IN KÜRZE

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im dritten Quartal 2022 preis- und saisonbereinigt um 0,4 % ggü. dem Vorquartal zu. Es hat damit erstmals das Niveau vor der Corona-Krise überschritten.

Die Bruttowertschöpfung im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) stieg gegenüber dem Vorquartal insgesamt um 0,6 % an. Deutliche Rückgänge gab es allerdings in den besonders energieintensiven Branchen.

Getragen wurde das Wirtschaftswachstum im dritten Vierteljahr vor allem vom privaten Konsum nach dem Wegfall fast aller Corona-Beschränkungen.

Dennoch steht die Wirtschaft vor einem herausfordernden Winter. In den kommenden Quartalen dürfte sich die Konjunktur infolge der inflationsbedingten Kaufkraftverluste verschlechtern und die deutsche Volkswirtschaft eine rezessive Entwicklung aufweisen.

Das Statistische Bundesamt hat am 25. November 2022 die ausführlichen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal 2022 bekannt gegeben. Demnach hat das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP um 0,4 % gegenüber dem Vorquartal zugenommen. Die deutsche Wirtschaft ist damit in den ersten drei Vierteljahren robust gewachsen und lag erstmals oberhalb des Niveaus vor der Corona-Krise vom vierten Quartal 2019. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen aus Energiekrise, anhaltenden Lieferengpässen und hoher Inflationsrate ist dies eine positive Überraschung.

Die privaten Konsumausgaben konnten im Sommer nach der Aufhebung fast aller Corona-Beschränkungen merklich zulegen und das deutsche BIP maßgeblich stützen. Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine kommt es zu starken Anstiegen beim Verbraucherpreisniveau, die vor allem durch den drastischen Anstieg der Energiepreise verursacht werden. Bislang konnte die Auflösung der während der Corona-Lockdowns bei den Haushalten angefallenen Ersparnisse den Konsum aber abfedern.

In der Herbstprojektion vom 12. Oktober 2022 hatte die Bundesregierung ein BIP-Wachstum von 1,3 % im Gesamtjahr 2022 erwartet. Mit der nun erfolgten Veröffentlichung bestätigen die amtlichen Zahlen, dass die Wirtschaftsleistung bis zum dritten Quartal noch etwas kräftiger gewachsen ist als angenommen. Dennoch dürfte das Winterhalbjahr herausfordernd für die deutsche Volkswirtschaft werden und die Wirtschaftsleistung in den kommenden beiden Quartalen voraussichtlich leicht zurückgehen. Die Bundesregierung legt ihre nächste Projektion im Rahmen der Veröffentlichung des Jahreswirtschaftsberichts am 25. Januar 2023 vor.

INDUSTRIEPRODUKTION UND DIENSTLEISTUNGSBEREICHE LEGEN ZU, BAUGEWERBE RÜCKLÄUFIG

Insgesamt konnte die Bruttowertschöpfung im dritten Quartal 2022 in preis-, saison- und kalenderbereinigter Rechnung gegenüber dem Vorquartal um 1,4 % zulegen. Dazu trug auch das Verarbeitende Gewerbe bei, das zwar in den energieintensiven Bereichen die Produktion drosselte, durch Zuwächse in den gewichtigen Bereichen Kfz und Maschinenbau aber insgesamt noch um 0,9 % zulegen konn- te. Die Industrie hat angesichts der stark gestiegenen Energiepreise bis zum Herbst durch Einsparungen und Wechsel der Brennstoffe („fuel switch“) ihren Gasverbrauch deutlich zurückgefahren. Insbesondere in den energieintensiven Branchen wie der Herstellung von chemischen Erzeugnissen sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung ging das allerdings mit Produktionsrückgängen einher, wobei die ausgefallene Produktion wohl zum Teil durch Importe substituiert wurde.

In den großen Dienstleistungsbereichen Handel, Verkehr und Gastgewerbe (+3,3 %), Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit (+4,5 %) sowie den sonstigen Dienstleistern (+5,4 %) kam es zu Zuwächsen. Im Baugewerbe hingegen war die Bruttowertschöpfung mit -4,2% erneut deutlich rückläufig.

KONSUM WEITER GEWACHSEN – INVESTITIONEN LEGTEN KRÄFTIG ZU

Auch im dritten Quartal waren die privaten Konsumausgaben der Wachstumsmotor für das deutsche BIP. Sie lagen um 1,0 % über dem Vorquartal, da die Menschen nach dem weitgehenden Wegfall der Corona-Beschränkungen beispielsweise wieder mehr verreisten und Restaurants besuchten. Die stark gestiegenen Verbraucherpreise führten allerdings zu Kaufzurückhaltung bei langlebigen Gütern. Der staatliche Konsum blieb unverändert (0,0 %): Den sinkenden Ausgaben im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie standen weiterhin hohe Beschaffungskosten für Impfstoffe sowie Ausgaben für Geflüchtete gegenüber.

ECKWERTE DER GESAMTWIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG IN DEUTSCHLAND Bild vergrößern

Die Investitionen in Ausrüstungen (Maschinen, Geräte und Fahrzeuge) konnten erneut kräftig zulegen, im dritten Quartal um 2,7 %. Bei den Bauinvestitionen kam es angesichts steigender Zinsen und Materialknappheit hingegen erneut zu einem markanten Rückgang (-1,4 %).

Der Außenhandel konnte sich trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter erholen. Die Exporte lagen um 2,0 % über dem Niveau des Vorquartals. Die Importe konnten mit 2,4 % sogar noch etwas kräftiger zulegen. Hierzu trugen auch die Dienstleistungsimporte bei, die infolge der wieder gestiegenen Reisetätigkeit für Wachstumsimpulse sorgten.

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ARBEITSMARKT ROBUST, FLUCHTMIGRATION WIRKT SICH AUF DIE ARBEITSLOSIGKEIT AUS

Im Durchschnitt waren im dritten Quartal rund 45,6 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Dieser Wert liegt um 490.000 Personen über dem Vorjahr und stellt einen neuen Höchststand dar.

Die registrierte Arbeitslosigkeit stieg im dritten Quartal auf rund 2,5 Mio. Personen an. Der Zuwachs ist aber nicht konjunkturell, sondern überwiegend durch ukrainische Geflüchtete bedingt, die seit Juni in der Grundsicherung erfasst werden.

Die durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen nahmen um 1,1 % gegenüber dem Vorjahresquartal zu. Grund hierfür ist vor allem der Rückgang der Kurzarbeit. Das Arbeitsvolumen als Summe der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen lag im dritten Quartal um 2,2 % über dem Vorjahreswert. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – ging gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,0 % zurück, da die Zahl der Arbeitsstunden sich stärker erholte als das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum.

Die Arbeitnehmerentgelte wuchsen binnen Jahresfrist deutlich um 4,6 %, und auch die Unternehmens- und Vermögenseinkommen konnten mit +2,4 % wieder expandieren. Der Zuwachs bei den Bruttolöhnen und -gehältern betrug im Durchschnitt je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer 3,7 %. Dieser Anstieg ist vor allem durch den Rückgang der Kurzarbeit bedingt. Weil sich auch die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhöhte, stieg die Summe der Bruttolöhne und -gehälter insgesamt kräftig um 5,0 %. Die Nettolöhne und -gehälter stiegen aufgrund der steuerlichen Entlastungen mit 5,2 % leicht stärker.

Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte lag im Vergleich zum Vorjahresquartal um 8,6 % höher. Darin berücksichtigt ist auch die Energiepauschale, die laut Berechnungen des Statistischen Bundesamts rund zwei Prozentpunkte des Anstiegs ausmachte. Die privaten Konsumausgaben nahmen in nominaler (nicht preisbereinigter) Rechnung um 9,4 % gegenüber dem Vorjahr zu. Die saisonal bereinigte Sparquote der privaten Haushalte sank auf 9,6 % und liegt damit nun unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Hier macht sich der starke Anstieg der Verbraucherpreise bemerkbar: Die Haushalte reduzieren ihre Ersparnisbildung und müssen einen größeren Teil ihrer verfügbaren Einkommen für den privaten Verbrauch aufwenden.