Den Tourismus nachhaltig und wettbewerbsfähig gestalten

Der Tourismus in Deutschland ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und ein bedeutender Arbeitgeber. 4,1 Millionen Personen waren 2019 direkt oder indirekt im Tourismus erwerbstätig; das sind etwa neun Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Die Branche wirkt maßgeblich auch auf andere Bereiche wie Verkehr, Handel, Handwerk, Landwirtschaft, Gesundheit, Freizeit oder Kultur- und Kreativwirtschaft. Im Jahr 2019 hat die Tourismuswirtschaft mit 124 Milliarden Euro vier Prozent der Wertschöpfung in Deutschland erwirtschaftet; zusammen mit den inländischen Zulieferungsbereichen waren es sogar knapp sieben Prozent.

Reisen fördert den kulturellen Austausch, überwindet Grenzen und führt Menschen zusammen. Doch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben die Tourismusbranche erschüttert. Allein das Gastgewerbe verbuchte im Jahr 2020 nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts einen Umsatzeinbruch von fast 39 Prozent. In der Reisewirtschaft fiel der Einbruch mit gut 71 Prozent sogar noch drastischer aus. Nach einer ermutigenden Ent- wicklung seit dem Abklingen der Pandemie ist die Tourismuswirtschaft nun – wie alle Unternehmen – durch explodierende Energiekosten infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, stark steigende Lebensmittelpreise und die allgemeinen Auswirkungen der hohen Inflation auf das Reise- und Freizeitverhalten vor besondere Herausforderungen gestellt. Hinzu kommt die schwierige Arbeits- und Fachkräftesituation im Hotel- und Gastgewerbe.

Es gilt nun, die Strukturen auch nach der Covid-19-Pandemie weiter zu erhalten und fortzuentwickeln sowie die Resilienz und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu stärken. Die Zukunftsthemen des Tourismus müssen dabei klar in den Blick genommen werden: Die Branche muss sich klimaneutral, nachhaltig und digital zukunftsfähig aufstellen. Hier sind zuallererst die Unternehmen selbst gefragt. Die Bundesregierung flankiert den Wandel.

Vereinbarung einer Nationalen Tourismusstrategie

Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode betont die Bedeutung des inländischen Tourismus als wichtigem Wirtschaftsfaktor mit großem Zukunftspotenzial, insbesondere auch im ländlichen Raum: „Wir nehmen den Prozess zur Nationalen Tourismusstrategie wieder auf, verbessern die Koordinierung der Tourismuspolitik, um den Tourismusstandort Deutschland nach der Corona-Krise nachhaltig, klimafreundlich, sozial gerecht und innovativ zu gestalten. (...) Für einen langfristigen Dialog zu den Zukunftsthemen der Branche, Klimaneutralität, Digitalisierung, Fachkräfte, etablieren wir eine Nationale Plattform Zukunft des Tourismus.“

Entsprechend setzt die Nationale Tourismusstrategie in der aktuellen Legislaturperiode mit den Kernthemen Klimaneutralität/Umwelt- und Naturschutz, Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit klare Schwerpunkte für zukunftsweisende Rahmenbedingungen.

Eckpunkte und Arbeitsprogramm

Um der Weiterentwicklung der Nationalen Tourismusstrategie einen verbindlichen Rahmen zu geben, hat das Kabinett Anfang Juli 2022 Eckpunkte beschlossen. Sie sind die Basis für das Arbeitsprogramm der Bundesregierung, das am 28. September 2022 veröffentlicht wurde. Das Arbeitsprogramm stellt entlang der oben erwähnten Kernthemen konkrete Maßnahmen und Projekte aus den Bundesressorts vor, von denen die Tourismuswirtschaft profitieren kann. Dabei sind jedoch nicht alle Maßnahmen branchenspezifisch, sondern zu einem großen Teil auch branchenübergreifend konzipiert. Insbesondere werden die folgenden wichtigen Akzente gesetzt:

Klimaneutralität, Umwelt- und Naturschutz im Tourismus stärken

Der Erhalt einer intakten Umwelt und der Schutz des Klimas sind essenziell, um die Existenzgrundlagen des Tourismus auch langfristig zu sichern – sie sind eine Voraussetzung für die Attraktivität touristischer Destinationen. Allein aus diesem Grund muss die Tourismuswirtschaft ein Interesse da- ran haben, ihren ökologischen und ihren Klima-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten.

Die Bundesregierung möchte die Bemühungen der Tourismuswirtschaft auf ihrem Weg hin zu Treibhausgasneutralität, zu einer adäquaten Anpassung an den Klimawandel und zu einem umfassenden Umwelt- und Naturschutz unterstützen. Dabei müssen zunächst die wesentlichen Möglichkeiten identifiziert werden, wie Treibhausgasemissionen gesenkt und Schaden an Mensch und Umwelt durch touristische Aktivitäten vermieden werden kann. Entsprechend strebt die Bundesregierung eine Verbesserung der Datengrundlagen im Bereich Klimaneutralität sowie Umwelt- und Naturschutz an. So ist beispielsweise im Projekt zum Deutschen Klimafonds Tourismus die Entwicklung eines branchenweiten, umfassenden und den Bedürfnissen der Tourismusbranche entsprechenden Berichtssystems für Treibhausgase geplant. Letztendlich soll der Deutsche Klimafonds Tourismus der Tourismusbranche ermöglichen, wirksame Treibhausgas-Reduktionen im Einklang mit den nationalen Klimaschutzzielen in Deutschland zu entwickeln, einzuführen und zu dokumentieren. Dafür ist eine adäquate Datenbasis unerlässlich.

Ein zentraler Hebel für klimafreundlicheren Tourismus ist die Mobilität.

Darüber hinaus will die Bundesregierung Unternehmen und Reisende stärker für das Thema Klima- und Umweltschutz sensibilisieren. Das passiert z. B. ab dem Jahr 2023 über eine stärkere Berücksichtigung des Themas Klimaschutz in der Werbung für den Tourismusstandort Deutschland durch die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT). Konkret wird die DZT u.a. die Möglichkeiten des emissionsarmen Reisens innerhalb Deutschlands herausstellen und in den Überseemärkten für eine längere Aufenthaltsdauer in Deutschland werben.

Ein zentraler Hebel für klimafreundlicheren Tourismus ist die Mobilität. Die Bundesregierung stärkt deshalb umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Rad und Schiene u. a. durch den Deutschlandtakt und den Ausbau des Radnetzes. Aber auch der Straßen- und Luftverkehr werden fester Bestandteil des Reisens bleiben und müssen klimafreundlicher werden. Ein Ziel ist in diesem Zusammenhang, dass bis 2030 15 Millionen Elektro-Pkw auf Deutschlands Straßen unterwegs sein sollen.

Fach- und Arbeitskräfte gemeinsam sichern

Der Tourismus lebt von Menschen und Begegnungen und ist als Dienstleistungsbranche entsprechend auf motivierte und qualifizierte Mitarbeitende angewiesen. Der angespannte Markt für Fach- und Arbeitskräfte war bereits vor der Covid-19-Pandemie eine wesentliche Herausforderung für die Tourismuswirtschaft.

Zusätzlich haben aufgrund der Unsicherheit während der Pandemie viele Mitarbeitende der Branche den Rücken gekehrt. So verließen allein 2020 rund 216.000 Personen das Berufsfeld Tourismus, Hotel und Gaststätten.

Den Tourismus nachhaltig und wettbewerbsfähig gestalten

Die Bundesregierung geht das Problem der Fachkräftesicherung branchenübergreifend an und hat im Oktober 2022 die neue Fachkräftestrategie im Kabinett verabschiedet. Vorhandene Arbeitspotenziale sollen durch angemessene Anreize und Rahmenbedingungen besser gehoben, die Aus- und Weiterbildung gestärkt sowie die qualifizierte Einwanderung gesteigert werden. Zudem soll die Allianz für Aus- und Weiterbildung fortgesetzt sowie der Aufbau von Weiterbildungsverbünden gefördert werden. Außerdem unterstützt die Bundesregierung kleine und mittlere Unternehmen dabei, Fachkräfte zu finden, zu binden und weiter zu qualifizieren.

Nachwuchs- und Passungsproblemen auf dem Ausbildungsmarkt möchte die Bundesregierung mit verschiedenen Programmen wie der „Passgenauen Besetzung“ angehen. Ferner unterstützt sie Unternehmen bei der Besetzung von offenen Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten durch die sogenannten Willkommenslotsen und das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“.

Für die Erwerbseinwanderung hat das Bundeskabinett kürzlich Eckpunkte verabschiedet. So soll es künftig beispielsweise möglich sein, dass ausländische Arbeitskräfte unabhängig von einer Qualifikation eine befristete Beschäftigung in Branchen aufnehmen können, in denen ein arbeitsmarktlicher Bedarf festgestellt wird. Zudem will die Bundesregierung die Westbalkanregelung entfristen und ausweiten, um die Zuwanderung von Arbeitskräften auf diesem Weg zu erleichtern.

Jedoch ist nicht nur die Politik gefordert, sondern auch die Branche selbst: Sie kann durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Arbeits- und Willkommenskultur in erheblichem Maße dazu beitragen, inländische wie ausländische Fachkräfte für sich zu gewinnen und auch langfristig zu binden.

Digitale Infrastruktur und Kompetenzen im Tourismus stärken

Stärkere und schnellere Digitalisierung ist ein Schlüsselelement, um die Tourismusbranche zukunftsfähig aufzustellen. Gerade die Covid-19-Pandemie hat den Bedarf an digitalen Lösungen und Tools im Tourismusgeschäft noch einmal besonders deutlich vor Augen geführt. Unter anderem sahen sich Unternehmen ohne digitalen Kundenkontakt besonders großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Hinzu kommt, dass innovative digitale Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu mehr Krisenresilienz beitragen können. Beispiele sind die digitale Planung von vernetzter, umweltfreundlicher Mobilität, persönlich zugeschnittene, vernetzte Reiseangebote, Unterstützung bei der Fachkräftegewinnung, die Automatisierung von Arbeitsprozessen oder die Lenkung von Besucherströmen.

In kleinen und mittleren Unternehmen, die die Tourismuswirtschaft in Deutschland prägen, ist die Nutzung digitaler Technologien aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen jedoch oft geringer ausgeprägt als in Großunternehmen. Ein Ansatz, diese Unternehmen zu unterstützen, sind die derzeit mehr als 25 Zentren des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Sie bilden bundesweit ein flächendeckendes Netz mit konkreten Anschauungs- und Erprobungsmöglichkeiten und dienen als erste Anlaufstelle, wenn es um Digitalisierung geht. Daneben werden verschiedene Programme wie beispielsweise Digital Jetzt oder go-digital angeboten, die Investitionen in digitale Technologien, Anwendungen und Qualifikationen unterstützen oder Beratungsleistungen für kleinere Unternehmen fördern.

Neben der konkreten Förderung legt die Bundesregierung bei der Digitalisierung Schwerpunkte darauf, die digitale Infrastruktur auszubauen (beispielsweise über die Gigabitstrategie und die Breitbandförderung) und Daten und Informationen in adäquater Form bereitzustellen, damit sie für konkrete Belange der Tourismuswirtschaft genutzt werden können.

Wettbewerbsfähigkeit im Tourismus fördern – Attraktivität des Tourismusstandorts Deutschland steigern

Grundlage eines wettbewerbsfähigen Tourismus ist die Attraktivität von Städten sowie ländlichen Räumen. Dazu können Investitionen in neue Infrastrukturen sowie Maßnahmen zur Kultur- und Traditionspflege beitragen. Eine große Bedeutung kommt dabei den Gemeinschaftsaufgaben zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) und zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) zu. Denn gerade in ländlichen Gebieten ist der Tourismus ein besonders wichtiger Faktor für das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben: Er stärkt die regionale Identität, bietet Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven und schafft einen Anreiz, Infrastrukturen auszubauen. Das kommt nicht nur Touristen, sondern auch der lokalen Bevölkerung zugute.

Ferner ist es ein Anliegen der Bundesregierung, das Freizeit- und Kulturangebot in den Regionen zu stärken, Gründerinnen und Gründer sowie die bestehenden Unternehmen in der Tourismusbranche von unverhältnismäßiger Bürokratie zu entlasten und die bewährten Förder- und Beratungsangebote für mittelständische Unternehmen noch transparenter und damit nutzbarer zu machen.

Ausblick auf 2023

Das Arbeitsprogramm zur Nationalen Tourismusstrategie ist als „lebendes Dokument“ zu verstehen, das im Laufe der Legislaturperiode ergänzt und an sich möglicherweise ändernde Gegebenheiten angepasst werden kann. Dafür ist als zentrales Instrument die „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“ vorgesehen. Sie soll die verschiedenen betroffenen Akteure auf allen Ebenen vernetzen und auf diese Weise einen langfristigen Dialog zur Weiterentwicklung der Strategie ermöglichen. In vier Arbeitsgruppen entlang der vier Kernthemen Klimaneutralität/Umwelt- und Naturschutz, Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit sollen dann Maßnahmen bei Bedarf nachjustiert oder durch neue Maßnahmen ergänzt werden.

Damit sich Rahmenbedingungen des Arbeitsprogramms vor Ort spürbar positiv auswirken können, ist es wichtig, dass die Länder und die Branche ihre eigenen Maßnahmen einbringen und sie mit denen des Arbeitsprogramms sinnvoll verzahnen. Ein Beispiel: Der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geplante Ausbau der touristischen Radverkehrsinfrastruktur kann nur dann wirksam zu einem sicheren, lückenlosen und attraktiven Radwegenetz beitragen, wenn Länder und Kommunen beim Ausbau ihrer Radinfrastruktur die Maßnahmen des Bundes berücksichtigen – und umgekehrt. Ein weiteres Beispiel: Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung hat zum Ziel, die inländischen und ausländischen Fachkräftepotenziale auszuschöpfen und damit auch für die Tourismusbranche verfügbar zu machen. Damit Menschen aus dem Ausland, aber auch aus dem Inland sich bereitwillig in einer Region mit Arbeitskräftebedarf niederlassen, ist es wichtig, dass vor Ort für gute Lebensbedingungen, ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum sowie attraktive regionale und kommunale Infrastruktur gesorgt wird.

Die Nationale Plattform Zukunft des Tourismus wird ihre operativen Aufgaben im Frühjahr 2023 beginnen, sobald eine Geschäftsstelle eingerichtet wurde. Das Ausschreibungsverfahren für die Geschäftsstelle läuft. Die politische Steuerung des Prozesses verbleibt dabei im BMWK, das in der Bundesregierung federführendes und koordinierendes Ressort für den Bereich Tourismus ist.


KONTAKT

Dr. Katja Gerling
Referat: Tourismuswirtschaft

schlaglichter@bmwk.bund.de

Weitere Informationen zur Nationalen Tourismusstrategie:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Tourismus/nachhaltigen-tourismus-wettbewerbsfaehig-gestalten.html