichtbau-Expertinnen und -Experten aus Wirtschaft, Politik und Forschung über Chancen und Herausforderungen dieses Industriezweigs. 

Gerade in Zeiten der zunehmenden Elektrifizierung der Mobilität ist der Leichtbau wichtiger denn je, denn durch ein geringeres Gewicht von Transportfahrzeugen können größere Reichweiten generiert werden. Gerade weil die Batterien für die E-Mobilität noch sehr schwer sind, kommt Gewichtseinsparungen eine große Bedeutung zu.

Neben Mobilitätsfragen stand die Bedeutung des Leichtbaus für die Klima- und Energiepolitik im Fokus der Veranstaltung. „Leichtbau ist ein starker Innovationstreiber, der zur Steigerung von Ressourcen- und Energieeffizienz beitragen kann“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. „Das ist gleichermaßen wichtig für Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Damit kommt der Zukunftstechnologie Leichtbau eine wichtige Rolle zur Bewältigung globaler Herausforderungen zu.“

Auch vor dem Hintergrund einer weiter steigenden Weltbevölkerung und der damit einhergehenden ansteigenden Nachfrage nach Ressourcen und Rohstoffen gewinnt der Leichtbau an Bedeutung. So rechnet die OECD mit einer Verdoppelung der weltweiten Rohstoffinanspruchnahme von heute rund 85 Milliarden Tonnen auf 170 Milliarden Tonnen im Jahr 2060. Durch eine Gewichtsreduzierung und Funktionsintegration kann der Leichtbau signifikant dazu beitragen, Ressourcen, Rohstoffe und Energie einzusparen sowie Emissionen zu reduzieren. 

Wegen seiner hohen Bedeutung wurde der Leichtbau im Rahmen der Industriestrategie 2030 als „Game-Changer-Technologie“ bezeichnet. Zentrales Ziel der Strategie ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in ihrer gesamten Breite in Deutschland und Europa nachhaltig zu stärken und die technologische Führungsposition Deutschlands und der EU zu sichern und auszubauen. Dem Leichtbau wird hier ein langfristiges innovatorisches Potenzial zur Stärkung und nachhaltigen Modernisierung des Industriestandortes zugetraut.

Das Leichtbauprinzip

Der Leichtbau beruht auf einem einfachen Prinzip: Weniger Material – weniger Gewicht – weniger Energie – weniger Emissionen! Die Funktionalität soll dabei beibehalten oder sogar verbessert werden. Eine Gewichtsreduzierung kann entweder durch klassische Materialeinsparungsmaßnahmen und Materialsubstitute oder – im Rahmen des Konzept-Leichtbaus – insbesondere durch eine zunehmende Funktionsintegration von Bauteilen und Systemelementen erreicht werden. 

Auch die Verwendung bionischer Strukturen trägt zur Gewichtsreduktion bei. Egal ob Bienenwabe, Riesenseerose oder Kieselalge, bei solchen Vorbildern aus der Natur haben sich über Jahrmillionen besonders leichte und zugleich stabile Strukturen herauskristallisiert – sozusagen „proved by nature“. Diese bionischen Strukturen bieten vielfältige industrielle Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel in Flugzeugen, Autos und Fahrrädern. Gerade die Beispiele aus der Natur zeigen: Der Leichtbau ist ein vielfältiges Konzept, das sich verschiedener Technologien, Materialien und Fertigungsverfahren bedient. Die Digitalisierung macht es dabei möglich, zusätzliche Potenziale des Leichtbaus zu erschließen. 

Der Multimaterial-Leichtbau schafft ebenfalls neue Möglichkeiten, um komplexe und neuartige Leichtbauteile aus unterschiedlichen Werkstoffen herzustellen und durch Sensorik und Adaptronik mit innovativen Funktionen auszustatten. Dabei werden etwa technische Textilien und neue Werkstoffe eingebunden oder das Zusammenspiel von additiver Fertigung und Digitalisierung genutzt. Zum Beispiel können zusätzliche Funktionen in bereits vorhandene Bauteile integriert und damit an anderer Stelle eingespart werden. So besteht unter anderem die Möglichkeit, durch additive Verfahren Kühlstrukturen in einem Bauteil, zum Beispiel in Turbinenkomponenten, zu erzeugen, statt von außen anzubringen. 

Sensorik wird im Leichtbau bereits intensiv genutzt. Dehnungssensoren in Rotorblättern dienen beispielsweise der Zustandsüberwachung von Windenergieanlagen (sogenanntes Structural Health Monitoring). Mögliche Schäden können so vorausgesagt und frühzeitig Risiken beseitigt werden. Damit entfallen Aufwendungen für das Material und die Montage.

Der Leichtbau selbst wird vor allem durch Hochtechnologiebranchen vorangetrieben, darunter die Luft- und Raumfahrt und die Automobilindustrie. Aber auch die Bau-, Freizeit- und Sportindustrie, die maritime Wirtschaft und die Medizintechnik setzen verstärkt auf leichte und stabile Lösungen. Der Leichtbau birgt insgesamt ein enormes ökonomisches Potenzial: Der mögliche Jahresumsatz bis 2030 wird auf über 300 Milliarden Euro geschätzt.

Die Initiative Leichtbau des BMWi

Das Bundeswirtschaftsministerium hat frühzeitig die Innovationskraft des Leichtbaus erkannt und vor etwas mehr als zwei Jahren die Initiative Leichtbau etabliert. Zentrales Ziel ist die bessere Vernetzung zwischen den Stakeholdern.

Eine Geschäftsstelle Leichtbau agiert als nationaler und internationaler Netzwerkknotenpunkt. Sie unterstützt das Bundesministerium bei der Flankierung des branchenübergreifenden Technologietransfers. Ziele sind unter anderem eine breitere industrielle Anwendung des Leichtbaus und seine Großserientauglichkeit. Die Geschäftsstelle koordiniert und moderiert als neutraler Intermediär zwischen Akteuren aus der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, sowie Wissenschaft und Politik.

Sie richtet halbjährlich das Forum Leichtbau im Bundeswirtschaftsministerium aus, bei dem aktuelle Fragestellungen diskutiert werden. Die Veranstaltung 2018 beschäftigte sich mit dem Thema „Recycling und Ressourceneffizienz“. Zahlreiche Ansätze zum Umgang mit verschiedenen Werkstoffen wurden präsentiert, darunter innovative Verfahren und Methoden des ökoeffizienten Leichtbaus. Das nächste und damit siebte Forum findet am 5. September 2019 im BMWi statt.

Die Initiative Leichtbau wird flankiert von einem Strategiekreis der Leichtbauorganisationen der Bundesländer sowie einem Beirat der unterschiedlichen Werkstoffvertreter. Die Gremien tagen zweimal jährlich und berichten über die Leichtbau-Aktivitäten in den Ländern und Verbänden. Sie nehmen eine beratende Funktion ein und diskutieren Vorhaben der Geschäftsstelle Leichtbau und des Bundeswirtschaftsministeriums. Zugleich bilden die Gremien eine Plattform zur technologieneutralen und branchenübergreifenden Vernetzung.

Aus beiden Gremien heraus hat sich eine Task Force „Strategie“ gebildet, die einen strukturierten Strategieprozess für die Schlüsseltechnologie Leichtbau am Industriestandort Deutschland unterstützt. Dieser Strategieprozess soll mittelfristig eine Leichtbaustrategie entwickeln. Den Auftakt für einen gemeinsamen Prozess mit einer Vielzahl von Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft macht im Sommer ein erster Workshop. In diesem Zusammenhang soll auch die Förderung des Technologietransfers im Leichtbau strategisch neu aufgestellt werden.

Den letzten Baustein der Initiative Leichtbau bildet der digitale „Leichtbauatlas“. Auf der interaktiven Internetseite www.leichtbauatlas.de präsentieren und vernetzen sich über 560 Leichtbau-Akteure. Im Zuge einer zunehmenden Internationalisierung haben sich mit steigender Nachfrage mittlerweile auch Akteure aus den europäischen Nachbarländern registriert.

Fokus Technologietransfer

Der Koalitionsvertrag fordert den Ausbau und die Förderung des Leichtbaus mit dem Ziel einer breiten industriellen Anwendung. Zudem sollen branchenübergreifende Kooperationen geprüft werden. Das Bundeswirtschaftsministerium hat daher unter Beteiligung der Stakeholder ein Technologietransfer-Programm Leichtbau konzipiert, das den branchen- und materialübergreifenden Technologie- und Wissenstransfer fördern soll. 

Gefördert werden sollen ambitionierte Technologietransfer-Projekte, die bereits eine hohe Nähe zum Markt aufweisen. Denkbar sind hier etwa Projekte, die bereits im Labor funktionieren, nicht aber in größerem Industriemaßstab. Weitere wichtige Bereiche können Aus- und Weiterbildung, Normierung, Standardisierung und Patente sein. Potenzielle Antragsteller sind Großunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen, OEMs sowie Forschungseinrichtungen. Idealerweise sollten die zu fördernden Projekte in langfristigen, branchen- und materialübergreifenden Kooperationen verschiedener Stakeholder münden. Die Projektförderung soll im 1. Quartal 2020 beginnen.

Das Programm versteht sich als passgenaue Ergänzung der Initiative Leichtbau und soll die Rahmenbedingungen schaffen, um die Technologie in eine breite industrielle Anwendung zu überführen. Das übergeordnete Ziel ist es, den Industriestandort Deutschland zum Leitmarkt für Leichtbau zu machen.

Ausblick

Die Schlüssel- und Querschnittstechnologie Leichtbau bleibt ein Innovationstreiber in nahezu allen Branchen. Insbesondere in den energie- und emissionsintensiven Bereichen kann der Leichtbau einen großen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Zudem muss der Leichtbau bei der Weiterentwicklung der E-Mobilität zwingend mitgedacht werden.

Die große Bedeutung des Themas für Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit und Umwelt haben auch die Länder erkannt und den Leichtbau zum Schwerpunktthema der diesjährigen Wirtschaftsministerkonferenz erklärt. Dort werden auch Fragen der Rohstoffsicherung und additiven Fertigung eine wichtige Rolle spielen.

Nach dem großen Erfolg des 1. Lightweighting Summit auf der HANNOVER MESSE in diesem Jahr wird derzeit geprüft, das Veranstaltungsformat auch im nächsten Jahr fortzuführen. Hierbei ist auch eine noch internationalere Ausrichtung denkbar.

Für die Weiterentwicklung ist ein gemeinsames Agieren der europäischen Akteure notwendig. Das Bundeswirtschaftsministerium versucht daher, die Internationalisierung des Leichtbaus voranzubringen und das Thema in den EU-Mitgliedstaaten zu platzieren. Auf diese Weise wird der Leichtbau auch in Zukunft als eine Grundlage für Innovationen und Wertschöpfung in Deutschland und Europa weiterentwickelt.

Kontakt:
Werner Loscheider, Dr. Marius Leber, Jessica Baschin
Referat: Bauwirtschaft, Leichtbau/Neue Werkstoffe, Ressourceneffizienz