IN KÜRZE:
DAS BRUTTOINLANDSPRODUKT (BIP) LEGTE IM ERSTEN QUARTAL 2022 LEICHT UM 0,2 % ZU.

DIE BRUTTOWERTSCHÖPFUNG IM PRODUZIERENDEN GEWERBE (OHNE BAU) WAR GEGENÜBER DEM VORQUARTAL RÜCKLÄUFIG (-0,4 %).

DER DIENSTLEISTUNGSSEKTOR KONNTE SICH BEI RÜCKLÄUFIGEN CORONA-FALLZAHLEN WIEDER LEICHT ERHOLEN (+1,0 %).

TROTZ KRIEG IN DER UKRAINE VERBLEIBT EIN LEICHT POSITIVES BIP-WACHSTUM IM ERSTEN QUARTAL 2022..

Das Statistische Bundesamt hat am 25. Mai 2022 detaillierte Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2022 veröffentlicht. Demnach nahm das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP mit einer Veränderungsrate von 0,2 % gegenüber dem Vorquartal zu. Nachdem es im zweiten (+2,2 %) und dritten (+1,7 %) Quartal 2021 zunächst zu einer deutlichen Erholung des BIP kam, wurde die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal 2021 durch die Omikron-Welle erneut zurückgeworfen. Hohe Fallzahlen und die damit einhergehenden Beschränkungen sorgten für eine rückläufige Wertschöpfung, insbesondere in den Dienstleistungsbereichen. Auch wenn im ersten Quartal 2022 die Auswirkungen der Corona-Pandemie immer weniger zu spüren waren, hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine zu neuen substanziellen Risiken für die deutsche Konjunktur geführt. So wurde die Industrieproduktion im März vor allem in den energieintensiven Bereichen gebremst – bedingt durch sehr hohe Energiepreise. Auch die gestiegene Unsicherheit belastet die wirtschaftliche Aktivität ebenso wie die erlassenen Sanktionen, die Deutschland als Exportnation überproportional treffen.

In der Frühjahrsprojektion vom 27. April 2022 hat die Bundesregierung mit einem BIP-Wachstum von 2,2 % im Gesamtjahr 2022 gerechnet. Die nun erfolgte Veröffentlichung der BIP-Wachstumsrate im ersten Quartal bekräftigt die damalige Einschätzung der Bundesregierung. Da im zweiten Quartal bereits ein Abschlag vorgenommen wurde, um die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu berücksichtigen, ist die Projektion gut nach unten abgesichert.

INDUSTRIEPRODUKTION LEICHT RÜCKLÄUFIG, BAU UND DIENSTLEISTUNGSBEREICHE IM PLUS

Insgesamt hat die Bruttowertschöpfung im ersten Quartal 2022 gegenüber dem vierten Quartal um plus 0,7 % zugelegt. In den einzelnen Bereichen kam es zu einer differenzierten Entwicklung: Im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) war die Wertschöpfung leicht rückläufig (-0,4 %). Die weltweite Lieferkettenproblematik wurde durch den Krieg in der Ukraine nochmals kurzfristig verstärkt. In diesem Zusammenhang kam es zum Beispiel auch zu ausgebliebenen Lieferungen von Kabelbäumen, die in der Automobilindustrie benötigt werden. Das Baugewerbe konnte seine Wertschöpfung mit plus 4,5 % deutlich steigern. Vor dem Hintergrund der laut Umfragen hohen Materialknappheit und des hohen Preisniveaus für Baumaterialien ist diese Entwicklung durchaus überraschend. Sie wurde jedoch auch durch die milde Witterung im ersten Quartal begünstigt.

ECKWERTE DER GESAMTWIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG IN DEUTSCHLAND Bild vergrößern

WACHSTUM DES BRUTTOINLANDSPRODUKTS Bild vergrößern

Die Dienstleistungsbereiche konnten sich nach einem schwachen vierten Quartal 2021 wieder erholen. Die Wertschöpfung legte im ersten Quartal 2022 um 1,0 % zu. Vor allem die „sonstigen Dienstleistungen“, die die Bereiche Erholung und Unterhaltung beinhalten, konnten starke Zugewinne verbuchen (+6,2 %). Hier machen sich die sukzessiven Lockerungen der Corona-Beschränkungen im Laufe des ersten Quartals bemerkbar.



INVESTITIONEN WIRKEN STÜTZEND – EXPORTE SCHWÄCHELN

Dass das BIP im ersten Quartal 2022 noch leicht im Plus lag, ist vor allem einer starken Investitionstätigkeit zu verdanken. Die Bruttoanlageinvestitionen lagen mit plus 2,7 % deutlich im Plus, maßgeblich getrieben durch hohe Bauinvestitionen (+4,6 %), die von einer milden Witterung profitierten. Auch die Ausrüstungsinvestitionen entwickelten sich mit plus 2,5 % solide. Die Exporte waren mit minus 2,1 % jedoch deutlich rückläufig. Nach einem schwachen Jahreseinstieg sorgten der Krieg in der Ukraine und in der Folge erlassenen Sanktionen für eine merkliche Abkühlung des Welthandels im März. Die Warenexporte waren aber auch aufgrund der weltweiten Lieferkettenproblematik rückläufig. Andere Verwendungsaggregate entwickelten sich eher unauffällig. Der private Konsum lag mit einer Veränderungsrate von minus 0,1 % leicht im Minus, während der Staat seine Konsumausgaben um plus 0,1 % leicht erhöhte. Sorgen für die Konsumentwicklung bereitet die dynamische Preisniveauentwicklung: Der Deflator der privaten Konsumausgaben stieg im ersten Quartal um plus 2,6 %, nachdem er im Vorquartal bereits um plus 1,3 % zugelegt hatte.


BOOM AM ARBEITSMARKT HÄLT AN

Im Durchschnitt waren im ersten Quartal rund 45,1 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigt. Damit stieg die Erwerbstätigkeit gegenüber dem Vorjahr kräftig um 687.000 Personen. Gleichzeitig sank die Arbeitslosenquote auf 5,3 %. Damit hat die Omikron-Welle kaum sichtbare Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Vielmehr sorgten Nachholeffekte nach der Krise für eine steigende Erwerbstätigkeit. Auch die Kurzarbeit ging weiter zurück, sie lag im März 2022 bei hochgerechnet 0,55 Millionen Menschen. Das Arbeitsvolumen als Summe der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen, welches die Kurzarbeit berücksichtigt, stieg im ersten Quartal um 3,3 % gegenüber dem Vorjahresquartal. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – nahm gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,7 % zu.

Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 4,4 %. Die Arbeitnehmerentgelte legten dabei deutlich um 6,6 % zu, während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen mit 1,6 % nur unterdurchschnittlich wuchsen. Dies dürfte unter anderem auf Corona-Sonderprämien, die vielen Arbeitnehmern gezahlt wurden, zurückzuführen sein. Die privaten Konsumausgaben nahmen gegenüber dem Vorjahr um 8,5 % zu. Die saisonal bereingte Sparquote der privaten Haushalte sank von 12,5 % auf 11,5 %. Zu Hochzeiten der Pandemie war sie auf Rekordwerte von über 20 % geklettert, weil die Möglichkeiten zum Konsum fehlten. Mittlerweile bewegt sich die Sparquote im Rahmen ihres langjährigen Durchschnitts.