Leichtbau in der Kreislaufwirtschaft

Der globale Rohstoffverbrauch hat sich seit 1970 mehr als verdreifacht. Nach einer Prognose der OECD könnte sich der Verbrauch von heute bis 2060 nochmals verdoppeln. Der Earth Overshoot Day – also der Tag, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres regenerieren kann – rückt beharrlich im Kalender nach vorne. Dabei besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Rohstoffverbrauch und Klimawandel: Rund die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen gehen auf die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen zurück.

Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch notwendig

Angesichts dieser Entwicklung gilt es, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch auch weiterhin voneinander zu entkoppeln.

Ein ressourcenschonenderes Wirtschaften kommt nicht nur Klima und Umwelt zugute; es kann auch Abhängigkeiten in der Lieferkette reduzieren und durch den geringeren Ressourcenbedarf dazu beitragen, dass knappe Rohstoffe dort verfügbar sind, wo sie benötigt werden. Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil besteht darin, dass Materialeffizienz Unternehmen dabei hilft, sich vor Preissteigerungen bei den Materialkosten zu schützen.

Um den primären Rohstoffverbrauch möglichst weit zu senken, ist eine Transformation der industriellen Wertschöpfung vom linearen Wirtschaften hin zu einem zirkulären System – der Kreislaufwirtschaft bzw. Circular Economy – erforderlich. Dies geschieht, indem Rohstoffe in möglichst geschlossenen Kreisläufen geführt werden. Zusätzlich ist auch auf den möglichst effizienten Einsatz von Material zu achten.

Zirkuläres Wirtschaften steht für ein ressourceneffizientes und nachhaltiges Modell der Produktion und des Verbrauchs, in dem Rohstoffe möglichst lange innerhalb eines Kreislaufsystems weiter- und wiederverwertet werden. Dieses zirkuläre Modell steht im Gegensatz zu einer linearen Wirtschaftsweise („Wegwerfwirtschaft“), die mit der Gewinnung und dem Verbrauch von Rohstoffen sowie deren Ausschleusung aus dem Produktkreislauf in Form von Abfall einhergeht.

Leichtbautechnologien reduzieren den Materialeinsatz bei der Herstellung von Produkten (etwa durch abfallärmere Fertigungsverfahren wie additive Fertigung oder durch innovative Konstruktionsansätze). Gewichtsoptimierte Pkw, Züge, Schiffe oder Flugzeuge in Leichtbauweise verbrauchen überdies weniger Treibstoffe. Dieser doppelte Hebel macht Leichtbau zu einer Schlüsseltechnologie für Klimaschutz, Ressourcenschonung und eine nachhaltige Verkehrswende.

Leichtbau leistet Beitrag zur Abfallvermeidung

Leichtbautechnologien können über zahlreiche Branchen hinweg eine Schlüsselrolle bei der Materialeffizienz spielen. So kann Leichtbau den für die Herstellung von Produkten erforderlichen Materialeinsatz unmittelbar verringern und damit auch einen Beitrag zur Abfallvermeidung leisten. Der durch Materialeffizienz verfolgte Ansatz – ‚die besten Materialien sind die nicht genutzten‘ – fügt sich insofern nahtlos in die Kreislaufwirtschaft ein.

Leichtbau in der Kreislaufwirtschaft
Derzeit stehen Fördermittel von rund 70 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung.

Ein Beispiel für die hohe Materialeffizienz von Leichtbaulösungen liefert ein im Rahmen des Technologietransfer-Programms Leichtbau des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) gefördertes Projekt zur Entwicklung innovativer Carbonbewehrungen für Bauteile aus Beton. Carbonbeton kann den Bedarf an klimaintensivem Zement bei der Herstellung von Bauteilen im Vergleich zu herkömmlichem Stahlbeton drastisch reduzieren. Angesichts der Tatsache, dass die Zementindustrie für etwa ein Fünftel der Treibhausgasemissionen im deutschen Industriesektor verantwortlich zeichnet, liegt hierin ein großer Hebel für den Klimaschutz.

Das BMWK fördert anwendungsnahe F&E-Projekte durch das im Jahr 2020 erfolgreich gestartete Technologietransfer-Programm Leichtbau. Ziel des branchen- und technologieoffenen Programms ist es, Innovationen im Leichtbau in die breite industrielle Anwendung zu bringen. Derzeit stehen Fördermittel von rund 70 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung.

Nähere Informationen finden sich hier: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Technologie/technologietransfer-programm-leichtbau.html

Recyclingfähigkeit bleibt Herausforderung

Bei allen Vorteilen der Materialeinsparung in der Herstellungsphase darf indes der gesamte Lebenszyklus von Leichtbauprodukten nicht unberücksichtigt bleiben. Hier ergibt sich ein uneinheitliches Bild im Hinblick auf das Produktlebensende, da im Leichtbau eine große Vielzahl unterschiedlicher Materialien eingesetzt wird. Manche dieser Materialien weisen hervorragende Recyclingeigenschaften auf und lassen sich – wie etwa Metalle – beliebig oft im Kreislauf führen. Bei anderen Leichtbaumaterialien bedeutet die Kreislaufführung hingegen meist noch eine erhebliche Herausforderung.

Moderne Leichtbauprodukte basieren zunehmend auf komplexen Verbundwerkstoffen, so genannten Composites, in denen mehrere Materialien dauerhaft miteinander verbunden werden. Diese lassen sich nach der Nutzung bislang nur schwer wieder sortenrein in ihre ursprünglichen Grundstoffe zerlegen, weshalb Recycling-Konzepte derzeit kaum realisierbar sind. So werden etwa die Rotorblätter moderner Windenergieanlagen aus Kunststoffen gefertigt, die mit Carbon- oder Glasfasern verstärkt sind. Bislang können solche faserverstärkten Kunststoffe nur in sehr begrenztem Umfang recycelt oder verwertet werden.

Technologietransferprogramm stärkt Fokus auf Kreislauffähigkeit

Damit Leichtbaulösungen nicht nur materialsparend, sondern auch umfassend nachhaltig sind, muss der Verbleib des Materials nach Lebensende mitgedacht werden. Die Kreislauffähigkeit sollte daher auch bei Leichtbaumaterialien – insbesondere bei Composites – möglichst schon durch ein recyclinggerechtes Design in der Produktentwicklung sichergestellt werden.

Positiv ist, dass im F&E-Bereich bereits ganzheitliche Ansätze vorangetrieben werden, die Aspekte wie Recycling und Nachhaltigkeit im Leichtbau von Anfang an zentral berücksichtigen. Im Rahmen des Technologietransfer-Programms Leichtbau fördert das BMWK etwa die Entwicklung von gewichtsoptimierten Bauteilen aus Recycling-Aluminium oder von recyclingfähigen Carbonfasern auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Um dieser positiven Entwicklung weiteren Anschub zu verleihen, soll das Technologietransfer-Programm Leichtbau um einen inhaltlichen Fokus auf Kreislaufwirtschaft im Leichtbau erweitert werden.

Lebenszyklusbasierte Bewertung gibt Orientierung

Life Cycle Assessments (LCAs) helfen dabei, mögliche Zielkonflikte zwischen Materialeffizienz, Gewichtseinsparung, Funktionalität, Lebensdauer und Kreislauffähigkeit frühzeitig zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln. LCAs ermöglichen eine lebenszyklusbasierte Bewertung der Umweltauswirkungen von Produkten oder Materialien. Auf diese Weise können Hersteller schon frühzeitig in der Produktentwicklung evidenzbasierte Material-, Design- und Konstruktionsentscheidungen treffen, die im Zusammenspiel den geringsten CO2- und Material-Fußabdruck über den gesamten Lebensweg eines Leichtbauprodukts aufweisen. Hierbei sind nicht zuletzt auch Kostenfaktoren zu berücksichtigen.

Das nationale Leichtbau-Validierungszentrum (leiv) dient als Anlaufstelle

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen nachhaltige Innovationen auch von Anfang an wirtschaftlich sein. Als Anlaufstelle für diese Fragen fungiert seit Juni 2022 das Nationale Leichtbau-Validierungszentrum (LEIV) in Dresden, das unter anderem durch eine Anschubfinanzierung des BMWK realisiert werden konnte. KMU können das LEIV als Reallabor nutzen, um die Leistungsfähigkeit nachhaltiger Leichtbautechnologien im industriellen Maßstab zu demonstrieren. Hierdurch sollen Innovationen im Leichtbau schneller in die industrielle Anwendung überführt werden.

Lightweighting Summit fördert Vernetzung

Da eine Kreislaufwirtschaft das Zusammenspiel verschiedener Akteure aus den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen erfordert, setzt sich das BMWK für die branchenübergreifende Vernetzung der Leichtbau-Community ein. So soll etwa der 4. Lightweighting Summit im Rahmen der HANNOVER MESSE 2023 die Chancen und Herausforderungen des Einsatzes von Leichtbautechnologien in der Kreislaufwirtschaft beleuchten. Das BMWK verfolgt somit insgesamt mit vielfältigen Aktivitäten das Ziel, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um das große Innovationspotenzial der Schlüsseltechnologie Leichtbau im Verbund mit der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen.

Der Lightweighting Summit ist seit 2019 die zentrale Veranstaltung des BMWK zur branchenübergreifenden Vernetzung der Leichtbau-Akteure im Rahmen der HANNOVER MESSE. Der 4. Lightweighting Summit im April 2023 wird das Zusammenspiel von Leichtbau und Kreislaufwirtschaft mit Teilnehmenden aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.


KONTAKT

Alexander Pirang

Referat: Bauwirtschaft, Leichtbau/Neue Werkstoffe, Ressourceneffizienz

schlaglichter@bmwk.bund.de