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Claudia Müller, Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus, eröffnete die Preisverleihung am 31. Mai 2022 in Berlin: „Neue Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu erproben, das braucht Mut, Pioniergeist und die Bereitschaft, auch bei widrigen Umständen an eine Idee zu glauben.“ In einer großen Präsenzveranstaltung würdigte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dieses Engagement und zeichnete insgesamt zehn Projekte mit dem „Innovationspreis Reallabore“ aus.

Vorangegangen war ein mehrstufiger Wettbewerb, für den sich Reallabore aus ganz Deutschland bewerben konnten. Die hochkarätig besetzte Fachjury wählte je drei Sieger in den Kategorien Einblicke, Rückblicke und Ausblicke aus den erneut mehr als 100 Einreichungen aus. Zentrale Bewertungskriterien waren dabei die Einordnung als Testraum für Innovation und Regulierung, der Innovationsgrad und der Vorbildcharakter des Reallabors.

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Die Jury des Innovativpreises Reallabore 2022 Bild vergrößern


„Sie zeigen eindrucksvoll, wie Technologien das Leben der Menschen heute ganz konkret verbessern.“
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zu den Preisträgerinnen und -trägern.

Die Einreichungen haben gezeigt, welche wichtige Rolle Reallabore mittlerweile auch dabei spielen, klima- und umweltschonende Technologien zu testen, bevor sie in der Breite zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund hat sich das BMWK kurzfristig dazu entschieden, in diesem Jahr zum ersten Mal einen „Sonderpreis Nachhaltigkeit“ ins Leben zu rufen. Dieser wurde als Publikumspreis via Live-Voting am Abend der Preisverleihung vergeben.

In Kürze: Reallabore wurden als wichtige Testräume für klima- und umweltschonende Technologien ausgezeichnet.

Die Vielfalt der diesjährigen Siegerprojekte steht für einen pulsierenden Innovationsstandort Deutschland: Erprobt werden beispielsweise neue digitale Lösungen für die nachhaltige Mobilität und automatisiertes Fahren auf der Straße, in der Luft oder zu Wasser, für digitale ländliche Netze, für den Datenaustausch von Gesundheitsdaten sowie für Smart-Meter-Gateways. Bundesminister Robert Habeck gratulierte allen Projekten in einer Videobotschaft www.bmwk.de/habeck-reallabore.html: „Ihre Reallabore zeigen eindrucksvoll, wie Technologien, die vielleicht noch vor fünf Jahren undenkbar waren, das Leben der Menschen heute ganz konkret verbessern.“

Die Preisverleihung zum „Innovationspreis Reallabore“ bildete den festlichen Ausklang einer Fachveranstaltung des Netzwerks Reallabore des BMWK. Unter der Überschrift „Auf dem Weg zu einem Reallabore-Gesetz“ diskutierten hochrangige Expertinnen und Experten in Paneldiskussionen sowie themenbezogenen Workshops bereits am Nachmittag über die Implikationen aus der Praxis für das angestrebte Reallabore-Gesetz www.bmwk.de/konzept-reallabore.html. Ein solches Gesetz solle – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – neue Freiräume zur Erprobung von Innovationen schaffen und einheitliche Standards für Reallabore verankern, betonte die Beauftragte des BMWK für die Digitale Wirtschaft und Start-ups, Dr. Anna Christmann.

Was versteht man unter Reallaboren?
Reallabore (engl.: regulatory sandboxes) sind Testräume für Innovationen und Regulierung. Sie machen es möglich – oft auf Basis von sogenannten Experimentierklauseln –, digitale Technologien und Geschäftsmodelle unter realen Bedingungen zu erproben, die im allgemeinen Rechtsrahmen noch an Grenzen stoßen. Ein Reallabore-Gesetz soll dabei in Zukunft für mehr Freiräume und einheitliche Standards sorgen.

Die Sieger der Kategorie Rückblicke

Ziel der Kategorie Rückblicke ist es, die Erfolgsfaktoren abgeschlossener Reallabore aufzuzeigen.

  • Einrichtung eines U-Space Reallabors in Hamburg: Das Prinzip eines U-Space besteht darin, ein fest definiertes geografisches Gebiet festzulegen, in dem unbemannte und bemannte Luftfahrt gemeinsam stattfinden können. Auf Basis einer neuen Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission wurde im Reallabor weltweit erstmals ein U-Space mit vollständigem Rollen- und Prozessmodell, technischen Funktionalitäten und Testflügen in der Praxis erprobt. Für die Erprobung wurde auf das luftrechtliche Werkzeug des Flugbeschränkungsgebietes zurückgegriffen. Die Ergebnisse der Erprobung sollen wichtige Erkenntnisse für die Überführung der U-Space in nationales Recht liefern


30% des Energieverbrauchs ließen sich mit überschaubarem Aufwand einsparen, so das Reallabor WohnZukunft.
  • RealLabHH – Reallabor Hamburg für digitale Mobilität: Können digitale Mobilitätslösungen dazu beitragen, kommunale Verkehrssysteme nachhaltiger, sicherer, komfortabler und zuverlässiger zu gestalten und welcher Rechtsrahmen wird dafür benötigt? Diesen Fragen ist das Reallabor in Hamburg anhand von zehn Teilprojekten nachgegangen. Dabei wurden unter anderem eine digitale Plattform, autonomes Fahren, On-Demand-Verkehre, intelligente Logistiklösungen, Kollisionswarnsysteme und ein digitales Andreaskreuz erprobt. Die Projekte liefen im städtischen wie auch im suburbanen Raum und schlossen eine Dialogstrategie ein.

In Kürze: Mehrere digitale Mobilitätslösungen für den städtischen und suburbanen Raum testete das Reallabor Hamburg.
  • WohnZukunft: Ziel dieses Reallabors war es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit geringem technischem und finanziellem Aufwand bis zu 30 % des Energieverbrauchs in Mietwohnungen eingespart werden können. Erprobt wurden dazu Lösungen smarter Messtechniken und Kommunikationseinheiten. Diese „Smart-Meter-Gateways“ werden ab 2026 im Zusammenhang mit der neuen Heizkostenverordnung zur Pflicht in Mietwohnungen. Das Reallabor versteht sich dazu als Best-Practice-Modell, das die Wirksamkeit dieser Technologie im Zeitraum 2016 bis 2020 schon belegen konnte, noch bevor der Gesetzgeber diese als Standard festgelegt hat.
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Die Sieger der Kategorie Einblicke

In der Kategorie Einblicke geht es darum, laufende Reallabore mit Vorbildcharakter zu identifizieren und deren Erfolgsfaktoren und Umsetzungsstrukturen herauszustellen.

  • Digitales Experimentierfeld LANDNETZ – Erprobungsfeld für digitale ländliche Netze: Im Experimentierfeld LANDNETZ werden Lösungen für die Digitalisierung in der Landwirtschaft konzipiert und erprobt. Dafür notwendig ist eine neuartige Kommunikationsinfrastruktur. Diese wird mittels portabler Campusnetze zur 5G-Versorgung geschaffen. Das erlaubt die effektive Vernetzung von und den Datenaustausch unter landwirtschaftlichen Betrieben mit digitalen Lösungen zum Thema Smart und Precision Farming. Der Netzbetrieb ist aktuell dank Versuchsfunklizenzen möglich, die aufgrund des Forschungscharakters des Projekts genutzt werden können.

  • Digitales Testfeld auf der Bundeswasserstraße Schlei: Auf einer Strecke von 42 Kilometern wird ein europäisches Test- und Validierungszentrum für autonome maritime Systeme unter Koordination des Start-ups Unleash Future Boats aufgebaut. Für die Erprobung steht das weltweit erste autonome und emissionsfreie Boot „ZeroOne“ des Unternehmens mit Brennstoffzellen-Technologie zur Verfügung. Es ist international zugelassen und besitzt eine weltweit gültige Versicherung. Mit Blick auf den rechtlichen Rahmen erlaubt das Reallabor Erkenntnisse hinsichtlich Betriebskonzepten, Systemgrenzen und Sicherheitsbestimmungen. Es kann zur Entwicklung internationaler Normen für autonome maritime Systeme beitragen.

  • TEMPUS –Testfeld München – Pilotversuch urbaner automatisierter Straßenverkehr: Im Münchner Stadtgebiet und dem anliegenden Umland wird ein definiertes Testgebiet mit kommunizierender Straßeninfrastruktur ausgerüstet. Es werden verschiedenste Anwendungsfälle rund um automatisierte Fahrfunktionen und innovative Mobilitätsleistungen für den Individual- und den öffentlichen Personennahverkehr erprobt, simuliert und evaluiert. Das Testfeld steht auf Anfrage auch externen Interessentinnen und Interessenten zur Verfügung. Es wird unter realen Bedingungen getestet, wie die Aufrüstung der Verkehrsinfrastruktur sinnvoll ist.

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Ein Blumenstrauss an Innovationen: Zehn Reallabore wurden für ihre herausragenden Erprobungen ausgezeichnet.

Die Sieger der Kategorie Ausblicke

Ziel der Kategorie Ausblicke ist es, potenzielle Anwendungsfelder und Projektideen für zukünftige Reallabore zu identifizieren und dabei auch Erkenntnisse für Verwaltungen und Gesetzgeber zu gewinnen.

  • LastMileCityLab: Die ganze Stadt Bruchsal wird zum Reallabor für zukunftsweisende Gütermobilität. Dazu werden im ersten Schritt autonom fahrende Roboter zur Paketauslieferung erprobt. Im zweiten Schritt wird das Quartier für weitere Lösungen geöffnet, etwa „mobile postoffices“, autonome Schwerlastdrohnen und autonome Lkw. So sollen unter realen Bedingungen innovative Lösungen erprobt werden, welche die gesamte Logistikkette umfassen und die auch anderen Städten als Vorbild dienen können. Ausnahmegenehmigungen sind für autonomes Fahren und Fliegen notwendig.

Den Sonderpreis für Nachhaltigkeit erhielt ein Wohnquartier in Esslingen bei Stuttgart.
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  • Multikopter in der Luftrettung: Bemannte Multikopter sind senkrechtstartende Luftfahrzeuge mit elektrisch angetriebenen Rotoren. Die Fluggeräte wurden bisher in erster Linie als Flugtaxis im zivilen Bereich entwickelt. Die ADAC-Luftrettung hat weltweit die erste Machbarkeitsstudie zu Multikoptern im Rettungsdienst veröffentlicht. Demnach können durch Multikopter unter anderem Notärzte nicht nur schneller am Einsatzort sein, sondern auch deutlich mehr Patientinnen und Patienten in einem größeren Versorgungsgebiet erreichen. Nun soll die praktische Erprobung in Form von Notarztzubringern folgen. Für luftrechtliche und rettungsdienstliche Gesetze und Verordnungen bietet das Reallabor hohes Erkenntnispotenzial.

  • TEAM-X – Trusted Ecosystem of Applied Medical Data eXchange: Mit dem Reallabor Trusted Ecosystem of Applied Medical Data eXchange soll die Basis für eine zukunftsweisende Gesundheits- und Pflegeversorgung gelegt werden. Ein auf GAIA-X basierendes geschütztes digitales Datenökosystem bietet dazu das Fundament. Darauf aufbauend werden Ansätze erprobt, um die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit ihren Daten zu erhöhen. Außerdem werden Lösungen im Bereich der Pflege- und Frauengesundheit in realer Umgebung getestet. Mit Blick auf die besonders schutzwürdigen Gesundheitsdaten sollen Weiterentwicklungsbedarfe im regulatorischen Rahmenwerk herausgearbeitet werden.

Die Sieger der Kategorie Nachhaltigkeit

  • KlimaquartierNeueWeststadt: Auf einer Fläche von 12 Hektar wird Deutschlands erstes klimaneutrales Wasserstoffquartier mit 500 Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen sowie einer Hochschule errichtet. Die „Neue Weststadt“ in Esslingen zeigt auf, wie modernes Wohnen und Arbeiten sowie nachhaltige Mobilität im städtischen Kontext einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Technisches Herzstück ist ein großer Elektrolyseur, der erneuerbaren Strom in grünen Wasserstoff umwandelt und die Energie auf diese Weise speicherfähig macht. Zugleich wird die im Umwandlungsprozess anfallende Abwärme genutzt, was eine erhebliche Effizienzsteigerung bedeutet.


MEHR ZUM THEMA
Neue Räume, um Innovationen zu erproben. Konzept für ein Reallabore-Gesetz
www.bmwk.de/konzept-reallabore.html

Digitales Grußwort zum Innovationspreis Reallabore 2022
www.bmwk.de/habeck-reallabore.html

Weitere Informationen zum Innovationspreis Reallabore und zu den Siegerprojekten liefert die Website
www.innovationspreis-reallabore.de

Mehr Informationen zur Reallabore-Strategie und den weiteren Maßnahmen des BMWK zur Stärkung von Reallaboren stehen unter www.reallabore-bmwk.de

KONTAKT
DR. KAI HIELSCHER, DR. KONSTANTIN KOLLOGE & JENS GIRKENS
Geschäftsstelle Reallabore

schlaglichter@bmwk.bund.de