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Technologien aus der Raumfahrt können entscheidend dazu beitragen, den European Green Deal zu erfüllen.
Am 11. Dezember 2019 stellte die Europäische Kommission den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union den europäischen Grünen Deal (European Green Deal) vor mit dem Ziel, die Herausforderungen des Klimawandels zu adressieren und Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Bis 2050 sollen in der EU netto alle Treibhausgasemissionen durch Reduktionsmaßnahmen und natürliche Absenkungen vollständig ausgeglichen werden. Bereits bis zum Jahr 2030 sollen sie um mindestens 50 % gegenüber 1990 reduziert werden.
Mit dem Green Deal entwirft die Kommission eine Strategie zu einer nachhaltigen Umgestaltung der EU-Wirtschaft. Um die ambitionierten Klimaschutzziele zu verwirklichen, setzt der Green Deal neben signifikanten Investitionen auf eine Reihe von Maßnahmen. Diese zielen unter anderem auf eine saubere und sichere Energieversorgung, auf die Entwicklung eines fairen und umweltfreundlichen Lebensmittelsystems und auf den Erhalt von Ökosystemen und Biodiversität. Der Green Deal soll damit zur Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) beitragen.
In Kürze:
Nachhaltig: Der Grüne Deal soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen.
Raumfahrt ist bereits wichtig in der Klimaforschung
Raumfahrtbasierte Technologien spielen bereits heute eine wichtige Rolle in der Klimaforschung, insbesondere für Beobachtung und Frühwarnung. So können die durch Raumfahrt erlangten Informationen dabei helfen, das Ausmaß des Klimawandels zu bewerten, die Entwicklung geeigneter Anpassungsstrategien zu unterstützen und zur Evaluation von deren Effektivität beitragen. Beispielsweise ermöglichen Satelliten als Teil des globalen Netzwerks von Messsystemen umfassende globale Beobachtungen des Klimasystems – das betrifft Auswirkungen von Entwaldungsprozessen und anderen Änderungen der Landnutzung, industrielle Emissionen, Veränderungen des Eises an den Polkappen und bei Gletschern, Anstiege des Meeresspiegels, Temperaturveränderungen sowie weitere Klimavariablen. Die Raumfahrtdaten, -dienste und -anwendungen sind darüber hinaus von entscheidender Bedeutung für die kontinuierliche und langfristige Beobachtung der Auswirkungen der Sonne auf das Klima der Erde und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur.
Nationale Programme ...
Die Bewältigung der Folgen des Klimawandels und die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sind vordringliche Aufgabe für die gesamte Menschheit. Die Bundesregierung setzt sich daher in Übereinstimmung mit der deutschen Raumfahrtstrategie dafür ein, den Beitrag der Raumfahrt auf diesen Feldern zu stärken. Diese kann die Effektivität klimapolitischer Maßnahmen durch innovative Technologien insbesondere für Erdbeobachtung und Kommunikation erhöhen.
Bei der Entwicklung von maßgeschneiderten Raumfahrtanwendungen kommt der Wirtschaft als Treiber für innovative Lösung eine wichtige Rolle zu. Mit dem nationalen Programm für Raumfahrt und Innovation des BMWi, das durch das Raumfahrtmanagement des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. umgesetzt wird, unterstützt die Bundesregierung die Technologie- und Anwendungsentwicklung. So steht Deutschland zum Beispiel im Bereich des Satellitenbaus heute weltweit mit an der Spitze und liefert in der Datenauswertung herausragende Erkenntnisse. Dies verdeutlichen folgende Beispiele.
Die deutsche Mission EnMAP liefert ab 2021 hochauflösende Aufnahmen der Erdoberfläche in über 200 Farbkanälen. Damit werden quantitative Aussagen über die Qualität des Pflanzenzustands beispielsweise in der Landwirtschaft (und damit die Notwendigkeit zusätzlicher Dünge- oder Bewässerungsmaßnahmen) sowie zur Qualität von Binnen- und Küstengewässern oder zur Bodenbeschaffenheit möglich.
Die deutschen Radarmissionen TerraSAR-X und TanDEM-X ermöglichen schnelle Datenaufnahmen in Katastrophenfällen sowie die genauere Beobachtung von Gletschern und Eiskappen. Der effektive Einsatz von TerraSAR-X zur maritimen Überwachung unterstützt aktiv eine effiziente und sichere Schifffahrt. Das detaillierte und hochgenaue globale Höhenmodell der TanDEM-X Mission ist eine unerlässliche Grundlage vielzähliger wissenschaftlicher Untersuchungen zu Auswirkungen von Klimaveränderungen weltweit. Ebenso liefern beide Missionen wichtige Daten zum Zustand des Ökosystems Wald.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wird derzeit das Erdbeobachtungsinstrument METimage entwickelt. Dieses soll wichtige Daten für die Meteorologie, Ozeanografie und Klimaüberwachung liefern, zum Beispiel zum Zustand von Wolken, zur Schnee- und Eisverteilung auf Land und Meeren, zur Feuer-Detektion und zur Temperatur der Meeresoberflächen.
Auf bilateraler Ebene arbeitet Deutschland gemeinsam mit Frankreich daran, die operativen Kapazitäten für das Klima-Monitoring zu stärken. Die deutsch-französische Klimamission MERLIN (Methane Remote Sensing Lidar Mission) zielt darauf ab, die Entstehung und Verbreitung des Treibhausgases Methan weltweit satellitengestützt zu überwachen und damit den internationalen Klimaschutz zu unterstützen.
Der Transfer von Entwicklungen und Daten der Raumfahrt in andere Branchen wird in der Initiative INNOspace® gefördert. In den Netzwerken Space2Motion und Space2Agriculture werden dazu Akteure aus der Raumfahrt mit solchen aus der Automobilindustrie oder der Landwirtschaft zusammengebracht, um Technologie- und Wissenstransfer zu ermöglichen. Der Ideenwettbewerb INNOspace Masters 2020/21 sucht als neuer Baustein in der deutschen Raumfahrtlandschaft in fünf Challenges nach branchenübergreifenden Innovationsprojekten, um die Raumfahrt selbst nachhaltiger zu gestalten. Ideen hierzu umfassen unter anderem klimafreundliche Treibstoffe, und Technologien, die unter Einsatz der Raumfahrt nachhaltige Konzepte auf der Erde ermöglichen.
In Kürze:
Genaue Beobachtung von Wolken, Meerestemperatur, Eisverteilung: Moderne Satellitentechnik macht‘s möglich.
… und europäische Programme
Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland an der Finanzierung vieler Programme in der Europäischen Weltraumorganisation (European Space Agency, ESA). Diese tragen unter anderem zur Instrumentenentwicklung, Datenerhebung und Überwachung von Klimavariablen und der Nutzung dieser Informationen (auch in kommerziellen Anwendungen) bei. Deutschland begleitet die ESA-Programme als Programmführer oder Teilnehmer:
Im Rahmen des Copernicus-Programms der EU werden Informationen zur Verschmutzung der Ozeane sowie Erkenntnisse zu Entwaldung und Aufforstung gesammelt. Damit wird es möglich, die Einhaltung internationaler Verträge zu überprüfen sowie die Beiträge einzelner EU-Mitgliedstaaten zu erfassen. Konkret für die Überwachung der Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen werden zusätzliche Copernicus-Missionen entwickelt: Dabei geht es um die Erfassung von Treibhausgasemissionen, die Vermessung der Änderungen in den Polargebieten und die Unterstützung landwirtschaftlicher Anwendungen.
Daneben beteiligt sich Deutschland an einem Wettersatelliten zur Verbesserung kurz- und mittelfristiger Wettervorhersage vor allem in den vom Klimawandel betroffenen polaren Regionen.
Das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo hat das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zum Green Deal zu liefern: Moderne satellitengestützte Logistik kann prinzipiell dazu beitragen, Verkehrsströme und Logistikketten zu Land, zu Wasser und in der Luft besser zu steuern. Dadurch werden unnötige Transportkilometer gespart, Staus vermieden und der Einsatz von Fahrzeugen aller Art optimiert. Die Auslastung wird erhöht und der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor reduziert.
In Kürze:
ESA-Programme tragen zur Daten-erhebung und Überwachung von Klimavariablen bei.
Verankerung in internationalen Prozessen
Darüber hinaus engagiert sich Deutschland in verschiedenen weiteren Formaten auf internationaler Ebene. Im Rahmen der Vereinten Nationen zielen der UNISPACE+50-Prozess und die zur Zeit verhandelte Space 2030-Agenda darauf ab, die Raumfahrt zur Lösung globaler Herausforderung zu stärken. Im Fokus stehen hierbei drei Großagenden der Vereinten Nationen (VN): Das Pariser Klimaabkommen, das Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenmanagement und die VN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Hervorzuheben ist in diesem Kontext das High-Level Forum, das 2018 von Deutschland gemeinsam mit den Vereinten Nationen in Bonn ausgerichtet wurde. Das Forum setzt die Beschlüsse von UNISPACE+50 um und ermöglicht einen konstruktiven Dialog zwischen Bedarfsträgern, politischen Entscheidungsträgern und Interessenvertretern aus Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Erste Empfehlungen für die Space 2030-Agenda wurden formuliert. So sollen satellitengestützte Anwendungen Beiträge zur globalen Ernährungssicherheit und der Verbesserungen der Lebensbedingungen, der Bewältigung des Klimawandels, zum Katastrophenmanagement und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen liefern.
Auf Ebene der Raumfahrtagenturen trägt das DLR Raumfahrtmanagement im Zusammenspiel mit Partneragenturen zu einem effektiven Klima-Monitoring bei. Mit der japanischen Raumfahrt-agentur JAXA und anderen japanischen Partnerinstitutionen arbeitet das DLR Raumfahrt-management an einem satellitengestützten Monitoring von Treibhausgasen, auch im Zusammenspiel mit bodengestützten und Flugzeuggetragenen Systemen. Die Ergebnisse sollen in künftige Berichte des Weltklimarats IPCC zu Änderungen der Treibhausgasemissionen einfließen. Insbesondere in Regionen ohne direkte Kenntnisse aus Messstationen (etwa in Entwicklungsländern) ist dies das Mittel der Wahl, um Treibhausgasemissionen zu bestimmen und den „Global Stocktake“, das heißt die gemeinsame Bestandsaufnahme der Fortschritte, in Zukunft durchzuführen.
Durch Raumfahrtanwendungen ist der Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre und dessen Veränderung quantifizierbar, Quellen und Absenkungen können global identifiziert und beobachtet werden. Das kontinuierliche Monitoring ermöglicht ein besseres Verständnis derartiger Prozesse auf unserer Erde auch über längere Zeiträume hinweg. Diese Erkenntnisse werden durch den „Weltklimarat“ IPCC zusammengefasst und der Politik zur Verfügung gestellt. Auch wird es erst durch die Erdbeobachtung aus dem All möglich, zu überwachen, ob die Länder der Erde die vereinbarten Klimamaßnahmen wirklich umsetzen oder hinter den gesteckten Zielen zurückbleiben.
Fazit
Die im europäischen Green Deal definierten Ziele stellen eine große Herausforderung für Politik, Industrie und Gesellschaft dar, deren Bewältigung das Zusammenwirken unterschiedlichster Bereiche erfordert. Ausgehend von den einzigartigen Möglichkeiten der Raumfahrt kann diese ein unverzichtbares Instrument zur Bewältigung globaler Herausforderungen sein. Deutschland setzt sich auf verschiedenen Ebenen dafür ein, das Potenzial der Raumfahrt umfassend zu nutzen. Auch die europäische Politik sollte im Hinblick auf den Green Deal verstärkt auf die Raumfahrt zur Umsetzung ihrer Politiken zurückgreifen. Deshalb sollten Wirtschaft und Gesellschaft weiter für die Relevanz der Raumfahrt sensibilisiert werden und gemeinsam ihr Potenzial zur Bearbeitung unserer Zukunftsfragen entfalten.