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Zur Bewältigung der Corona-Pandemie ­einigten sich die EU und ihre Mitglied­staaten im Juli und Dezember letzten Jahres nicht nur auf einen neuen EU-Haushalt, den ­mehr­jährigen Finanzrahmen 2021 – 2027, sondern auch auf ein neues, befristetes Instrument zur Krisenbewältigung und zum Wiederaufbau: NextGenerationEU (NGEU) verteilt 807 Mrd. Euro über verschiedene EU-Fonds. Dieser Betrag entspricht dem in der Presse bekannteren und oft genannten Betrag von 750 Mrd. Euro, der in Preisen des Jahres 2018 ausgewiesen ist. Der Löwenanteil von 724 Mrd. Euro (672,5 Mrd. in Preisen von 2018) geht dabei in die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) – das Herzstück von NGEU. Davon sind 338 Mrd. Euro Zuschüsse (312,5 Mrd. Euro in Preisen von 2018) und bis zu 386 Mrd. Euro Kredite (360 Mrd. Euro in Preisen von 2018). Zentrales Ziel der Fazilität ist, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise abzumildern, die Wachstumspotenziale und Widerstandsfähigkeit der Mitgliedstaaten nachhaltig zu stärken sowie die grüne und digitale Transformation voranzubringen. Deutschland erhält aus der Fazilität rund 25,6 Mrd. Euro, welche die Bundesregierung im Rahmen des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP) eingeplant hat und bis 2026 ausgeben wird.

Planung unter Hochdruck

Damit die Mittel der Aufbau- und Resilienzfazilität zur wirtschaftlichen Erholung beitragen, müssen sie rasch in Projekte übersetzt werden und abfließen. Noch im Sommer 2020 hat die Bundesregierung daher begonnen, den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan zu entwickeln. Der Koalitionsausschuss vom 25. August 2020 gab das Gerüst des Plans vor, angelehnt an das deutsche Konjunktur- und Zukunftspaket vom Juni 2020. Schon früh war damit klar, dass ein wesentlicher Teil der Projekte aus dem BMWi stammen würde. Unter Hochdruck identifizierten und entwickelten die Ressorts unter Federführung des Bundeskanzleramtes und des Bundesfinanzministeriums dann Maßnahmen, um sie zu kohärenten Paketen aus Investitionen und Reformen zu bündeln. Parallel dazu liefen die Verhandlungen zur Aufbau- und Resilienz-Verordnung, die am 12. Februar 2021 abgeschlossen wurden.

Die Aufbau- und Resilienzfazilität ist dabei keine Budgethilfe. Sie fördert ausschließlich kohärente Pakete aus Investitionsprojekten und Reformen nach strengen Kriterien im Sinne der Ziele der Fazilität. Diese konkrete Mittelbindung war neben dem temporären Charakter eine wichtige Bedingung für die Zustimmung Deutschlands. Darüber hinaus sollte auch die institutionelle Steuerung der Aufbau- und Resilienzfazilität auf EU-Ebene weniger engmaschig sein als z. B. bei den EU-Strukturfonds, damit der Vorbereitungsprozess schnell abgeschlossen werden konnte. Im Ergebnis finanzieren Deutschland sowie die meisten Mitgliedstaaten mit den Mitteln der Fazilität vor allem Maßnahmen aus ihren nationalen Konjunkturpaketen aus dem zweiten Halbjahr 2020, die sie an die Bedingungen der Aufbau- und Resilienzfazilität anpassen.

807 Mrd. Euro verteilt NextGenerationEU (NGEU) über verschiedene EU-Fonds.
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Aufbau- und Resilienzpläne in anderen Mitgliedstaaten

Deutschland erhält rund 8 % der Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität; eine Kreditaufnahme im Rahmen der Fazilität ist nicht vorgesehen. Die größten Anteile gehen an Spanien (etwa 69,5 Mrd. Euro bzw. 21 %), Italien (etwa 68,9 Mrd. Euro bzw. 20 %) und Frankreich (etwa 39,4 Mrd. Euro bzw. 12 %) – dahinter folgen Deutschland und Polen, das 7 % der Mittel erhält. Gerade für kleinere Mitgliedstaaten sind die Mittel aus der Fazilität zum Teil sehr bedeutend. So machen die Zuschüsse in Kroatien mit rund 6,3 Mrd. Euro einen Anteil von etwa 13 % des dortigen BIP aus (Referenzjahr 2020), in Griechenland sind es mit rund 17,8 Mrd. Euro etwa 11 %. Die Aufbau- und Resilienzpläne tragen daher in diesen, zumeist süd- und osteuropäischen Mitgliedstaaten einen wesentlichen Teil der mittelfristigen Reaktion auf die Corona-Pandemie, während in vielen nordeuropäischen Mitgliedstaaten der Anteil an EU-Mitteln geringer ist. Bei vielen der erstgenannten Mitgliedstaaten ist auch eine Kreditaufnahme im Rahmen ihrer Aufbau- und Resilienzpläne geplant.
Regelfrist zur Abgabe der Aufbau- und Resilienzpläne war der 30. April 2021. Portugal, das aktuell die Ratspräsidentschaft innehat, hat seinen Plan als erster Mitgliedstaat am 22. April 2021 eingereicht; viele andere Mitgliedstaaten folgten umgehend und reichten ihre Pläne ebenfalls fristgerecht ein. Noch ausstehende Pläne erwartet die Kommission bis Ende Mai.
www.bmwi.de/europaeische-finanzhilfen-fuer-den-weg-aus-der-krise

Strenge Maßstäbe der Europäischen Kommission

Die Anforderungen an die Projekte sind umfangreich und herausfordernd: Unter anderem müssen mindestens 37 % der Mittel in die grüne und mindestens 20 % in die digitale Transformation fließen. Die länderspezifischen Empfehlungen der letzten beiden Jahre müssen ebenfalls adressiert werden. Damit sollen Reformen auf den Weg gebracht werden, die notwendig sind, um die Volkswirtschaften der EU leistungsfähiger und widerstandsfähiger zu machen.

Anschub für Reformen in EU-Ländern, um wirtschaftlich zukunftsfest und stärker zu werden.

Auf dieser Grundlage hatte die Bundesregierung am 16. Dezember 2020 einen ersten Entwurf des Aufbau- und Resilienzplans im Kabinett verabschiedet und ihn seither in intensiven, informellen Verhandlungen mit der Kommission konkretisiert: Detaillierte Kostenpläne mussten ausgearbeitet, Maßnahmen klima- und digital­politisch durchleuchtet und quotiert, Meilensteine und Ziele gesetzt werden. Gerade um letztere wurde hart gerungen, denn Geld fließt aus Brüssel nur, wenn diese Meilensteine und Ziele erfüllt werden. Auch war darzulegen, dass die Maßnahmen die Umweltziele der EU nicht beeinträchtigen (Prinzip des „Do No Significant Harm“). Beihilferechtliche Fragen zumindest sind gesondert in einem Notifikationsverfahren zu klären.

Ergebnis der Verhandlungen ist der Entwurf des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans, den das Bundeskabinett am 27. April 2021 angenommen hat. Dieser Plan konkretisiert den ersten Aufschlag vom 16. Dezember 2020; seine Grundarchitektur ist weitgehend gleich geblieben.

„Dreisprung“ ins Ziel

Dass der Deutsche Aufbau- und Resilienzplan fristgerecht am 28. April 2021 an die Kommission übermittelt wurde, ist allerdings nur der zweite von drei Sprüngen ins Ziel. Den letzten Sprung muss Brüssel machen: Die EU-Kommission hat zwei Monate Zeit, den Plan formell zu prüfen. Sie kann – und wird – dafür weitere Informationen erbitten. Dann unterbreitet sie einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates, der binnen vier Wochen darüber entscheidet. Das Europäische Parlament wird informiert. Erst dann ist das Ziel erreicht und der Deutsche Aufbau- und Resilienzplan genehmigt.

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In Kürze
Deutschland hat seinen Aufbau- und Resilienzplan am 28. April an die EU-Kommission übermittelt.

Anschließend prüft die EU-Kommission nur noch das Erreichen der Meilensteine und Ziele – anders als z. B. bei den EU-Strukturfonds, bei denen eine regelmäßige Rechnungskontrolle erforderlich ist. Die Projektverantwortlichen in den Bundesressorts werden von den Mittelflüssen aus dem EU-Haushalt aber ohnehin wenig mitbekommen: Sie erhalten ihre Mittel aus ihren Titeln im deutschen Bundeshaushalt. Der Bundeshaushalt empfängt die Mittel der Aufbau- und Resilienzfazilität aus dem EU-Haushalt in einem globalen Einnahmetitel. Dies erleichtert die Planung der Mittelflüsse, denn zahlreiche Projekte werden nur teilweise mit Mitteln aus dem Deutschen Aufbau- und Resilienzplan refinanziert.

Fokus: Digitaler und grüner Wandel

Die Projekte, aus denen sich der Deutsche Aufbau- und Resilienzplan im Einzelnen zusammensetzt, hat im Grundsatz schon der Koalitionsausschuss vom 25. August 2020 vorgegeben: erstens vom Bund zu finanzierende Vorhaben des im Juni 2020 beschlossenen Konjunktur- und Zukunftspaketes und zweitens bestimmte neue Maßnahmen, wie etwa eine digitale Bildungsoffensive des BMBF. Hinzu kamen drei „wichtige Vorhaben Gemeinsamen Europäischen Interesses“ (Important Projects of Common European Interest, IPCEI) des BMWi. Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung die einzelnen Projekte des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans ausgewählt.
Der beschlossene Entwurf des Plans ist nun in sechs Schwerpunkte aufgeteilt, mit insgesamt zehn Komponenten (Abbildung 1), die wiederum aus insgesamt 40 einzelnen Projekten bestehen. Der Deutsche Aufbau- und Resilienzplan zielt dabei auf die beiden großen Herausforderungen unserer Zeit: den Klimawandel und die digitale Transformation. Insgesamt dienen gut 40 % der im Entwurf des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans vorgesehenen Ausgaben dem Klimaschutz – mehr als die erforderlichen 37 %. Ebenso tragen über 50 % der Ausgaben zum digitalen Wandel bei. Die europäische Zielquote für Digitales von 20 % wird damit weit übertroffen. Außerdem werden die soziale Teilhabe gestärkt und das Gesundheitssystem widerstandsfähiger gegen zukünftige Pandemien gemacht. Die öffentliche Verwaltung soll modernisiert und Investitionshemmnisse sollen abgebaut werden.

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ABBILDUNG 1: SCHWERPUNKTE, KOMPONENTEN UND MASSNAHMEN IM DEUTSCHEN AUFBAU- UND RESILIENZPLAN

BMWi-Maßnahmen tragen den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan

Mit Projekten im Umfang von knapp 11 Mrd. Euro – mehr als ein Drittel des Volumens – nimmt das BMWi eine tragende Rolle für den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan ein. Es liefert den mit Abstand größten Ressortbeitrag. Mit ihrem Fokus auf die digitale und grüne Transformation und die Mobilität der Zukunft sind die BMWi-Projekte auch entscheidend dafür, dass der Plan die strengen ­Digital- und Klimaquoten erfüllt und übertrifft.

Von besonderer Bedeutung sind die drei bereits erwähnten IPCEI (wichtige Vorhaben von gemeinsamem europ. Interesse), die ebenfalls das BMWi ­verantwortet. Diese IPCEI sind neue Projekte in Schlüsselbereichen der digitalen und grünen Transformation: Wasserstoff, Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien sowie Cloud und Datenverarbeitung. Sie wurden erst durch den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan ermöglicht und zunächst beim deutsch-französischen Technologiedialog vom 13. Oktober 2020 zwischen Wirtschaftsvertretern und Staatspräsident Macron, ­Bundeskanzlerin Merkel, Wirtschafts- und Finanzminister Le Maire und Bundeswirtschaftsminister Altmaier vereinbart. Die IPCEIs sind originär europäische Projekte, die Unternehmen aus allen EU-Mitgliedstaaten offenstehen – viele haben bereits Interesse bekundet.

Investitionen, Reformen und gesamtwirtschaftliche Effekte

Darüber hinaus spielen Reformen für den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan eine zentrale Rolle. Der Deutsche Aufbau- und Resilienzplan ist dafür mit dem Nationalen Reformprogramm 2021 zusammen zu lesen. Das Nationale Reformprogramm wurde vom BMWi entworfen und bereits am 13. April 2021 an die Kommission übermittelt. Es legt im Rahmen der europäischen wirtschaftspolitischen Koordinierung – dem Europäischen Semester – ausführlich und umfassend dar, welche Reformen Deutschland in allen von den länderspezifischen Empfehlungen betroffenen Politikbereichen umsetzt.

Auch innerhalb des Deutschen Aufbau- und Resilienzplanes werden Investitionen durch Reformen ergänzt. Zum Beispiel wird eine Initiative zusammen mit der Partnerschaft Deutschland gestartet, die Hindernisse beim Abfluss öffentlicher Mittel systematisch erfassen und konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten soll. Zielgruppe der Maßnahmen sind die kommunalen Verwaltungen, die sich der Förderprogramme von EU, Bund und Ländern bedienen. Solche Reformen verbessern unternehmerische Rahmenbedingungen für Investitionen und gestalten die Bedingungen zeitgemäß. Sie wirken sich unmittelbar auf die Planung und Genehmigung von überregional wichtigen Infrastrukturprojekten aus, etwa von Projekten aus dem Bundesverkehrswegeplan oder dem Mobilfunkausbau.

Programm stärkt die Wachstumskräfte in Deutschland
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ABBILDUNG 2: GESAMTWIRTSCHAFTLICHE EFFEKTE DER KOMPONENTEN DES DEUTSCHEN AUFBAU- UND RESILIENZPLANS

© Clemens et al. (2021); Kurzexpertise im Auftrag des Bundes finanz ministeriums (fe 3/19); DIW Berlin

Der Deutsche Aufbau- und Resilienzplan und das Nationale Reformprogramm 2021 enthalten im Ergebnis Maßnahmen für einen massiven Schub Richtung Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Aufbau unserer Wirtschaft nach der Corona-Pandemie. So bewertet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die makroökonomischen Wirkungen des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans als substanziell.1 Das BIP dürfte einer DIW-Studie zufolge langfristig um knapp 2 %, die Beschäftigung um rund 0,5 % höher ausfallen als ohne den Plan (Abbildung 2). Der Hochdruck in der Planung und die Intensität der Verhandlungen werden sich also lohnen und das Aufbauinstrument NextGenerationEU wird Deutschland spürbar zugutekommen.

1 Clemens et al. (2021) „Quantitative und qualitative Wirkungsanalyse der Maßnahmen des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP): Endbericht“; Kurzexpertise im Auftrag des Bundesfinanzministeriums (fe 3/19); DIW Berlin: Politikberatung kompakt
Kontakt
DR. WOLF-FABIAN HUNGERLAND, DR. INGRID ZOLL, KATHRIN LETTGEN, ALEXANDER SCHENK, MARGRET SCHNEIDER & JOACHIM SMEND
Referat: Aspekte der EU-Wirtschafts- und Finanz­politik, Europäische Investitionsbank, Mehrjähriger Finanzrahmen, Bund-Länder, EB1
schlaglichter@bmwi.bund.de