Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bedeutet eine Zeitenwende auch in wirtschaftlicher Hinsicht: Lieferbeziehungen müssen entflochten und Wertschöpfungsketten neu geordnet werden. Einen wesentlichen Aspekt hierbei bildet die Absicherung von Auslandsinvestitionen gegen politische Risiken, die angesichts global unsicherer Rahmenbedingungen und veränderter Risikobewertungen durch Unternehmen in den kommenden Jahren zusätzliche Bedeutung gewinnen wird. Mit den Investitionsgarantien bietet die Bundesrepublik Deutschland für diesen Zweck bereits seit mehr als 60 Jahren ein Instrument an. Investitionsvorhaben deutscher Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern können damit gegen politische Risiken wie zum Beispiel Krieg, Enteignungen oder Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Deckung genommen werden.


In Kürze: Wichtige Hilfe in Krisenzeiten: Investitionsgarantien zur Absicherung von Auslandsinvestitionen gegen politische Risiken.

Mehr als ein Versicherungsinstrument

Die Investitionsgarantien ähneln dabei einem Versicherungsinstrument, gehen aber weit darüber hinaus: Stellen sich bei einem abgesicherten Auslandsprojekt Schwierigkeiten ein, versucht die Bundesregierung zunächst, diese durch diplomatische Flankierung mit dem Gaststaat zu beseitigen. Dazu spricht sie den Fall etwa bei bilateralen Treffen und Regierungsverhandlungen an oder tritt auf hochrangiger Ebene schriftlich in Kontakt mit den Behörden des jeweiligen Gaststaates. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos bleiben und das betroffene Investitionsvorhaben nicht weitergeführt werden kann, tritt der eigentliche „Garantiefall“ ein und der Investor erhält eine Entschädigungszahlung für den Verlust des Projekts.


Seit über 60 Jahren können deutsche Unternehmen Investitionsgarantien nutzen.

Vorraussetzungen für die Garantieübernahme

Für die Übernahme einer Investitionsgarantie gelten drei Voraussetzungen. Erstens muss das abzusichernde Vorhaben Investitionscharakter aufweisen. Hierunter fallen insbesondere Beteiligungen an ausländischen Projektgesellschaften oder sogenannte beteiligungsähnliche Darlehen, die mit einem steuernden Einfluss des Investors auf die begünstigte Tochtergesellschaft einhergehen. Zweitens erfordert die Übernahme einer Investitionsgarantie einen hinreichenden Rechtsschutz für das Projekt im Gaststaat. Diese Voraussetzung wird in der Regel durch einen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Gaststaat geschlossenen bilateralen Investitionsförderungs- und -schutzvertrag (IFV) erfüllt. Drittens muss es sich bei dem Projekt um ein förderungswürdiges Investitionsvorhaben handeln. Hierfür sind (zu erwartende) positive Effekte des Projekts sowohl für den Gaststaat – zum Beispiel durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Verbesserung der Infrastruktur oder die Ermöglichung von Technologietransfer – als auch für die Bundesrepublik Deutschland (etwa durch die Schaffung oder den Erhalt von Arbeitsplätzen) erforderlich. Zur Förderungswürdigkeit eines Investitionsvorhabens gehört daneben auch die Einhaltung grundlegender Umwelt-, Sozial- und menschenrechtlicher Anforderungen. Als Maßstab hierfür dienen die international anerkannten IFC Performance Standards der Weltbankgruppe.

Bild mit Menschen, die eine Drohne fliegen

So läuft der Genehmigungsprozess

Anträge für die Übernahme von Investitionsgarantien können bei der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC) gestellt werden, die der Bund mit der Betreuung des Instruments beauftragt hat. Nach Prüfung der Voraussetzungen werden Anträge, die den Anforderungen genügen, einem interministeriellen Ausschuss (IMA) vorgelegt. Dieser IMA setzt sich aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammen und tagt insgesamt sechs Mal pro Jahr. Über die Annahme von Anträgen entscheidet der IMA im Konsens. Besteht ein solcher, wird das Projekt gegen die Zahlung eines jährlichen Garantieentgelts in Deckung genommen. Liegen PwC die erforderlichen Unterlagen und Angaben zu einem Projekt vor, kann in der Regel auch kurzfristig auf der nächsten IMA-Sitzung über den Antrag entschieden werden.


Förderungswürdige Projekte erhalten eine Deckung.

Investitionsgarantien und der Ukraine-Krieg

Wie wesentlich eine Absicherung durch Investitionsgarantien sein kann, zeigt die aktuelle Situation eindrucksvoll. Denn mit möglichen Kriegsschäden für deutsche Auslandsprojekte in der Ukraine und der Drohung Russlands, sich aus dem Land zurückziehende westliche Unternehmen zwangsweise zu verstaatlichen, sind in diesem Konflikt gleich zwei Fallgruppen politischer Risiken virulent, die durch die Investitionsgarantien adressiert werden. Zugleich zählen Russland und die Ukraine mit 109 beziehungsweise 20 Garantien im Umfang von rund 7,3 Milliarden Euro und 400 Millionen Euro zu den zehn nachgefragtesten Zielstaaten der Investitionsgarantien.

Als Konsequenz aus dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die Bundesregierung am 24. Februar 2022 die Übernahme neuer Investitionsgarantien für Projekte in Russland und Belarus vorerst ausgesetzt. Zudem gilt seit dem 26. Februar ein EU-weites Verbot der Übernahme von Investitionsgarantien für Russland. Bestehende Garantien bleiben hiervon aber unberührt und bieten deutschen Investoren weiterhin Schutz für ihre dortigen Auslandsprojekte. Für die Ukraine gilt: Der Bund beobachtet die aktuell dynamische Lage fortlaufend. Über Neuanträge wird auf Basis der jeweiligen Risikosituation im Einzelfall entschieden. Bereits existierende Garantien bleiben ebenso wie im Fall von Russland und Belarus auch weiterhin gültig. Der Bund steht damit zu seinem Garantieversprechen und der politischen Zielsetzung der Investitionsgarantien, Unternehmen bei ihrem Auslandsengagement auch in schwierigen Situationen zu begleiten. Das Garantieinstrument steht deutschen Investoren, die auf Auslandsmärkten aktiv werden wollen, hierfür auch zukünftig offen.


In Kürze: Keine neuen Investitionsgarantien gibt es seit Beginn des Ukraine-Krieges für Projekte in Russland und Belarus.


MEHR ZUM THEMA

Aktuelle Informationen zu den Investitionsgarantien und zur Deckungspraxis für Russland, Belarus und die Ukranie finden sich unter
www.investitionsgarantien.de.

KONTAKT
YORCK DIERGARTEN & MORITZ LUMMA
Referat: Auslandsinvestitionen, Pariser Club

schlaglichter@bmwk.bund.de