Kleine Grafiken von Elektromobilität und Balkendiagrammen etc. vor dem Hintergrund von grünen Baumkronen.

Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in den letzten Jahren immer deutlicher. Immer häufigere und stärkere Extremwetterereignisse und Temperaturspitzen führen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und fordern Menschenleben, zerstören Häuser, Infrastruktur und (land-)wirtschaftliche Produktionsgüter. Sie wirken damit unmittelbar auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, auch in Deutschland.

Wie wirkt sich die veränderte Klimapolitik der letzten Jahre auf die Gesamtwirtschaft aus?

Im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Projektionen unternimmt die Bundesregierung Anstrengungen, die Auswirkungen der Gesamtheit klimabedingter Umweltveränderungen und Politikmaßnahmen noch besser zu verstehen. Im Rahmen eines Forschungsgutachtens im Auftrag des BMWK werden die Auswirkungen von Klimaschutz, Klimaanpassung und Klimawandel auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Rahmen eines nachfrageorientierten makroökonometrischen Input-Output-Modells gemeinsam in den Blick genommen.

Das Forschungsgutachten hat als Zwischenergebnis untersucht, welche Auswirkungen die Änderungen in der Klimapolitik der letzten drei Jahre (wie etwa das EU-Klimaschutzpaket Fit for 55 oder das Gebäudeenergiegesetz in Deutschland) auf die wirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahr 2030 haben werden (im folgenden Klimaschutzszenario). Als Vergleichsmaßstab dient ein Szenario, in dem unterstellt wird, dass diese klimapolitischen Maßnahmen nicht ergriffen worden wären. Veränderungen bei Klimaanpassungsmaßnahmen wurden dabei nicht berücksichtigt.

Das nachfrageorientierte makroökonometrische Input-Output-Modell ermöglicht, die Effekte von Klimaschutz, Klimaanpassung und Klimawandel auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gemeinsam in den Blick zu nehmen. Ein wichtiger Wirkungskanal sind dabei die unterschiedlichen CO2-Preispfade in verschiedenen Sektoren.

Für das gesamtwirtschaftliche Ergebnis ist die Investitionstätigkeit von entscheidender Bedeutung. Die durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen ausgelösten Mehrinvestitionen in Klimaschutz werden auf 40-55 Milliarden Euro geschätzt, wovon der größte Teil in den schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energien fließt. Unter der Annahme, dass diese Investitionen ohne die klimapolitischen Anpassungen ausgeblieben wären und sie auch keine anderen Investitionen verdrängen, ergibt sich im Jahr 2030 ein real um mehr als ein Prozent höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es wird unterstellt, dass die zusätzlichen Investitionen vollständig über den Kapitalmarkt finanziert werden, weshalb es auch nicht zu einem Anstieg der Sparquote beziehungsweise einem Rückgang des Konsums kommt. Im Gegenteil steigt der private Konsum sogar leicht an, da die privaten Haushalte aufgrund der höheren Wirtschaftsleistung über höhere Einkommen verfügen.

Die Importe fossiler Energieträger gehen aufgrund des schnelleren Ausbaus der Erneuerbaren Energien zurück, während die Gesamtimporte etwa durch den Import von Investitionsgütern leicht ansteigen. Die Exporte gehen hingegen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Preiseffekte sowie höherer CO2-Preise im Klimaschutzszenario leicht zurück.

Die Beschäftigung entwickelt sich für das Jahr 2030 insgesamt positiv. Beschäftigungsaufwüchsen im Bausektor und bei den unternehmensnahen Dienstleistungen sowie in geringerem Umfang auch im Verarbeitenden Gewerbe stehen geringfügige negative Beschäftigungseffekte im Bergbau, der Energieversorgung, sowie im (Einzel- und Groß-)Handel gegenüber. Preiseffekte sind mittelfristig im Baugewerbe zu beobachten, kurzfristig sind diese aber in den energieintensiven Bereichen (beispielsweise in der Chemieindustrie oder der Herstellung von Glas & Keramik, Papier, Gummi- und Kunststoffwaren) aufgrund der gestiegenen CO2-Preise stärker.

Windkrafträder vor abendlichem Dämmerungshimmel, davor ein Wasser-Kanal.

Entscheidend für die Ergebnisse ist letztlich, ob es gelingt, einen politischen Rahmen zu setzen, in dem diese öffentlichen und privaten Investitionen in Klimaschutzgüter wirksam angeregt und tatsächlich getätigt werden. Sollten diese Investitionen nicht zusätzlich erfolgen, sondern lediglich andere verdrängen, oder wenn diese aufgrund neuerer politischer Entwicklungen nicht oder in geringerem Ausmaß stattfinden, dann verringern sich die ermittelten positiven Effekte auf das BIP entsprechend. Der positive Zusammenhang zwischen Investitionen und Wirtschaftswachstum ist dabei nicht überraschend. Vielmehr handelt es sich um ein Standardergebnis nachfrageorientierter makroökonomischer Modellierung.

Behandlung von Klimaschutz bei der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose und beim Sachverständigenrat

Bereits in der Vergangenheit hat die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen klimabedingten Umweltveränderungen, klimapolitischen Maßnahmen und dem Wirtschaftsgeschehen beleuchten lassen. So wurden bereits die Auswirkungen von Extremwettereignissen auf die gesamtwirtschaftlichen Größen im Rahmen eines wissenschaftlichen Gutachtens von Prognos, dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Gesellschaft für wirtschaftliche Struktursysteme (GWS) beleuchtet. Ebenfalls hat das Forschungsprojekt Gemeinschaftsdiagnose (GD) im Sonderthema des Herbstgutachtens 2023 die Auswirkungen des Klimaschutzes auf Basis eines angebotsorientierten Wachstumsmodells analysiert. Das Modell ist methodisch mit der Mittelfristprojektion der Bundesregierung vergleichbar.1 Gleiches gilt für die Untersuchungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) im aktuellen Jahresgutachten zu den Einflüssen der Dekarbonisierung auf das Potenzialwachstum.

Laut der Analyse der GD kann es im Zuge der Dekarbonisierung und der damit verbundenen notwendigen Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger unter bestimmten Umständen zu einem negativen BIP-Effekt bis 2030 kommen. Allerdings zeigt die GD auch, dass ein beschleunigter Ausbau Erneuerbarer Energien (unter der Annahme, dass die Klimaschutzziele 2030 erreicht werden) zu günstigeren gesamtwirtschaftlichen Ergebnissen führt als ein Ausbau im historischen Ausbautempo. Eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Investitionsquote wirkt sich auch im Kontext der Energiewende positiv auf das Wirtschaftswachstum aus. Die Analyse der GD unterstreicht zudem, dass die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Dekarbonisierung zu einem wichtigen Teil davon abhängen, wie sehr fossile Energie durch andere Produktionsfaktoren ersetzt werden kann. Dazu gibt es aber noch zu wenig belastbare Informationen.

Auch der SVR Wirtschaft betont in seinem diesjährigen Jahresgutachten, dass höhere Investitionen einen wichtigen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung leisten. Szenarien zeigen, dass eine ambitionierte Klimapolitik gerade in Bezug auf energieintensive Branchen bei gegebenen Klimaschutzzielen im Vergleich zu einer später erfolgenden Transformation zu positiven gesamtwirtschaftlichen Effekten führen kann. Die durch eine ambitionierte Klimapolitik angereizten frühzeitigen Investitionen in grüne Technologien führen dazu, dass fossil betriebene Anlagen am Ende ihrer Lebensdauer durch klimafreundliche ersetzt werden. Dies führe zu weniger vorzeitigen Abschreibungen (weniger „stranded assets“) und erzeuge somit geringere Transformationskosten. Zugleich weist der SVR auch auf die Risiken von frühzeitigen ordnungsrechtlichen Betriebsverboten für Bestandsanlagen hin; diese könnten die Kosten der Transformation deutlich erhöhen.

Investitionen, ein schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien und klare Signale der Politik entscheidend für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Das BMWK erwartet auf der Grundlage dieser und weiterer Untersuchungen, dass zusätzliche Investitionen und ein schneller Ausbau Erneuerbarer Energien im Kontext der Energiewende entscheidend für eine positive wirtschaftliche Entwicklung sein werden. Klare und verlässliche Signale der Politik im Hinblick auf den Fortgang der Dekarbonisierung sind dabei von zentraler Bedeutung. Die von der Bundesregierung flankierte Einigung auf EU-Ebene zur Weiterentwicklung der CO2-Bepreisung ist diesbezüglich ein wichtiger Baustein, damit nicht aufgrund falscher (Preis-)Erwartungen in fossile Technologien investiert wird, die vor Ende ihrer eigentlichen Lebensdauer nicht mehr genutzt werden oder sich im Betrieb langfristig als deutlich teurer herausstellen können.

KONTAKT & MEHR ZUM THEMA

Referat: IC3 – Wachstum, Demografie, Wirtschaftsstatistik

schlaglichter@bmwk.bund.de

Christian Lutz, Lisa Becker, Andreas Kemmler (2024): Auswirkungen der veränderten Klimaschutzbemühungen der vergangenen Jahre in Deutschland und Europa auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Kurzbericht im Rahmen eines Forschungsauftrags des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, GWS Research Report

Gutachten von Prognos, IÖW und GWS (2023) im Auftrag von BMWK und BMUV: Bezifferung von Klimafolgekosten in Deutschland
Gemeinschaftsdiagnose aus dem Jahr 2023
Gemeinschaftsdiagnose aus dem Jahr 2022
Jahresgutachten 2023 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (vor allem zweites Kapitel)

1 Vgl. Schlaglichter der Wirtschaftspolitik (08/2022) „Quo vadis, Potenzialschätzung?“