IN KÜRZE:

Die EZB erhöht weiter ihre Leitzinsen, während die Verkürzung ihrer Bilanz vorangeht. Dennoch rechnet die Notenbank auch 2025 noch mit einer Inflationsrate leicht über ihrem Ziel von 2 %. Die Finanzierungsbedingungen für private Haushalte, Staaten und Unternehmen haben sich auf im Vergleich zu letztem Jahr deutlich höherem Niveau stabilisiert. Der Euro hat seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar und Yen aufgewertet.

INFLATION

Die Inflation in der Eurozone fiel in den letzten drei Monaten weiter. Von April bis Juni stieg das allgemeine Preisniveau durchschnittlich „nur noch“ um 6,2 % gegenüber dem Vorjahr. Das Spektrum der Raten der einzelnen Euroländer variiert bei einer Amplitude von durchschnittlich 11 %-Punkten in den letzten drei Monaten weniger stark als zuvor – von zuletzt 1,0 % in Luxemburg bis 11,3 % in der Slowakei (Abb. 1). Während die Energiepreise (auch durch einen Kalendereffekt) von April bis Juni durchschnittlich um 1,8 % wieder fielen, stiegen die Lebensmittelpreise im selben Zeitraum weiter um 12,6 %. Die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel, stieg im selben Zeitraum erneut auf nun 5,6 %, fiel aber im Juni das erste Mal seit Februar 2022 wieder leicht. Der ursprünglich durch hohe Energiepreissteigerungen verursachte Preisauftrieb breitet sich also weiter aus.

Abbildung 1: Blick zurück; Abbildung 2: Blick nach vorne Bild vergrößern

Turnusgemäß hat die Notenbank am 15.06.23 auch neue Prognosen für die Eurozone präsentiert. Diese fallen leicht pessimistischer aus als die letzten vom 16.03.23. Die EZB sieht bis 2025 vor allem eine etwas höhere Kerninflation als noch im März. Konkret projiziert die EZB eine Inflation von 5,4 % in 2023, 3,0 % in 2024 und 2,2 % in 2025 (pro Jahr +0,1 % gegenüber März-Prognose). Die Kerninflation sieht die EZB 2023 bei 5,1 % (+0,5 %), 2024 bei 3,0 % (+0,5 %) und 2025 bei 2,3 % (+0,5 %); das BIP-Wachstum prognostiziert die EZB 2023 auf 0,9 % (-0,1 %), 2024 auf 1,5 % (-0,1 %) und 2025 auf 1,6 % (-/+ 0 %). Die Zinserhöhungen reflektieren diese Prognosen. Mit Blick auf die über dem EZB-Ziel von 2 % liegenden Inflationsprognosen sagte EZB-Präsidentin Lagarde „we are not satisfied“.

ABB. 3: EZB-BILANZ Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Die EZB hat am 15.06.23 die Leitzinsen – wie erwartet – um weitere 25 Basispunkte angehoben, auf nun 4,00 % für Hauptrefinanzierungsgeschäfte, 4,25 % für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bzw. 3,50 % für die Einlagefazilität. Seit Juli 2022 hat die EZB damit um insgesamt 400 Basispunkte gestrafft.

Aus EZB-Sicht ist der Preisdruck in der Eurozone weiter hoch, auch wenn es vorläufige Anzeichen für nachlassenden Druck gebe. Die EZB stellt zudem fest, dass die bisherigen Zinserhöhungen „kräftig“ auf die Finanzierungsbedingungen in der Eurozone wirkten. Auch zeigten die Straffungen allmählich Breitenwirkung in der Wirtschaft.

Die nächste Zinsentscheidung trifft die EZB am 27.07.23. Wie die letzten Male werde man aber auch die nächsten Entscheidungen datenabhängig und ohne Forward Guidance treffen.

Mit Blick auf ihre Wertpapier-Portfolios bestätigte die EZB ihre Ankündigung, dass die Reinvestitionen fällig werdender Posten im Asset Purchase Programmes (APP; 3.184 Mrd. Euro = 44 % der Bilanz) ab Juli eingestellt werden und damit die Verkürzung ihrer Bilanz (Quantitative Tightening) weitergeht.

Alle fällig werdenden Positionen im Pandemienotfallankaufprogramm PEPP (1.672 Mrd. Euro = 23 % der Bilanz) werden dagegen – wie ebenso seit langem angekündigt – weiter bis mindestens Ende 2024 voll reinvestiert werden. Die EZB behält sich weiter vor, Reinvestitionen im PEPP flexibel zu nutzen und die Anleihen bestimmter Euroländer bevorzugt zu kaufen.

Ferner verzeichnet die EZB weiter zunehmende vorzeitige Rückzahlungen der vergünstigten Kredite an den Bankensektor, Targeted Longer-term Refinancing Operations (TLTROs; 1.100 Mrd. Euro = 14 % der Bilanz). Anfang des Jahres hatte die EZB hier die Zinsen dem Marktzins angepasst, also erhöht. Auch dies lässt die EZB-Bilanz weiter schrumpfen.

Die EZB-Bilanz beträgt derzeit 7.720 Mrd. Euro, was rund 18 % weniger ist als zum Höchststand im Mai 2022.

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die nominalen Kreditzinsen sind aktuell teilweise höher als in Zeiten der Staatsschuldenkrise vor 13 Jahren. Unternehmen zahlten von April bis Mai durchschnittlich 4,4 % Zinsen in der Eurozone insgesamt und 4,6 % in Deutschland. Im gleichen Zeitraum zahlten private Haushalte für einen Immobilienkredit 3,5 % in der Eurozone und 3,8 % in Deutschland (Abb. 4).

ABB. 4: ZINSEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR PRIVATE HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen der Eurozone haben sich zuletzt im Großen und Ganzen seitwärts bewegt. Deutsche Bundesanleihen notierten zuletzt um 2,6 % (Abb. 5). Die höchsten Zinsen gibt es nach wie vor von griechischen und italienischen Staatsanleihen; sie lagen zuletzt bei 4,1 % bei Griechenland und 4,3 % bei Italien, mit einem Spread zu Deutschland von 176 bzw. 192 Basispunkten. EU-Anleihen (hier für NGEU) rentierten zuletzt bei 3,3 % mit einem Spread von 81 Basispunkten.

ABB. 5: ZINSEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Die ausstehende Menge von Krediten an Haushalte wuchs von März bis Mai (letzter Datenpunkt) um durchschnittlich 2,5 % in der Eurozone und 7,7 % in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr. Die Kreditmenge an Unternehmen wuchs um 2,6 % in der Eurozone und 3,0 % in Deutschland. Damit wächst die Kreditmenge insgesamt langsamer als letztes Jahr (Abb. 6).

ABB. 6: KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Banken der Eurozone haben angesichts der Leitzinserhöhungen in Höhe von bisher 400 Basispunkten seit September letzten Jahres große Teile ihrer Überschussreserven – also Einlagen von Kreditinstituten auf Zahlungsverkehrskonten bei der Zentralbank, die über das Mindestreservesoll hinausgehen – in die seitdem wieder positiv vergütete Einlagefazilität verschoben. Dort hielten Banken zuletzt etwa 3,7 Bio. Euro (Abb. 7).

ABB. 7: LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, steigen die Zinsen weiter und liegen weiter über dem Niveau der Einlagefazilität. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von 3 Monaten), notierte zuletzt etwas über 3,6 % (Abb. 8). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit schwankte seit Jahreswechsel wieder weniger und notierte zuletzt bei etwa 0,1 %.

ABB. 8: GELDMARKT Bild vergrößern

WECHSELKURSE

Der Euro hat im Vergleich zum Jahresbeginn 3 % an Wert gegenüber dem US-Dollar gewonnen und notierte bei zuletzt 1,10 US-Dollar pro Euro. Gegenüber dem britischen Pfund hat sich der Euro seit Jahresbeginn leicht abgewertet und notierte zuletzt bei 0,86 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn rund 12 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 156 Yen pro Euro (Abb. 9).

ABB. 9: WECHSELKURSE Bild vergrößern