Im Fokus

Um die Transformation zu einer klimaneutralen Industrie voranzubringen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein zentrales Förderprogramm aufgesetzt: das Förderprogramm Klimaschutzverträge. Das erste vorbereitende Verfahren dieses Förderprogramms startete am 6. Juni 2023. Über Klimaschutzverträge, die das BMWK mit Unternehmen der energieintensiven Industrie schließen will, werden Kostennachteile ausgeglichen und Preisrisiken abgesichert, die Industrieunternehmen von Investitionen in klimafreundliche Produktionen derzeit noch abhalten. Klimaschutzverträge dienen zur Anschubfinanzierung mit dem Ziel, dass transformative Industrieanlagen in Deutschland errichtet und betrieben werden. Sie sind ein zentraler Baustein der Bundesregierung auf dem Weg, den Industrie- und Innovationsstandort Deutschland zu modernisieren und klimafreundlich zu gestalten. Mit den Klimaschutzverträgen nimmt Deutschland international eine Vorreiterrolle gegenüber vielen Staaten und der Europäischen Union ein, die aktuell an ähnlichen Programmen arbeiten. Für das Programm will das BMWK finanzielle Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe zur Verfügung stellen.

Herausforderungen für die Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität

Mit dem Bundesklimaschutzgesetz hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Bis 2045 soll Klimaneutralität erreicht werden. Das geht nur gemeinsam mit der Industrie, die für rund ein Fünftel der in Deutschland ausgestoßenen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Damit eine Umstellung auf klimaneutrale Produktionsprozesse bis 2045 gelingen kann, muss die Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität ambitioniert vorangebracht werden. Für Industrieunternehmen ist das eine große Herausforderung, denn die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion ist häufig mit hohen Zusatzkosten und Preisrisiken verbunden.

Dies liegt insbesondere daran, dass die gesamtwirtschaftlichen und -gesellschaftlichen Kosten des Klimawandels, der durch die heute noch vorherrschenden industriellen Produktionsverfahren mitverursacht wird, weltweit nur in geringem Umfang, zum Beispiel durch Emissionshandelssysteme, in die Produktionskosten eingepreist sind. Dadurch sind klimaschädliche Produktionsverfahren für Unternehmen aktuell oft noch günstiger als klimafreundliche. Häufig wäre die Umstellung von der herkömmlichen auf eine klimafreundliche Produktion für Unternehmen mit solch hohen Kosten verbunden, dass sie zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber jenen Unternehmen führen würde, die noch nicht auf klimafreundliche Produktionsverfahren umgestellt haben. Dabei spielen Preisrisiken eine wesentliche Rolle: So ist beispielsweise nicht klar, wie sich der Preis für bestimmte Energieträger wie Wasserstoff entwickeln wird. Investitionen in klimafreundliche Technologien betreffen aber häufig Anlagen mit einer technischen Lebensdauer von über 15 Jahren und mehr. Dadurch ergibt sich oft ein Investitionsrisiko, das viele Unternehmen nicht eingehen können. Um private Investitionen in klimafreundliche Anlagen anzustoßen, müssen deshalb insbesondere auch Risiken abgefedert werden. Hier setzt das BMWK mit den Klimaschutzverträgen nach dem Konzept der CO2-Differenzverträge an und schlägt damit ein neues Kapitel im Bereich der Industrieförderung auf.

Konzept der Klimaschutzverträge

Mit dem Förderprogramm Klimaschutzverträge unterstützt das BMWK Unternehmen der energieintensiven Industrien bei der Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion. Dort sind die Mehrkosten einer Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion und gleichzeitig die damit verbundenen CO2-Einsparungen besonders hoch. Das Förderprogramm ist darauf ausgelegt, eine staatliche Unterstützung möglichst bürokratiearm, schnell und effizient zu ermöglichen. Dafür kommt ein Auktionsverfahren zum Einsatz: Unternehmen werden aufgefordert, ihren Förderkostenbedarf zu bestimmen und ein entsprechendes Gebot abzugeben. Der Bieter berechnet seine Förderlücke, indem er die betriebswirtschaftliche Kalkulation einer konventionellen Anlage mit der einer klimafreundlichen Anlage vergleicht. Es erhalten diejenigen Bieter einen Klimaschutzvertrag, die mit ihrem Gebot den effizientesten Beitrag zur Einsparung von Treibhausgasen durch ihr neues Produktionsverfahren aufzeigen können. Gefördert werden dann im Wesentlichen die Differenzkosten zwischen der konventionellen und der klimafreundlichen Anlage (siehe Abbildung 1).

ABBILDUNG 1: BERECHNUNG DES FÖRDERKOSTENBEDARFS FÜR INVESTITIONSAUSGABEN (CAPEX) UND BETRIEBSAUSGABEN (OPEX) Bild vergrößern

Dies ermöglicht ein anreizkompatibles, schlankes und bürokratiearmes Vergabeverfahren, das – im Rahmen des haushaltsrechtlich Möglichen – ohne komplizierte und langwierige Prüfverfahren auskommen soll. Mit dieser Ausgestaltung des Gebotsverfahrens können die Fördermittel effizient zugeteilt, Chancengleichheit im Wettbewerb gewährleistet und der wirtschaftliche Einsatz staatlicher Mittel ermöglicht werden. So wird sichergestellt, dass die Mittel dorthin fließen, wo sie für die Transformation der Industrie gebraucht werden und den größten Nutzen bringen, bei gleichzeitiger Vermeidung von Überkompensation.

Die Klimaschutzverträge sind den Hedging-Verträgen der Privatwirtschaft nachempfunden, die dazu dienen, Geschäfte gegen schwankende Marktpreise abzusichern. Dies ermöglicht zum Beispiel bei Rohstoffen eine vorhersehbare Kostenstruktur für die Produktionsplanung. Vereinfacht funktioniert das Hedging so, dass der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer für ein bestimmtes Produkt einen Preis zu vorab definierten Zeitpunkten vereinbaren. So reduziert der Sicherungsnehmer sein Preisrisiko: Liegt zu den vorab definierten Zeitpunkten der Marktpreis über dem vereinbarten Preis, zahlt der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer die Preisdifferenz. Liegt der Marktpreis unter dem vereinbarten Preis, kommt es zu einer entsprechend umgekehrten Zahlung.

Auch die Klimaschutzverträge folgen dem Prinzip der Absicherung möglicher Preisschwankungen. Insgesamt erhalten die Unternehmen staatliche Ausgleichszahlungen, soweit die klimafreundliche Produktion kostenintensiver bleibt als die konventionelle Produktion. Mit sinkenden Kosten für die abgesicherten erneuerbaren Energieträger und steigenden CO2-Kosten reduziert sich die staatliche Förderung automatisch. Wird die klimafreundliche Produktion günstiger als die konventionelle, kehrt sich der Zahlungsfluss sogar um: Die geförderten Unternehmen zahlen dann ihre Mehreinnahmen an den Staat. Klimaschutzverträge sind damit auch ein kosteneffizientes Förderinstrument für den Staat, das transformative Technologien für Unternehmen, Investorinnen und Investoren sowie Finanziererinnen und Finanzierer kalkulierbar macht (siehe Abbildung 2 für eine detaillierte Darstellung der Funktionsweise).

ABBILDUNG 2: FUNKTIONSWEISE VON KLIMASCHUTZVERTRÄGEN Bild vergrößern

Viel mehr als nur Reduktion von Emissionen

Mit den Klimaschutzverträgen können unmittelbar große Mengen Treibhausgase in der Industrie eingespart werden: Ziel sind rund 350 Megatonnen CO2-Äquivalent bis 2045, also bis zu 20 Megatonnen im Jahr. Darüber hinaus sollen die Klimaschutzverträge dazu führen, dass klimafreundliche Technologien und Infrastrukturen in Deutschland entwickelt und betrieben werden. Durch die Entwicklung von Produktionsanlagen und Pipelines für Wasserstoff sowie generell von Know-how zum Bau, Betrieb und zur Finanzierung von klimafreundlichen Anlagen und grünen Leitmärkten entstehen ganz neue Wachstums- und Beschäftigungschancen (vgl. Abbildung 3). Dies reduziert schrittweise die Kosten für klimafreundliche Produktionsanlagen, sodass diese mittelfristig auch ohne staatliche Förderung errichtet und betrieben werden können.

ABBILDUNG 3: KLIMASCHUTZVERTRÄGE ERMÖGLICHEN DIE NOTWENDIGE MARKTTRANSFORMATION Bild vergrößern

Welche Unternehmen profitieren?

Klimaschutzverträge kommen grundsätzlich für Unternehmen in Betracht, die eine klimafreundliche Anlage in der emissionsintensiven Industrie errichten und betreiben wollen, wie zum Beispiel in den Branchen Glas und Keramik, Grundstoffe, Kalk und Zement sowie Stahl und Lebensmittel. Die Anlage muss mindestens 90 Prozent weniger CO2-Äquivalent emittieren können als die aktuell emissionseffizienteste konventionelle Anlage.

Dabei hat das BMWK die neue Förderrichtlinie so gestaltet, dass das Förderprogramm Klimaschutzverträge nicht nur Unternehmen mit großen, sondern auch mit kleineren Produktionsanlagen offensteht: Die konventionelle Produktionsanlage, die als Referenz herangezogen wird, muss nur 10 Kilotonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Zudem können sich mehrere Betreiber mit kleineren Anlagen als Konsortium zusammenschließen. Dies kommt insbesondere mittelständischen Unternehmen zugute, die sich so auch für eine direkte Förderung bewerben können. Darüber hinaus profitieren sie von Klimaschutzverträgen mittelbar, zum Beispiel durch Aufträge im Anlagenbau sowie vielfältige andere Zulieferungen und mittelfristig durch sinkende Kosten klimafreundlicher Anlagen.

Weitere Ausgestaltungs- und Zugangskriterien

Im Rahmen der Klimaschutzverträge werden sowohl Investitionskosten als auch Betriebskosten über einen Zeitraum von 15 Jahren gefördert. Dadurch erhalten die Unternehmen und ihre privaten Finanziererinnen und Finanzierer einerseits Planungssicherheit für den Bau großer Industrieanlagen. Andererseits soll dadurch die staatliche Förderung je Anlage günstiger werden, unter anderem weil Rückzahlungen im Zeitverlauf wahrscheinlicher werden. So können mit dem vorhandenen Budget mehr Klimaschutzverträge abgeschlossen werden. Die Klimaschutzverträge sind zugleich so ausgestaltet, dass Unternehmen Technologien jederzeit wechseln können und einen Anreiz zur steten Optimierung haben.

Unabdingbare Voraussetzung für die Förderfähigkeit von Unternehmen im Rahmen der Klimaschutzverträge ist, dass der verwendete Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde. Sofern so genannter blauer Wasserstoff eingesetzt wird, muss dieser die strengen Kriterien der EU-Taxonomie erfüllen. Das heißt, blauer Wasserstoff darf nur dann eingesetzt werden, wenn bei dessen Herstellung nur geringe Emissionen entstehen. Wer den ganz ohne fossile Gase erzeugten grünen Wasserstoff einsetzt, erhält eine höhere Förderung als bei Einsatz von blauem Wasserstoff. Klimaschutzverträge können bei geeigneten Anlagen einen Mindesteinsatz von Wasserstoff festschreiben. Auch Wasserstoffderivate können eingesetzt werden. So tragen Klimaschutzverträge zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft bei.

Roadmap für die Umsetzung

Seit dem 6. Juni 2023 läuft das erste vorbereitende Verfahren. Dadurch sammeln wir Informationen, um die Durchführung des Gebotsverfahrens für die Klimaschutzverträge bedarfsgerecht und effektiv organisieren zu können. Innerhalb von zwei Monaten können Interessentinnen und Interessenten Informationen zu den von ihnen geplanten transformativen Vorhaben einreichen. Auf dieser Grundlage wird im Anschluss das erste Gebotsverfahren für die Vergabe von Klimaschutzverträgen möglichst noch in diesem Jahr durchgeführt. Unternehmen, die im ersten Gebotsverfahren ein Gebot abgeben möchten, müssen am ersten vorbereitenden Verfahren teilnehmen. Weitere Ausschreibungen sind in den nächsten Jahren geplant.

Die Durchführung des Gebotsverfahrens steht unter dem Vorbehalt der zuwendungsrechtlichen Prüfung und einer budgetären Einigung. Zudem bedarf es noch der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission im erforderlichen Notifizierungsverfahren. Hierzu laufen bereits seit einigen Monaten konstruktive Gespräche mit Brüssel.

Ausblick: Auf dem Weg zu grünen Leitmärkten

Die vom BMWK geförderten Klimaschutzverträge ergänzen das Paket aus ordnungsrechtlichen Maßnahmen, darunter das Emissionshandelsgesetz und das Energieeffizienzgesetz. Sie sollen die Transformation der Industrie in Deutschland nicht vollständig finanzieren, sondern als Anschubfinanzierung dienen. Neben sinkenden Kosten sollen mittel fristig „grüne Leitmärkte“ dazu beitragen, dass Unternehmen mit klimafreundlichen Produkten mehr Geld verdienen (so genanntes „grünes Premium“) und sich klimafreundliche Anlagen ohne staatliche Subventionierung lohnen.

Dies entspricht auch den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, der den Prozess des BMWK zur Umsetzung von Instrumenten zur Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie wissenschaftlich begleitet hat. Er empfiehlt, mit den Klimaschutzverträgen nur den Einstieg in die klimaneutrale Produktion zu fördern und mittelfristig auf die Schaffung grüner Leitmärkte zu setzen. Neben der angebotsseitigen Anschubfinanzierung durch Klimaschutzverträge sollen in einem zweiten Schritt auch über eine hinreichend große und verlässliche Nachfrage für grüne Grundstoffe und Produkte am Markt zusätzliche Anreize für den Hochlauf CO2-armer Verfahren geschaffen werden.

Aktuell existieren jedoch noch keine anerkannten Labels, anhand derer es möglich wäre, Produkte als klimafreundlich zu kennzeichnen und zu vermarkten. Deshalb werden auf europäischer und internationaler Ebene, etwa im Rahmen der EU Ecodesign for Sustainable Products Regulation und der G7 Industrial Decarbonization Agenda und des Klimaklubs, Vorbereitungen getroffen, um Definitionen und Labels in enger Zusammenarbeit mit Industrie und Wissenschaft einzuführen.

KONTAKT & MEHR ZUM THEMA

Dr. Axel Bree, Dr. Friedrich von Schönfeld
Referat: Förderprogramme Dekarbonisierung der Industrie, Klimaschutzverträge

Julia Plötz
Referat: Wirtschafts- und strukturpolitische Forschung

klimaschutzvertraege@bmwk.bund.de

schlaglichter@bmwk.bund.de

www.bmwk.de/klimaschutzvertraege

www.bmwk.de/klimaschutzvertraege-vorverfahren