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Vom 7. bis zum 18. November findet die nächste Runde der internationalen Klimaverhandlungen statt, diesmal in Sharm El Sheikh unter ägyptischem Vorsitz. Auf der sogenannten COP (Conference of the Parties) treffen sich die 198 Vertragsstaatsparteien der Klimarahmenkonventionen (UNFCCC) bereits zum 27. Mal.

Die COPs gehören nicht nur zu den wichtigsten internationalen politischen Treffen jedes Jahres, sondern sind mit einer Vielzahl von Veranstaltungen auch wichtige Foren für Zivilgesellschaft, Wissenschaft und zunehmend die Wirtschaft, denn die Klimapolitik setzt den übergeordneten Rahmen, um unser tägliches Leben für die Zukunft zu rüsten. Von ihren Ergebnissen ist die Bekämpfung des Klimawandels in hohem Maße abhängig, denn dazu gehören unter anderem eine saubere Stromversorgung, energiesparendes Wohnen, Mobilität, die nicht der Luft und somit der Gesundheit schadet, und innovative Industrie mit guten Jobs. All diese Maßnahmen und noch viele weitere machen die Bekämpfung des Klimawandels aus. Auch auf globaler Ebene hat Klimapolitik weitreichende Auswirkungen und beeinflusst beispielsweise geopolitische Abhängigkeiten sowie die Außenwirtschafts- und diplomatischen Beziehungen von Staaten.

2022 – Ein Jahr mit unruhigen Vorzeichen

Die Delegierten der Regierungen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Privatwirtschaft werden von einem turbulenten Jahr 2022 geprägt sein. Unweigerlich werden die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und die globale Energiekrise auch hier im Vordergrund stehen. Daneben ist der sich beschleunigende Klimawandel in diesem Jahr mit häufiger und intensiver auftretenden Extremwetterereignissen weltweit erneut besonders deutlich in Erscheinung getreten. Allein in Europa führten Hitzewellen zu mehreren Tausend Toten, in Pakistan betreffen Monsun-Regenfälle und Überflutungen bis zu 33 Millionen Menschen und am Horn von Afrika facht die schlimmste Dürre seit 40 Jahren eine Hungerkrise enormen Ausmaßes weiter an.

Direkte Auswirkungen des Klimawandels zeichnen sich auch zunehmend für die Wirtschaft ab. Der globale Versicherer Munich Re sieht bei zwei Dritteln der Weltwirtschaft Abhängigkeiten vom Wetter, das sich aufgrund des Klimawandels zunehmend verändert, und viele Fachleute warnen vor drastischen Folgen für Produktivität, Lieferketten und Investitionen. Erste Anzeichen von drohenden wirtschaftlichen Schäden sind bereits heute zu spüren: Die EZB beziffert die Klimaschäden innerhalb der Eurozone im Jahr 2019 auf 1 % des Bruttoinlandsprodukts. Deutschland hatte derweil mit den Hitzesommern der Jahre 2018 und 2019 sowie den Sturzfluten an Ahr und Erft im Jahr 2021 über 80 Milliarden Euro an Schäden zu verzeichnen. Analysen zeigen, dass die jährlichen Schadenssummen ohne ambitionierten Klimaschutz um ein Vielfaches zunehmen werden.

Klimaschutz und -anpassung sind aber nicht nur überlebenswichtig und vermeiden wirtschaftlichen Schaden. Vielmehr können sie ökonomisch vorteilhaft sein, wie Berechnungen zahlreicher führender Institute und internationaler Organisationen zeigen. So erwartet die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und die Förderung von Energieeffizienz und anderen „grünen“ Technologien ein Netto-Plus von 20 Millionen Jobs weltweit bis zum Jahr 2050. Kurzfristig (also bis 2030) rechnet IRENA sogar mit einem noch höheren Netto-Zuwachs an Jobs. Auch das globale Wirtschaftswachstum würde in den kommenden 30 Jahren dann um durchschnittlich 2,4 % höher ausfallen. Darüber hinaus prognostiziert etwa die Internationale Energieagentur (IEA), dass der Umstieg von fossilen auf klimafreundliche Energien bis 2050 jährlich zwei Millionen Menschen das Leben retten könnte, die derzeit aufgrund hoher Luftverschmutzung vorzeitig sterben.

Zahlreiche drängende Themen auf der COP27

Die drängenden Klimaschutzfragen vor dem Hintergrund der globalen Energiekrise zu diskutieren wird eine besondere Herausforderung der COP27. Dabei ist bei der als „afrikanische“ COP titulierten Klimakonferenz der gastgebende Kontinent mit am stärksten vom Klimawandel betroffen. Die drängendsten Themen bei den internationalen Verhandlungen sind die Realisierung der von den Industriestaaten versprochenen Finanzierung für Klimaschutz und -anpassung, der Umgang mit Klimaschäden und daraus resultierenden Kosten sowie die bessere Anpassung an Klimaveränderungen.

Aus Sicht der Bundesregierung müssen auch Fortschritte bei den Klimaschutzzielen zur Reduktion von Treibhausgasen erzielt werden, die Staaten im Rahmen ihrer nationalen Klimabeiträge (NDCs--Nationally Determined Contributions) einreichen (siehe Kasten). Diese sollen für die einzelnen Wirtschaftssektoren zudem konkretisiert und deren Umsetzung unter anderem mit internationalen öffentlichen und privaten Initiativen unterstützt werden. Auch gilt es, Fragen zur internationalen Klimafinanzierung sowie zur Ausrichtung der privaten Finanzströme auf die Pariser Klimaziele zu klären.


Zwischenbilanz der globalen Klimaschutzanstrengungen – Langfristziele und NDCs (Nationally Determined Contributions)

In seinen letzten Berichten hatte der Weltklimarat (IPCC) die dramatischen Folgen einer globalen Erwärmung von mehr als 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter aufgezeigt. Als Folge entsteht zunehmend ein internationaler Konsens, die Klimapolitik auf die Erreichung des 1,5-Grad-Zieles, anstatt auf das „deutlich unter 2 Grad“-Ziel des von 194 Staaten unterzeichneten Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2016 auszurichten. Mittlerweile bekennen sich mehr als 70 Staaten dazu, entweder alle ihre nationalen Treibhausgasemissionen oder zumindest die CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts zu senken, und haben entsprechende Ziele formuliert. Insgesamt werden circa drei Viertel der globalen Emissionen von diesen Zielen erfasst. Allerdings würde bei Erfüllung der Ziele laut IEA die globale Erwärmung „nur“ auf 1,8 Grad begrenzt – eine Differenz von 0,3 Grad. Wichtiger als diese „Ambitionslücke“ ist allerdings die derzeitige tatsächliche „Umsetzungslücke“ des globalen Klimaschutzes, denn die bislang getroffenen beziehungsweise vorgesehenen Politikmaßnahmen führen laut den Vereinten Nationen vielmehr zu einer globalen Erwärmung von bis zu 2,7 Grad Celsius. Ihre aktuellen Politikmaßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 legen Staaten in den sogenannten Nationalen Klimabeiträgen (Nationally Determined Contributions; NDCs) dar. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass diese in der Regel alle fünf Jahre nachgebessert werden, um die Erreichung der Klimaschutzziele zu garantieren. Die EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, reichen ein gemeinsames NDCein. Das aktuelle NDCder EU sieht eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um 55 % als Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 vor. Auf der COP26 hatten sich die Staaten weltweit darauf geeinigt, bis Ende des Jahres 2022 ihre Emissionsminderungsziele für 2030 zu überarbeiten und zu stärken.

Zunehmende Bedeutung der Wirtschaft für den Klimaschutz

Seit dem erfolgreichen Abschluss des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 und der Einigung auf Umsetzungsregeln im Rahmen der COP26 in Glasgow im letzten Jahr steht das konkrete Handeln der Regierungen zur Erreichung der Klimaschutzziele immer stärker im Fokus der Klimakonferenz.

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Geschäftsmodelle werden zunehmend klimafreundlich ausgerichtet

In Deutschland ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dafür verantwortlich, die klimafreundliche Transformation der deutschen Wirtschaft zu gestalten und in die Anstrengungen zum internationalen Klimaschutz zu integrieren, etwa durch Ausrichtung der Außenwirtschaftsförderung entlang der Ziele Diversifizierung, Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung. Die Bundesregierung verpflichtete sich in diesem Sinne auf der COPs26 in Glasgow und im Rahmen der G7 unter anderem dazu, grundsätzlich die neue direkte öffentliche Förderung internationaler Projekte in fossile Energien – außer in eng begrenzten Ausnahmen – im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel bis Ende des Jahres 2022 zu beenden. Dies soll auch von den multilateralen Entwicklungsbanken gefordert werden, in deren Gremien die Bundesregierung vertreten ist. Eben- so bestätigte die Bundesregierung zusammen mit den G7, dass Subventionen für fossile Energien nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sind, und bekräftigte ihr Engagement für die Abschaffung ineffizienter Subventionen für fossile Energien bis 2025.

Auch Unternehmen, Banken und andere Finanzinstitutionen richten ihre Investitionen und Geschäftsmodelle zunehmend klimafreundlich aus. Denn die enormen Investitionsbedarfe für die Transformation der Wirtschaft sind allein aus öffentlichen Mitteln nicht zu bewerkstelligen. Die globale Energiewende erfordert Schätzungen zufolge nur in dieser Dekade Investitionen von jährlich 5 bis 5,7 Billionen US-Dollar. Mit der Erfüllung der Klimaschutzziele ist auch die Entwicklung und Erschließung völlig neuer Märkte für innovative „grüne“ Technologien, Produkte und Dienstleistungen verbunden. So hat laut der International Finance Corporation das Pariser Klimaabkommen allein in 21 ausgewählten Schwellenländern einen potenziellen Markt von 23 Billionen US-Dollar für klimafreundliche Investitionen bis zum Jahr 2030 geschaffen.

Unterstützung durch die Bundesregierung

Unternehmen in Deutschland, die saubere Technologien zusammen mit Partnern anderer Länder weiterentwickeln oder diese exportieren, können aus einer breiten Palette bewährter Förderinstrumente des BMWK schöpfen. Dazu zählen beispielsweise die Expertise des weltweiten Netzes der Auslandshandelskammern und Delegationen (AHK-Netz), das Informationsangebot der bundesdeutschen Außenwirtschaftsfördergesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI), das BMWK-Markterschließungsprogramm für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Exportkreditgarantien, die Exportinitiative Erneuerbare Energien und das darin enthaltene Projektentwicklungsprogramm (PEP) sowie Mittel aus der Nationalen Wasserstoffstrategie. Einen weiteren wichtigen Baustein stellt die Einigung von Bundeskanzler Olaf Scholz mit seinen G7- Amtskollegen auf dem Gipfel in Elmau im Juni dar, bis Ende des Jahres einen Klimaclub ins Leben zu rufen.

Dieser soll helfen, in internationaler Abstimmung den Klimaschutz und insbesondere die Dekarbonisierung in CO2-intensiven Industrien, die besonders dem globalen Wettbewerb ausgesetzt sind (wie die Stahlindustrie), voranzutreiben. Zudem konnten die G7 dieses Jahr wesentliche Fortschritte im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Definition „grüner“ Grundstoffe (zunächst bezüglich Stahl und Zement) und begleitende Politikmaßnahmen zur Dekarbonisierung erzielen. Auch unterstützt die Bundesregierung Initiativen wie die Industrial Deep Decarbonization Initiative und die First Movers Coalition (FMC), die durch starke Nachfragesignale im öffentlichen und privaten Bereich die zur Dekarbonisierung notwendigen Technologien fördern. Finanzstarke Unternehmen und öffentliche Einrichtungen sollen durch gebündelte Abnahmezusagen einen Absatzmarkt für grüne Produkte schaffen, sodass Hersteller und Zulieferer motiviert werden, die hierfür notwendigen technischen Innovationen zu entwickeln und zu fördern.

Mehr Unternehmenskooperationen und teilnehmende aus der Wirtschaft

In den letzten Jahren haben sowohl die Rolle als auch die Anzahl von Wirtschaftsvertretern und -vertreterinnen sowie von Unternehmenskooperationen, die an den COPs teilnehmen, stets zugenommen. So stellten auf der COP26 zum Beispiel die Unternehmens- und Industrie-Nichtregierungsorganisationen (BINGOs) mit 11 % die drittgrößte NGO-Teilnehmergruppe dar, direkt nach den Umwelt- (43 %) und Forschungs-NGOs (27 %).

Trotz teilweise sehr unterschiedlicher Ausgangspositionen und Interessen der Unternehmen gibt es immer mehr Aktivitäten und Kooperationen zu nachhaltigerem Wirtschaften im Privatsektor. Ein Beispiel dafür ist die Festschreibung wissenschaftlich basierter Ziele, um die THG-Emissionen bis zum Jahr 2030 zu halbieren und bis zum Jahr 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Das ist ein wichtiger Schritt für ambitionierten Klimaschutz in Unternehmen. In Deutschland ist im Rahmen der sogenannten Science-based Targets Initiative (SBTi) und der von den Vereinten Nationen unterstützten Race-to-Zero-Kampagne die Stiftung Klimawirtschaft ein wichtiger Ansprechpartner. Die von CEOs ins Leben gerufene Stiftung oder auch die von Unternehmen gegründete We-Mean-Business Coalition beteiligen sich an den COPs mit Veranstaltungen, um Entscheidungsträgern Empfehlungen zu geben, wie die Transformation der Wirtschaft gelingen kann.

Der Zusammenschluss unterschiedlicher Unternehmen in gemeinsamen Initiativen schafft nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, sondern fördert auch Innovation und Investitionen in neue Technologien. Ein Beispiel ist die H2-Zero Initiative von 28 Firmen, die verschiedene Marktteilnehmer zusammenbringt, um möglichst kohlenstoffarmen Wasserstoff zu produzieren und zu nutzen. Dieser wird vor allem in der Industrie (zum Beispiel Stahl und Chemie) benötigt und soll zukünftig auch in Flugzeugen, Schiffen und Lkw als Kraftstoff zum Einsatz kommen. Bis zum Jahr 2030 wollen die beteiligten Firmen rund 730 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen – das ist mehr als der jährliche CO2-Ausstoß Deutschlands. Auch die deutschen Unternehmen Siemens Energy und Linde sind mit an Bord.

Neue Geschäftsmodelle und Innovation sollen zudem durch Initiativen wie die Glasgow Breakthrough Agenda und die Clydebank Declaration vorangetrieben werden. Erstere soll die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen sauberer Strom, emissionsarme Stahlproduktion, emissionsfreie Fahrzeuge, sauberer Wasserstoff und zukünftig auch klimafreundlicher Gebäudesektor koordinieren. Letztere soll „grüne“ Schiffsrouten zwischen ausgewählten Häfen bis 2030 schaffen. Hierfür wollen die teilnehmenden Staaten gemeinsam mit Hafenbetreibern und Reedereien die Versorgung mit klimafreundlichen Treibstoffen ausbauen, Rahmenbedingungen und den Informationsaustausch verbessern sowie die Infrastruktur anpassen.

Neben den „Big Playern“ zeigen sich auch KMU engagiert und koordinieren ihre Interessen international. Mittlerweile bekennen sich mehr als 1.000 KMU zum 1,5-Grad- Ziel; fast 3.000 KMU aus rund 90 Ländern haben sich im sogenannten Small and Medium Enterprises Climate Hub zusammengeschlossen, um gemeinsam Hürden für Klimaschutzmaßnahmen anzugehen, wie zum Beispiel fehlendes Personal.

Die eigentliche Arbeit beginnt erst

Bei vielen Initiativen beginnt die Arbeit erst jetzt und erfordert bei Zeithorizonten bis zu den Jahren 2030 beziehungsweise 2050 einen langen Atem. Für die Unternehmen sind die Gründe für ein Engagement vor Ort oder aus der Ferne jedoch klar: Sie wollen ihr Geschäftsmodell langfristig erfolgreich ausrichten, indem sie ihr Unternehmen klimaresilienter aufstellen, bei Innovation vorne mit dabei sind und einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.


KONTAKT

Elias Spiekermann & Marius Kaiser

Referat: Internationale Grundsatzfragen, Umsetzungsinitiativen


Maximilian Barth, Carlo Stroening & Jette Bergen

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

schlaglichter@bmwi.bund.de