IN KÜRZE

Der Nowcast für die saison- und kalenderbereinigte Veränderungsrate des BIP beträgt -1,0 % für das zweite Quartal 2023 (Stand 13. Juni).1

Das Prognosemodell des Nowcast schätzt für das zweite Quartal 2023 aktuell einen saison- und kalenderbereinigten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorquartal von -0,4 %. Der Nowcast liefert eine täglich aktualisierte, rein technische, zeitreihenanalytische Prognose der Wirtschaftsleistung unabhängig von der Einschätzung der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Erste Ergebnisse zur wirtschaftlichen Entwicklung im zweiten Quartal 2023 werden vom Statistischen Bundesamt am 28. Juli 2023 veröffentlicht („Schnellmeldung“). Die erste Meldung für das dritte Quartal 2023 erfolgt am 31. Oktober 2023.

Die Abbildung veranschaulicht die recht volatile Entwicklung des Nowcast seit Jahresbeginn: Der Schätzwert für das zweite Quartal 2023 belief sich bei erstmaliger Berechnung Anfang Januar 2023 auf +0,2 % und bewegte sich zunächst seitwärts. Mitte April wurde vorübergehend ein Prognosehoch von +0,9 % erreicht. Grund hierfür waren vor allem die günstige Entwicklung von Konjunkturumfragen, Einkaufsmanagerindizes im Dienstleistungsbereich sowie dem Verbrauchervertrauen im Euroraum. Anschließend drückten verhaltene Daten zum Geschäftsklima in Deutschland sowie das schwache BIP-Wachstum im Euroraum im ersten Quartal 2023 und rückläufige Auftragseingänge, Umsätze, Außenhandels- und Produktionsdaten den Nowcast bis Anfang Mai auf -0,4 %. Anschließend wurde der Nowcast kontinuierlich weiter abwärts revidiert. Maßgeblich für die folgenden weiteren Abwärtskorrekturen waren zunächst ungünstige Umfrageergebnisse. Anfang Juni folgten mit Veröffentlichungen zu Außenhandel, Umsätzen, Auftragseingängen der Industrie sowie zur italienischen Industrieproduktion zahlreiche weitere Dämpfer. Ende Juni führten ungünstige Nachrichten zu Arbeitslosigkeit, Verbrauchervertrauen und zum Wohnungsbau in Frankreich sowie Rückgänge bei ifo Geschäftsklima und Arbeitskräfte-Nachfrage zu einer weiteren Absenkung des Schätzwerts auf -1,3 %. Seitdem hat eine merkliche Erholung eingesetzt. Positiv wirkten sich zuletzt die Umsätze und Auftragseingänge in der Industrie sowie die Außenhandelsdaten für den Berichtsmonat Mai aus, die maßgeblich zur Anhebung des Nowcast auf -0,4 % beitrugen.

Der Schätzwert für das dritte Quartal 2023 liegt aktuell bei -0,9 %. Der Nowcast belief sich bei erstmaliger Schätzung Anfang April auf +0,4 % und verharrte bis Mitte Mai bei diesem Wert. In den folgenden Wochen sackte er bis Ende Juni sukzessive ab. Anfang Juni dämpften Informationen zur Industrie- und Bauproduktion in Frankreich sowie Arbeitsmarktdaten für den Berichtsmonat Mai. Im weiteren Verlauf waren eingetrübte Umfragewerte (ZEW Konjunkturerwartungen, Einkaufsmanagerindex, ifo Geschäftsklima) und ungünstigere Arbeitsmarktaussichten für einen Großteil der weiteren Abwärtsbewegung des Nowcast auf -1,0 % bis Ende Juni verantwortlich. An konjunkturellen Wendepunkten spiegeln die Stimmungsindikatoren eine hohe Unsicherheit wider und die Signale der Indikatoren können recht stark schwanken. Die Zuwächse bei PKW-Produktion und -Neuzulassungen für den Berichtsmonat Juni trugen zuletzt zur Anhebung des Schätzwerts auf -0,9 % bei.

Der Nowcast zum zweiten Quartal 2023 liegt am aktuellen Rand recht niedrig. Die negativen Werte des Indikators unterstreichen, dass die Risiken für die deutsche Konjunktur – z. B. die geopolitischen Spannungen, die hohe, wenn auch rückläufige Inflation und ungünstigere Finanzierungsbedingungen – nach wie vor hoch sind. Trotz der zuletzt eingetrübten Stimmung in den Unternehmen deuten die aktuellen Indikatoren aber auf eine moderate Erholung der Industriekonjunktur hin.

DAS MODELL

Das Modell zur Prognose des deutschen Bruttoinlandsprodukts wird von Now-Casting Economics Ltd. betrieben. Der hier veröffentlichte Nowcast ist eine rein technische, modellbasierte Prognose. Die Schätzungen sind mit einer hohen statistischen Unsicherheit behaftet, die mit Modellprognosen immer einhergeht. Es handelt sich bei dem Nowcast weder um die Prognose des BMWK noch um die offizielle Projektion der Bundesregierung.

Auch der Nowcast zum dritten Quartal 2023 erscheint pessimistisch. Mit einem Nachlassen der Inflation, spürbar steigenden Tariflöhnen, einer weiteren Auflösung von Materialengpässen und der erwarteten weltwirtschaftlichen Belebung dürfte die deutsche Konjunktur im weiteren Jahresverlauf wieder auf einen moderaten Wachstumspfad einschwenken. Auch die Wirtschaftsforschungsinstitute gehen im weiteren Verlauf von einer verhaltenen konjunkturellen Erholung aus.

ENTWICKLUNG DES BIP NOWCAST FÜR DAS 2. QUARTAL 2023 IN % Bild vergrößern

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1 Für nähere Erläuterungen zur Methode, den verwendeten Daten und der Interpretation des Modells siehe Senftleben und Strohsal (2019): „Nowcasting: Ein Echtzeit-Indikator für die Konjunkturanalyse“, Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, Juli 2019, Seite 12-15, und Andreini, Hasenzagl, Reichlin, Senftleben und Strohsal (2020): „Nowcasting German GDP“, CEPR DP14323.