Um Reallabore als Instrument der Digitalisierung zu stärken, verfolgt das BMWK drei Ziele:
1. Reallabore brauchen rechtliche Spielräume
Ein Kernziel der Reallabore-Strategie besteht darin, den rechtlichen Rahmen so zu gestalten, dass die Erprobung von innovativen Technologien und Geschäftsmodellen ermöglicht und erleichtert wird.
Mehr Luft zum Atmen: Experimentierklauseln
Wenn wir dem Fortschritt nicht „regulatorisch hinterherlaufen“ wollen, brauchen wir in Zukunft mehr Flexibilität und „Luft zum Atmen“. Experimentierklauseln stellen zentrale Bausteine dar, um den Rechtsrahmen innovationsoffen und zukunftsorientiert zu gestalten. Daher muss dieses Instrument gestärkt werden. Die Reallabore-Strategie zielt deshalb darauf ab, neuen Gesetzen und Verordnungen durch die verstärkte Anwendung von Experimentierklauseln mehr Flexibilität zu verleihen sowie bestehende Klauseln zu verbessern. Dazu hat die Bundesregierung in ihrem Paket für Bürokratieerleichterungen beschlossen, in Zukunft für jedes Gesetz zu prüfen, ob durch die Aufnahme einer Experimentierklauseln Reallabore ermöglicht werden können.
Vor diesem Hintergrund haben wir eine BMWi-Arbeitshilfe zur Formulierung von Experimentierklauseln (PDF, 3 MB) entwickelt, die die gesetzgebenden Stellen bei der Schaffung und Weiterentwicklung von rechtssicheren und innovationsoffenen Experimentierklauseln unterstützen. Die Arbeitshilfe beschreibt fünf Schritte zur Entwicklung einer Experimentierklausel sowie einen konkreten „Setzkasten“ als Formulierungshilfe. Sie basiert auf einem umfangreichen Gutachten (PDF, 5 MB) der Kanzlei Noerr im Auftrag des BMWK. Auf Grundlage dieser Arbeitshilfe arbeitet die Geschäftsstelle Reallabore eng mit den betroffenen Ressorts zusammen, um neue Experimentierklauseln zu schaffen und die bestehenden Regelungen zu verbessern.
Rechtlicher Anpassungsbedarf
Dennoch gibt es nach wie vor in vielen Innovationsbereichen keine rechtlichen Möglichkeiten für Reallabore. In einem Gutachten für das BMWK hat EY Law Deutschland eine Reihe von potentiellen Handlungsfeldern identifiziert, bei denen Experimentierklauseln und Reallabore die Erprobung neuer Ideen erleichtern würde, wie zum Beispiel bei der Digitalisierung von Zivilprozessen oder beim digitalen Führerschein. Allerdings sind nicht alle Bereiche für den Einsatz von Reallaboren geeignet.
Aber auch dort, wo der rechtliche Rahmen Reallabore zulässt, fehlen einheitliche Standards. Gerade für Mittelständler und Start-ups, aber auch für die Genehmigungsbehörden, sind die Rechtslage und die Genehmigungspraktiken teils unübersichtlich oder schwer nachvollziehbar. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf.
Konzept für ein Reallabore-Gesetz
Die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder hat von diesem Hintergrund im Juni 2021 betont, Reallabore seien „unerlässlich, um [..] den Weg für Innovationen zu ebnen und diese zu beschleunigen“ und sie hat die Bundesregierung gebeten, „ein Bundesexperimentiergesetz zu erarbeiten, das themenübergreifend einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen zur Einrichtung dieser Testräume schafft“.
Daher hat das Bundeswirtschaftsministerium die Arbeiten dieser Legislatur gebündelt und ein Konzept für ein Reallabore-Gesetz vorgelegt, das bundesweit einheitliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Reallabore bietet und neue Freiräume zur Erprobung von Innovationen ermöglicht.
Internationale Vorbilder und europäischer Rahmen
Das Gutachten „Reallabore – Überblick über internationale regulatorische Ansätze und ihre Umsetzbarkeit in deutsches Recht“ zeigt, welche rechtlichen Erprobungsansätze weltweit zum Einsatz kommen. Davon ausgehend untersucht es für Frankreich, Dänemark und Japan im Detail, welche Ansätze in das deutsche Recht überführt werden könnten.
Auch das europäische Recht spielt oft eine wichtige Rolle für Reallabore. Im Rahmen der deutschen Präsidentschaft hat der Rat der Europäischen Union am 16. November 2020 Ratsschlussfolgerungen zu Reallaboren und Experimentierklauseln beschlossen. Damit haben die EU-Mitgliedstaaten erstmals ein gemeinsames europaweites Verständnis geschaffen, was Reallabore (englisch: „regulatory sandboxes“) sind und welche Chancen sie bieten. Wenn es nun darum geht, die gesetzlichen Grundlagen für Reallabore zu verbessern, ist nun vor allem die Europäische Kommission gefragt. Ebenso rufen die Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Best-Practise-Austausch auf, über den die Kommission im Jahr 2021 umfassend berichten soll.
2. Know-how-Transfer und Vernetzung
Wir müssen Unsicherheiten und Informationsdefizite abbauen sowie die Vernetzung und den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung verbessern. In vielen laufenden und geplanten Projekten tauchen immer wieder dieselben Fragen auf: Ist so etwas rechtlich möglich? An wen muss ich mich wenden? Wo finde ich mögliche Projektpartner? Was muss ich mit Blick aufs Beihilfe- und Wettbewerbsrecht beachten und wie steht es um Fragen der Haftung und Versicherung? Wer kann mich unterstützen?
Die Beantwortung dieser Fragen kosten Zeit und Kraft – nicht selten ein Grund dafür, dass innovative und Erfolg versprechende Ideen nicht umgesetzt werden.
„Handbuch Reallabore“
Unser Ziel ist es, Informationsdefizite abzubauen, Synergieeffekte zu nutzen und Doppelarbeit zu vermeiden. Das BMWK hat daher das „Handbuch Reallabore“ entwickelt, das die relevanten Akteure in die Lage versetzen soll, die richtigen und notwendigen Fragen zu stellen und gleichzeitig bei der Beantwortung dieser Fragen unterstützen soll. Gleichzeitig informiert das Handbuch über rechtliche Fragestellungen und zeigt gelungene Beispiele aus der Praxis.
„Praxishilfe zum Datenschutz in Reallaboren“
Für Reallabore ist die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben der DS-GVO häufig mit Herausforderungen verbunden. Die datenschutzrechtlichen Regelungen enthalten jedoch an vielen Stellen Spielräume, die sich gerade für die Erprobung digitaler Innovationen nutzbar machen lassen. Das Datenschutzrecht gibt dem Rechtsanwender eine Reihe flexibler Instrumente an die Hand, die eine rechtskonforme Erprobung digitaler Innovationen zulassen und in der Praxis oftmals unterschätzt werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat mit der Praxishilfe zum Datenschutz in Reallaboren nun eine Broschüre vorgelegt, in der die wichtigsten datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Erprobung von Innovationen in Reallaboren aufgezeigt und Hinweise gegeben werden, wie Unternehmen damit erfolgreich umgehen können. Die Praxishilfe basiert auf einem umfangreichen Gutachten der Kanzlei Noerr im Auftrag des BMWK.
Forschungsgutachten zu Reallaboren, Online-Konsultation Das BMWK hat ein Gutachten mit dem Titel „Potenziale und Anforderungen regulatorischer Experimentierräume (Reallabore)“ an die VDI-Technologiezentrum GmbH vergeben, die das Thema zusammen mit der Münchner Kanzlei Bird & Bird LLP umfangreich bearbeitet hat. In dem Gutachten wurde zunächst ein umfassendes Screening bestehender Projekte in Deutschland vorgenommen, die zumindest teilweise einen Reallabor-Ansatz verfolgen. Im Rahmen von sechs Fallstudien wurde anschließend für ausgewählte Branchen und Anwendungsfälle analysiert, welche Hürden bei der Umsetzung bestehen, aber auch welche Chancen und Möglichkeiten die Projekte bieten. Die Fallstudien stehen unter den folgenden Links zum Download zur Verfügung: - Delivery Robot Hamburg (PDF, 200 KB) Auf der Basis der Fallstudien haben die Auftragnehmer einen Leitfaden für die Schaffung von Reallaboren entwickelt. Dieser Leitfaden-Entwurf (PDF, 967 KB) wurde im Rahmen einer Online-Konsultation im Frühjahr 2019 durch die Expertinnen und Experten des Netzwerks Reallabore auf seine Praxistauglichkeit hin überprüft. Dabei wurden die Mitglieder des Netzwerks auch gebeten, eigene Beispiele für interessante Praxisprojekte vorzustellen. Die Ergebnisse des Forschungsgutachtens und die Hinweise und Ideen aus dem Netzwerk Reallabore bilden schließlich die Grundlage für das „Handbuch Reallabore“. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Konsultationsprozesse (PDF, 373 KB) stehen zum Download zur Verfügung. |
„Netzwerk Reallabore“
Durch die Einrichtung eines „Netzwerk Reallabore“ soll der Austausch und die Vernetzung zwischen den Stakeholdern erleichtert und Informationen über rechtliche Möglichkeiten, zukünftige Reallabore-Wettbewerbe oder Praxisbeispiele aus dem In- und Ausland verbreitet werden. Das Netzwerk kann auch dazu dienen, Projektpartner, wie zum Beispiel ein Start-up mit einer innovativen Idee und eine experimentierfreudige Gemeinde, zusammenzuführen. Das erste Treffen des Netzwerks fand am 28. August 2019 im BMWK statt. Auch zwischen den Bundesministerien wird die Vernetzung durch die bestehende interministerielle Arbeitsgruppe gestärkt.
Interministerielle Arbeitsgruppe „Reallabore als Testräume für Innovation und Regulierung“ Das BMWK versteht Reallabore als ordnungspolitisches Querschnittinstrument. Darüber hinaus trägt das BMWK innerhalb des Ressortkreises nicht nur die Verantwortung für die Innovations- und Digitalisierungspolitik, sondern auch für den Bereich Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung. Gleichzeitig gehen die konkreten Anwendungsfelder weit über die Zuständigkeiten des BMWK hinaus. Auch der Koalitionsvertrag 2018 hat das klare Ziel, Reallabore und Experimentierräume in ganz unterschiedlichen Themenbereichen voranzutreiben. Die enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ressorts ist daher zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung unserer Reallabore-Strategie. Um den Austausch zu vereinfachen, wurde die interministerielle Arbeitsgruppe „Reallabore“ ins Leben gerufen. Die Auftaktsitzung der Arbeitsgruppe fand am 27. November 2018 in Berlin statt. Es gibt einen breiten Konsens, dass Reallabore in Zeiten des digitalen Wandels ein wichtiges und notwendiges Instrument darstellen, um den Regulierungsrahmen weiterzuentwickeln und Innovation in Deutschland zu ermöglichen. |
3. Reallabore in der Praxis erproben
Wir wollen die Erprobung von Innovation und Regulierung durch eigene Projekte stärker in der Praxis verankern, mit positiven Beispielen vorangehen und zeigen, dass Reallabore einen wertvollen Beitrag für Innovationen in Deutschland leisten können.
Innovationspreis Reallabore
Durch Reallabore-Wettbewerbe sollen herausragende Ideen und Projekte aus der Praxis sichtbar gemacht und begleitet werden. Mit dem "Innovationspreis Reallabore" hat das BMWK einen Wettbewerb ins Leben gerufen, für den sich Unternehmen, Verwaltungen und Forschungseinrichtungen mit ihren innovativen Projekten und Ideen bewerben können. Am 10. November 2021 startete bereits der zweite Innovationspreis Reallabore. Alle Informationen zum aktuellen Wettbewerb finden Sie hier. Dort findet sich auch ein Rückblick auf den ersten Innovationspreis Reallabore und dessen Sieger.