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Die Lage am Gasmarkt bleibt weiter angespannt. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber Anpassungen des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) und des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Die Novelle ergänzt die Änderungen im Energiesicherungsgesetz, die mit der Novelle vom 20. Mai 2022 vorgenommen wurden https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Schlaglichter-der-Wirtschaftspolitik/2022/07/13-eine-frage-der-sicherheit.html. Ziel ist es, für den Fall einer Zuspitzung der Energiekrise vorzusorgen.

Mit der Novelle werden Stabilisierungsmaßnahmen in der Energiewirtschaft erleichtert und Instrumente für eine Lastenverteilung bereitgestellt für den Fall, dass ausbleibende russische Gaslieferungen zu deutlich höheren Ersatzbeschaffungskosten führen. Geregelt wird auch, dass Leistungsverweigerungsrechte der Energieversorger unter den Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur gestellt werden. Mit den Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz werden die Rechtsverordnungen zum Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz angepasst. Dies schafft unter anderem Möglichkeiten dafür, die Gasverstromung zu reduzieren, um Gas für andere Nutzungszwecke zur Verfügung zu stellen. Auch Kohlekraftwerke können dadurch verstärkt genutzt werden.

Erleichterung von Stabilisierungsmassnahmen

In § 29 EnSiG werden zeitlich befristet gesellschaftsrechtliche Erleichterungen eingeführt, welche dem Bund die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen bei Unternehmen der kritischen Infrastruktur im Energiesektor erleichtern. Die Vorschriften sehen beispielsweise Erleichterungen bei der gesellschaftsrechtlichen Beschlussfassung für Kapitalmaßnahmen vor.

Für Unternehmen der kritischen Infrastruktur im Energiesektor, die nach § 17 EnSiG unter Treuhandverwaltung des Bundes stehen, wurden ergänzende Regelungen für Kapitalmaßnahmen etwa zur Verbesserung der bilanziellen Situation eingefügt.


In Kürze: Die Bundesregierung wappnet sich für eine Zuspitzung der Lage auf den Energiemärkten.

Präventiver Instrumentenkasten für faire Lastenverteilung

Bei verminderten Gasimporten ist damit zu rechnen, dass Gas am Markt deutlich teurer wird. Können die Energieunternehmen die hohen Preise nicht bezahlen beziehungsweise ihre Verträge nicht erfüllen, drohen finanzielle Schieflagen bis hin zu Insolvenzen. Dies kann zu ernsten Störungen im gesamten Markt führen.

Die Energieversorgung soll weiter sichergestellt werden.
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Um solche Kaskadeneffekte zu verhindern und Marktmechanismen sowie Lieferketten so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, wurden mit Änderungen in § 24 und § 26 EnSiG die Möglichkeiten der Weitergabe von Preissteigerungen erweitert und präzisiert.

Beide Instrumente – sowohl das Preisanpassungsrecht des § 24 EnSiG als auch das saldierte Preisanpassungsrecht des § 26 EnSiG – sind an enge Voraussetzungen geknüpft. Diese Regelungen sollen aktuell nicht aktiviert werden, aber als Optionen im Instrumentenkasten zur Verfügung stehen, um im Falle weiter steigender Gaspreise und einer Zuspitzung der Lage in den kommenden Monaten handlungsfähig zu sein.

Für die beiden Instrumente gibt es keinen Automatismus. Vielmehr müssen sie aktiv in Kraft gesetzt werden. In der Rangfolge der Instrumente sind Stabilisierungsmaßnahmen nach § 29 EnSiG vorrangig vor den Preisanpassungsinstrumenten nach § 26 und § 24 EnSiG zu prüfen. Die beiden Preisanpassungsinstrumente können nicht gleichzeitig zum Einsatz kommen.


Neues Instrument: Salidierte Preisanpassung

Mit § 26 EnSiG wurde ein neues Instrument eingeführt, das sogenannte saldierte Preisanpassungsrecht. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, bei dem die Mehrkosten, die entstehen, wenn Energieunternehmen infolge verminderter Gasimporte Gas zu höheren Preisen ersatzweise beschaffen müssen, gleichmäßig auf alle Gaskunden verteilt werden können.

Für den saldierten Preisanpassungsmechanismus des § 26 EnSiG ist eine konkretisierende und damit den Mechanismus in Kraft setzende Rechtsverordnung der Bundesregierung erforderlich. Dabei besteht kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zur Ausrufung der Alarm­ oder Notfallstufe gemäß Notfallplan Gas.

Möglichkeiten zur Preisanpassung präzisiert und konkretisiert

Möglichkeiten, Preise im Ausnahmefall anzupassen, bestehen alternativ dazu auch auf Basis der Preisanpassungsrechte des § 24 EnSiG. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber nun präzisiert und konkretisiert.

So wird verdeutlicht, dass Voraussetzung für Preisanpassungsrechte die Feststellung einer erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland durch die Bundesnetzagentur ist. Dabei muss die Bundesnetzagentur aktiv feststellen und im Bundesanzeiger veröffentlichen, dass „eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland“ vorliegt. Zwischen der Ausrufung der Alarm­ oder Notfallstufe gemäß dem Notfallplan Gas und der Aktivierung der gesetzlichen Preisanpassungsrechte gibt es auch hier keinen Automatismus.


In Kürze: Mit der Novelle werden die Instrumente im Bereich Energiesicherheit erweitert.

Die Preisanpassungsrechte sind mit klaren Leitplanken versehen: Zum einen muss die Preisanpassung angemessen sein. Es ist klargestellt, dass eine Preisanpassung insbesondere dann nicht mehr angemessen ist, wenn sie die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung überschreitet, die dem jeweils betroffenen Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Reduzierung der Gasimportmengen für das an den Kunden zu liefernde Gas entstehen. Zudem können Kunden, die von Preisanpassungen betroffen sind, sich auch für eine unverzügliche fristlose Kündigung des Liefervertrages entscheiden.

Sobald eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland nicht mehr vorliegt, muss die Bundesnetzagentur diese Feststellung aufheben. Das gesetzliche Preisanpassungsrecht entfällt dann.

Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz

Das Gesetzespaket enthält außerdem Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die ebenfalls die Krisenvorsorge stärken sollen. Mit dem „Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz“ können Steinkohle­ und Mineralölkraftwerke, die derzeit in Reserven gebunden sind oder die kurzfristig stillgelegt wurden, länger am Strommarkt eingesetzt werden – sobald die Alarmstufe ausgerufen wurde. Durch diesen Einsatz sollen Anlagen, die mit Erdgas befeuert werden, verdrängt werden. Eine befristete Marktteilnahme ist nach Abruf durch die Bundesregierung auch für Braunkohlekraftwerke möglich, die in einer sogenannten Versorgungsreserve vorgehalten werden. Damit werden dem Strommarkt erhebliche zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt.

Gleichzeitig erhält die Bundesregierung die Möglichkeit, die Gasverstromung sehr schnell über eine Rechtsverordnung zu reduzieren. Dabei kann sie für maximal neun Monate die Verstromung von Erdgas verbieten. Die Wärmeversorgung bleibt über Ersatzwärmeanlagen gewährleistet.

Das Gesetz enthält darüber hinaus weitere Regelungen, unter anderem zur Verlängerung der Frist für die Inanspruchnahme des Kohleersatzbonus, zur Erweiterung der Möglichkeit der Bundesregierung, die Bevorratung mit Brennstoffen anzuordnen und zur Flexibilisierung von Gaslieferverträgen.

Mehr zum Thema:
Weitere Informationen
https://www.bmwk.de/anpassung-des-energiesicherungsgesetzes.html


FAQ
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