Bild zum Artikel „Workshop zur Investitionsentwicklung“

Expertinnen und Experten im Austausch mit dem BMWK

Die deutsche Wirtschaft steht angesichts der notwendigen „grünen“ Transformation und der Digitalisierung von Unternehmen und Verwaltung vor gewaltigen Herausforderungen. Gleichzeitig befindet sich das Land im Zuge der inflationsbedingten Kaufkraftverluste und der weltwirtschaftlichen Abkühlung in einer konjunkturellen Schwächephase. In dieser Gemengelage ist die Frage einer potenziellen Investitionsschwäche in Deutschland wieder in den Fokus geraten – sowohl in der Öffentlichkeit als auch der Wissenschaft.

Aus diesem Grund hat das BMWK am 23. August einen Workshop mit dem Titel „Investitionsschwäche in Deutschland? Messung, Bestimmungsfaktoren und Rolle der Transformation“ veranstaltet. Eingeladen waren Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft, um aktuelle Trends und Herausforderungen für die Investitionsentwicklung in Deutschland zu diskutieren, insbesondere mit Blick auf die anstehende Transformation. Gastgeberin war die Leiterin der Abteilung für Wirtschaftspolitik im BMWK, Dr. Elga Bartsch.

Die Zielsetzung des Workshops bestand darin, eine praxisnahe Einschätzung zur bisherigen und zukünftigen Investitionsentwicklung zu gewinnen und konkrete Handlungsempfehlungen für die Wirtschafts- und Finanzpolitik zu erhalten.

Erkenntnisse aus dem Workshop

Grundsätzlich sei die Ausgangslage für die Investitionstätigkeit in Deutschland im historischen und internationalen Vergleich aktuell besser als häufig dargestellt: Das Investitionsklima befinde sich derzeit insgesamt oberhalb des Niveaus vor der Corona-Pandemie. Auch die Brutto-Investitionsquote liege im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Die aktuellen Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zeigen für das erste Halbjahr 2023 eine positive Investitionsentwicklung und jüngste Prognosen erwarten durchweg einen positiven Verlauf für die Brutto-Anlageinvestitionen in den Jahren 2023 und 2024.

Dennoch gebe die Mehrheit der Unternehmen im Rahmen von Verbandsbefragungen an, dass sich die Standortqualität Deutschlands in den letzten Jahren verschlechtert habe. Als größte Investitionshindernisse hierzulande würden Bürokratie- und Steuerbelastung, Energiekosten sowie eine geringe Modernität der (digitalen) Infrastruktur gesehen. Auch deshalb nähmen die Direktinvestitionen in ausländische Märkte zu. Einige dieser Schwächen würden sich auch in den Daten offenbaren, etwa bei historischer Betrachtung der staatlichen Netto-Investitionen, die auf eine Überalterung und Stagnation des öffentlichen Kapitalstocks hindeuteten. Angesichts der hohen Kapitalintensität der transformativen Vorhaben müssten die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland verbessert und Anreize für mehr digitale und „grüne“ Investitionen geschaffen werden.

Die Boston Consulting Group und der BCI schätzen, dass ein Investitionsbedarf von 860 Milliarden Euro bis 2030 besteht, damit die „grüne“ Transformation gelingen kann (BCG/BCI, 2019). Die KfW ließ das Volumen für den Zeitraum bis 2050 sogar auf 5 Billionen Euro schätzen (Prognos/ IKT/Nextra, 2021). In der Wirtschaftsstatistik sei bisher kein „Transformationsschub“ erkennbar, was zum Teil auch auf Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Investitionsvorhaben zurückzuführen sei. Einerseits seien die Zinsen zuletzt deutlich gestiegen, was am aktuellen Rand zu einem Einbruch der Kreditnachfrage geführt habe. Andererseits stelle die Bankenregulierung ein Hemmnis dar: Es gebe zwar keine Anzeichen für eine Kreditklemme, trotzdem würde bereits mehr als die Hälfte der Klimaschutzinvestitionen des Mittelstands durch Eigenanstatt durch Fremdkapital finanziert, weil die Eigenkapitalanforderungen an Unternehmen und die Risikoaversion von Banken zugenommen hätten. Erschwerend hinzu käme eine gedämpfte Entwicklung am Markt für Wagniskapital in Deutschland, sodass offenbar gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine weitere Finanzierungsquelle versiege.

Handlungsempfehlungen

Die Teilnehmenden sprachen eine Reihe von Handlungsempfehlungen aus: Die Finanzierungsmöglichkeiten sollten verbessert werden, auch durch eine gezielte Innovationsförderung mit Hilfe von staatlichen Beteiligungen und Private-Public-Partnerships, die auf den jeweiligen Reifegrad der innovativen Technologien zugeschnitten sind. Die staatliche Förderung der grünen Transformation solle möglichst technologieoffen ausgestaltet sein. Generell sei darauf zu achten, dass Auflagen in Deutschland, die im Vergleich zum Ausland strenger ausfallen, nicht zu der Entscheidung für einen anderen Investitionsstandort führten. Insofern wurde auch angeraten, den Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter voranzutreiben. Durch eine Erhöhung der staatlichen Investitionen sollte zudem die öffentliche Verkehrs- und Dateninfrastruktur ausgebaut und modernisiert werden.

KONTAKT & MEHR ZUM THEMA

Referat: IC1 – Beobachtung, Analyse und Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

schlaglichter@bmwk.bund.de

Literaturhinweise:
BCG/BCI (2019): „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft
Prognos/IKT/Nextra (2021): „Beitrag von Green Finance zum Erreichen von Klimaneutralität in Deutschland