3 Fragen an

Prof. Dr. Steffen Müller leitet die Insolvenzforschung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)

Warum waren die Insolvenzzahlen bisher so niedrig?
Dies kann in erster Linie durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen und abwartendes Verhalten bei den Unternehmen erklärt werden. Die Krise traf die meisten Unternehmen am Ende einer langanhaltenden wirtschaftlichen Boomphase, und viele konnten über einen langen Zeitraum Reserven aufbauen. In der Hoffnung auf einen baldigen Nach-Corona-Boom haben sich offenbar viele Unternehmen entschieden, durchzuhalten und vorübergehende Verluste hinzunehmen.

Sollte die Antragspflicht wieder ausgesetzt werden?

Die zeitlich begrenzte generelle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, im Wesentlichen von Ende März bis Ende September 2020, war kurzfristig wichtig für die Stabilisierung der Wirtschaft. Sie scheint auch nicht zu einem massiven Aufstauen der Insolvenzen geführt zu haben. Eine längerfristige erneute Aussetzung wäre jedoch Gift für die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft und den Aufschwung nach der Pandemie.

Wann kommt die große Insolvenzwelle – wenn überhaupt?

Einen Dammbruch im Sommer, bei dem innerhalb kurzer Zeit viele zehntausend oder gar hunderttausend Jobs durch Insolvenzen gefährdet sind, halte ich für unwahrscheinlich. Zum einen läuft das ausgeweitete Kurzarbeitergeld noch bis Ende 2021, zum anderen dürfte aufgrund der Impfungen und hoher Ersparnisse bei den Konsumenten das Jahr 2021 ein wirtschaftlich gutes Jahr mit Nachholeffekten für die meisten Branchen werden.