Bild zum Artikel „Investitionen in grüne Innovation in der EU“

Innovation ist der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand und trägt zum Erreichen der europäischen Klimaziele bei. Analysen zeigen jedoch, dass die Innovationstätigkeit von Firmen in der Europäischen Union zuletzt rückläufig war. Auch im Vergleich mit den USA fällt die EU zurück: Die Innovationslücke zwischen Unternehmen in der EU und den USA hat sich zuletzt vergrößert. Laut Daten der EIB-Investitionsumfrage 2022 haben sowohl in Deutschland als auch in der EU nur rund ein Drittel der Firmen im Rahmen von Investitionen neue Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen entwickelt oder eingeführt, die neu für das Unternehmen, das Land oder den Weltmarkt waren. In den USA waren es mehr als die Hälfte der Unternehmen (Abbildung 1).

Eine geringere Innovationstätigkeit geht nicht nur mit weniger Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) einher, sondern auch mit weniger Entwicklung und Einführung von Innovation und neuen Technologien durch Unternehmen. 2021 betrugen Ausgaben für F&E im Unternehmenssektor in der EU nach Schätzungen der OECD rund 1,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In den USA waren es 2,7 % des BIP (OECD Science and Technology Indicators, Stand August 2023). In Deutschland liegt der Anteil mit knapp 2,1 % des BIP zwar über dem EU-Durchschnitt, allerdings ebenfalls unter US-Niveau. Zudem sind die F&E-Ausgaben von Unternehmen in den USA in den vergangenen Jahren (2017–2021) schneller gewachsen als bei Firmen in der EU. Auch auf die ökonomischen Schocks der Covid-Krise haben US-Unternehmen vermehrt mit Innovationen reagiert und ihre Digitalisierung schneller vorangetrieben (EIB, 2023).

ABBILDUNG 1: ANTEIL DER FIRMEN MIT INNOVATIONEN, IN % Bild vergrößern

Innovation wird digitaler und grüner

Innovation wird – über die verschiedenen Sektoren hinweg – immer stärker datengetrieben und digitaler. Dies kann bestehende Innovationslücken strukturell verstärken und steigert den Wettbewerbsdruck auch in traditionellen Branchen. Digitalisierungsrückstände, die nicht zuletzt auf geringen Investitionen in neue Technologien und F&E beruhen, ziehen Kosten in Form von geringerer Produktivität und auch niedriger Innovationsaktivität nach sich. Unternehmensdaten zeigen, dass digitale Unternehmen nicht nur produktiver sind, sondern auch mehr investieren, insbesondere in F&E. Dies gilt für Firmen sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks (u.a. Massacesi, Rückert und Weiss, 2022).

Innovation wird aber nicht nur digitaler, sondern auch grüner. Dies zeigt sich beispielsweise im Energiebereich, wo während der letzten zwanzig Jahre ein deutlicher Anstieg von Patentaktivitäten weltweit in Bereichen wie ʻsaubere Energie’ verzeichnet wurde. Demgegenüber wuchsen Patentaktivitäten im Bereich fossiler Energieträger langsamer und waren seit 2015 sogar rückläufig (IEA/EPO, 2021). Dieser Trend birgt Chancen für europäische Unternehmen: Sie sind bei der Entwicklung grüner Innovationen gut aufgestellt und nehmen dabei oft eine Vorreiterrolle ein (EIB, 2021). Im Bereich Cleantech verzeichnen sie 38 Prozent mehr Patente als US-Firmen und mehr als doppelt so viele wie chinesische Unternehmen (McKinsey, 2022). Schaut man ausschließlich auf die Gruppe der grünen innovativen Unternehmen, also auf Firmen, die in grüne Technologien investiert haben und innovativ tätig sind, zeigt sich, dass der Anteil der grünen innovativen Firmen, die landesweite oder weltweite Neuerungen auf den Markt gebracht haben, in der EU höher ist als in den USA (Abbildung 2).

Allerdings zeigen Untersuchungen auch, dass US-Unternehmen bei der Kommerzialisierung von grüner Innovation besser aufgestellt sind als ihre europäische Konkurrenz. Hierbei spielt der Zugang zu Finanzierung und ein integrierter (Kapital-)Markt eine wichtige Rolle.

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Zunehmender Wettbewerb bei innovativen grünen Technologien

Der weltweite Innovationswettbewerb bei grünen Technologien nimmt zu. Gründe dafür sind eine steigende Nachfrage, komplementäre Investitionen auch von öffentlicher Seite und gezielte Förderanreize. Laut Erhebungen der International Energy Agency (IEA) haben F&E-Investitionen im Bereich erneuerbare Energien von börsennotierten Unternehmen im Jahr 2022 um mehr als 15 Prozent gegenüber 2021 zugenommen und liegen deutlich über dem Niveau vor der Pandemie. Auch die öffentlichen F&E-Investitionen im Energiebereich sind weltweit stark gewachsen, insbesondere in China. Die grüne Transformation steht global verstärkt im Fokus staatlicher Maßnahmen, die grüne Innovation entweder direkt, zum Beispiel durch Zuschussinstrumente, oder indirekt unterstützen und so Anreize setzen für Innovation. Beispiele sind unter anderem die Unterstützung industrieller Transformationsprozesse, Lieferkettenstrategien oder die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung.

Debatte um Inflation Reduction Act der USA

Mit Blick auf staatliche Förderung und den internationalen Wettbewerb hat insbesondere der 2022 in den USA beschlossene Inflation Reduction Act (IRA) in der EU eine Diskussion um mögliche Nachteile für europäische Volkswirtschaften, Standortverlagerungen und nötige Reaktionen angeheizt. Der IRA soll einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem insbesondere Erneuerbare Energien gefördert und die Treibhausgasemissionen der USA gesenkt werden. Dafür sieht er Förderungen in großem Umfang vor (369 Milliarden US-Dollar), von denen vor allem in den USA produzierende Unternehmen profitieren dürften.

In der europäischen Debatte um mögliche Antworten auf den IRA stehen zumeist Unternehmen der verarbeitenden Industrie mit hohen Energiekosten im Fokus. Erste Analysen der IEA aus 2023 zeigen, dass in Bereichen wie der Elektromobilität internationale Unternehmen ihre Aktivitäten in den USA bereits deutlich ausbauen. Zwischen August 2022 und März 2023 haben einige große Hersteller von Elektrofahrzeugen und Batterien Investitionen von insgesamt rund 52 Milliarden US-Dollar in nordamerikanische Lieferketten angekündigt (IEA, 2023). Der IRA könnte auch Auswirkungen auf grüne Innovationstreiber der EU haben und damit auf einen Bereich, in dem die EU bislang gut aufgestellt war: zum einen, weil eine ambitioniertere Klimagesetzgebung der USA den Markt und die Präsenz vor Ort für Innovationstreiber attraktiver macht, zum anderen, weil grüne Innovationen zunehmend an der Schnittstelle zwischen „grün & digital“ entstehen und die USA im Bereich digitaler Innovationen stark positioniert sind. 75 der 100 größten Technologiefirmen haben ihren Sitz in den USA. Die Anzahl der Patente zu Informations- und Kommunikationstechnik ist in den USA im Vergleich mit der EU unter Berücksichtigung der Größe deutlich höher. Analysen zeigen auch eine starke Position der USA im Bereich digitale Kompetenzen, die für die weitere Entwicklung und Nutzung von Technologien wichtig sind (Boone, 2022).

Vor diesem Hintergrund könnten sich künftig infolge des Inflation Reduction Act auch bestehende Innovationslücken verfestigen oder vergrößern.

Wie kann Europa im weltweiten Wettbewerb um grüne Innovation klug agieren?

Auch in der EU wird grüne Innovation direkt und indirekt unterstützt. Dies geschieht zum einen über eine umfassende Klimagesetzgebung, die von den Mitgliedstaaten mit beschlossen und umgesetzt wird. Sie gibt Leitplanken und setzt in Europa auch Innovationsanreize. Zum anderen bestehen gezielte Förderinstrumente und Programme, die grüne Innovation unterstützen, wie beispielsweise Horizon Europe oder der Innovationsfonds. Auch der Aufbaufonds NextGenerationEU sieht mindestens 30 Prozent der Mittel für die Bekämpfung des Klimawandels und der Unterstützung grüner Projekte in den Mitgliedstaaten vor. Ein besonderer Aspekt auf EU-Ebene ist auch die Unterstützung von Vernetzung und Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern sowie von Teams in unterschiedlichen Ländern und Disziplinen, was oft für bahnbrechende Entdeckungen von großer Bedeutung ist.

Die EU braucht künftig verstärkt grüne Innovation. Neue Technologien müssen entwickelt und zur Marktreife gebracht werden, um bis spätestens 2050 das Netto-Null-Ziel bei Emissionen zu erreichen und sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Damit Europa im Wettbewerb um grüne Innovation nicht ins Hintertreffen gerät und sich Innovationslücken nicht verfestigen, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Dieser sollte berücksichtigen, dass Innovation digitaler, teils disruptiver, und grüner geworden ist. Auch bedeutet Innovation zu stärken nicht nur, neue Technologien zu entwickeln, sondern auch, Strukturwandel in Volkswirtschaften und Verschiebungen zwischen Sektoren zu flankieren und Akzeptanz für Veränderungsprozesse zu schaffen.

In der Innovationsförderung können laut OECD neue Ansätze wie Mission-oriented Innovation, das heißt das Formulieren konkreter Ziele und zeitlicher Vorgaben, um Themen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz lösungsorientiert und fachübergreifend mittels Forschung und Entwicklung anzugehen, dazu beitragen, auch auf EU-Ebene grüne Innovation anzureizen und Kommerzialisierungsperspektiven zu verbessern. Auch nachhaltige Beschaffung (green procurement), könnte gezielt als Innovationsanreiz in bestimmten Sektoren, wie etwa im Transport oder in der Bauwirtschaft, eingesetzt werden (Rodriguez Quintero et al., 2019).

Die Komplexität der Förderung in der EU über europäische und nationale Programme bleibt eine Herausforderung. Wichtig ist deshalb das Zusammenspiel von nationalen und europäischen Strategien mit Blick auf die Ziele und die Vereinfachung von Prozessen. Maßnahmen, die einen besseren Überblick zu vorhandenen Instrumenten und Programmen schaffen, können dazu beitragen, dass diese auch möglichst effektiv für konkrete Projekte genutzt werden.

Zugang zu Finanzierung und Fachkräftemangel – Herausforderungen für innovative Unternehmen

Bekannte Schwachstellen müssen angegangen werden. Dazu gehört, den Zugang zu Finanzierung gerade für innovative Unternehmen zu verbessern. Hohe Kosten sind eines der Haupthindernisse für Klimainnovationen auf Unternehmensseite. Insbesondere für junge und innovative Unternehmen ist vor diesem Hintergrund der Zugang zu Finanzierung häufig ein Hindernis (Delanote/Rückert, 2022). Es gilt, ein breiteres Finanzierungsangebot für innovative Unternehmen sicherzustellen und dabei auch privates Kapital zu mobilisieren. Dazu müssen zum einen bestehende Programme wie InvestEU, die auch Forschung und Innovation oder innovative kleinere und mittlere Unternehmen unterstützen, sowie Innovationsfonds noch besser nutzbar gemacht werden. Zum anderen bedarf es auch der Weiterentwicklung und Vertiefung europäischer Kapitalmärkte.

Neben der Finanzierung ist auch der Mangel an qualifizierten Fachkräften für innovative Unternehmen in Europa eine große Herausforderung und kann Investitionen und Innovation bremsen (Brunello/Wruuck, 2019). Neue Vorhaben auf europäischer Ebene, wie etwa der Green Deal Industrial Plan oder die Vorschläge für eine Verordnung zur Netto-Null-Industrie, zielen auch auf die Stärkung der hierfür benötigten Kompetenzen und können damit zur Verbesserung von Rahmenbedingungen beitragen.

Schließlich sollten gemeinsame Potenziale verstärkt genutzt werden, zum Beispiel indem der Binnenmarkt oder grenzüberschreitende Kooperationen gestärkt werden. Diese können auch in Zukunft ein wichtiger und dynamischer Treiber für die Entwicklung neuer Ideen sein.

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Referat: EB1 – Aspekte der EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik

schlaglichter@bmwk.bund.de

Literaturhinweise:
Boone et al. (2022): How can Europe catch up on its digital backlog? Ecoscope Blog, May 17 2022.
IEA (2023): Global EV Outlook 2023. Policy developments.
Brunello und Wruuck (2021): Skill shortages and mismatch in Europe: A Review of the Literature. Journal of Economic Surveys Vol.35(4), p. 1145-1167.
Delanote und Rückert (2022): How to foster climate innovation in the European Union. EIB Working Paper 2022/2.
EIB (2021): Building a Smart and Green Europe in the Covid-19 Era. EIB Investment Report 2020/2021. European Investment Bank, Luxemburg.
EIB (2023): EIB Investment Survey 2022 – European Union Overview, European Investment Bank, Luxemburg.
IEA/EPO (2021): Patents and the energy transition. Global Trends in clean energy technology innovation. Joint IEA and EPO publication.
Massacesi, Rückert und Weiss (2022): Digitalisation in Europe 2021–2022. Evidence from the EIB Investment Survey.
McKinsey (2022): Securing Europe’s competitiveness. Addressing its technology gap. McKinsey Global Institute.
Rodriguez Quintero et al. (2019): Revision of the EU Green Public Procurement Criteria for Transport. EUR 29635 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg.