IN KÜRZE

Die EZB hat weiter ihre Leitzinsen erhöht, während die Verkürzung ihrer Bilanz vorangeht. Dennoch rechnet die Notenbank auch 2025 noch mit einer Inflationsrate leicht über ihrem Ziel von 2 %. Die Finanzierungsbedingungen für private Haushalte, Unternehmen und Staaten sind nach einer Seitwärtsphase nochmals etwas gestiegen. Der Euro notiert seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar unverändert, hat gegen das britische Pfund ab- und gegen den Yen aufgewertet.

INFLATION

Die Inflation in der Eurozone fiel in den letzten drei Monaten weiter. Von Juli bis September stieg das allgemeine Preisniveau durchschnittlich „nur noch“ um 4,3 % gegenüber dem Vorjahr. Das Spektrum der Raten der einzelnen Euroländer variiert bei einer Amplitude von durchschnittlich rund 8 %-Punkten in den letzten drei Monaten weniger stark als zuvor – von zuletzt -0,3 % in Luxemburg bis 8,9 % in der Slowakei (Abb. 1).1 Während die Energiepreise (auch durch einen Kalendereffekt) von Juli bis September durchschnittlich um 4,7 % fielen, stiegen die Lebensmittelpreise im selben Zeitraum weiter um 9,8 %. Die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise fürEnergie und Nahrungsmittel, fiel im selben Zeitraum minimal auf zuletzt 5,3 %. Der ursprünglich durch hohe Energiepreissteigerungen verursachte Preisauftrieb hat sich also ausgebreitet.

Turnusgemäß hat die Notenbank am 14.06.23 auch neue Prognosen für die Eurozone präsentiert. Diese fallen leicht pessimistischer aus als die letzten im Juni. Die EZB prognostiziert der Eurozone dieses Jahr 0,7 % Wachstum (-0,2 % ggü. Juni-Prognose), nächstes Jahr 1,0 % (-0,5 %) und 2025 1,5 % (-0,1 %). Bei der Inflation erwartet die EZB aktuell für dieses Jahr 5,6 % und nächstes Jahr 3,2 % (jeweils +0,2 % ggü. Juni-Prognose); für 2025 erwartet sie 2,1 % (-0,1 %). Ihre Erwartungen zur Kerninflation hat sie dagegen leicht nach unten korrigiert (2023: 5,1 % (+/-0 %); 2024: 2,9 % (-0,1 %); 2025: 2,2 % (-0,1 %)). Aufwärtsrisiken bestünden in erneutem Preisdruck bei Energie und Nahrungsmitteln und auch durch Klimaereignisse.

Abbildung 1: Blick zurück; Abbildung 2: Blick nach vorne Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Die EZB hat am 14.09.23 die Leitzinsen weiter erhöht auf nun 4,5 % für Hauptrefinanzierungsgeschäfte, 4,75 % für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und 4,0 % für die Einlagefazilität. Die Inflation sei weiter „too high for too long“, auch wenn sie derzeit weiter zurückgehe und die bisherigen Zinserhöhungen starke Wirkung zeigten. Die Finanzierungsbedingungen hätten sich weiter verschärft und dämpften zunehmend die Nachfrage.

EZB-Präsidentin Lagarde stellte fest, dass die Leitzinsen nun ein Niveau erreicht hätten, mit dem man die Inflation zeitnah wieder auf das 2 %-Ziel bringen könne. Man wolle dieses Niveau nun so lange wie nötig aufrechterhalten, doch sie sagte auch: „We are not saying that we are now at peak“; auch künftig werde man „datenabhängig“ entscheiden. Die nächste Zinsentscheidung trifft die EZB am 26.10.23.

Mit Blick auf ihre Wertpapier-Portfolios beabsichtigt die EZB weiter, dass fällig werdende Positionen des Pandemienotfallankaufprogramms PEPP (derzeit 1.668 Milliarden Euro = 23 % der Bilanz) bis mindestens Ende 2024 reinvestiert werden. Die EZB behält sich weiter vor, Reinvestitionen im PEPP flexibel zu nutzen und die Anleihen bestimmter Euroländer bevorzugt zu kaufen. Die Bestände des regulären Ankaufprogramms APP (derzeit 3.109 Milliarden Euro = 44 % der Bilanz) verringern sich laut EZB in einem „maßvollen und vorhersehbaren Tempo“. Ferner verzeichnet die EZB weiter zunehmende vorzeitige Rückzahlungen der vergünstigten Kredite an den Bankensektor, den TLTROs. Letztere machen derzeit noch 1.149 Milliarden Euro (16 % der EZB-Bilanz) aus. Anfang des Jahres hatte die EZB hier die Zinsen dem Marktzins angepasst, also erhöht. Auch dies lässt die EZB-Bilanz weiter schrumpfen. Die EZB-Bilanz beträgt derzeit 7.066 Milliarden Euro, was rund 20 % weniger ist als zum Höchststand im Mai 2022.

ABB. 3: EZB-BILANZ Bild vergrößern

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die nominalen Kreditzinsen sind aktuell teilweise höher als in Zeiten der Staatsschuldenkrise vor 13 Jahren. Unternehmen zahlten von Juli bis September durchschnittlich 4,9 % Zinsen in der Eurozone insgesamt und 5,2 % in Deutschland. Im gleichen Zeitraum zahlten private Haushalte für einen Immobilienkredit 3,7 % in der Eurozone und 3,9 % in Deutschland (Abb. 4).

ABB. 4: ZINSEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR PRIVATE HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen der Eurozone sind binnen der letzten drei Monate nochmal ein wenig gestiegen, während die Spreads gegenüber Bundesanleihen stärker gestiegen sind. Deutsche Bundesanleihen notierten zuletzt um 2,9 % (Abb. 5). Die höchsten Zinsen gibt es bei italienischen Staatsanleihen; sie lagen zuletzt bei 4,8 % mit einem Spread zu Deutschland von 206 Basispunkten. EU-Anleihen (hier für NGEU) rentierten zuletzt bei 3,7 % mit einem Spread von 82 Basispunkten.

ABB. 5: ZINSEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Die ausstehende Menge von Krediten an Haushalte wuchs von Juni bis August (letzter Datenpunkt) um durchschnittlich 0,8 % in der Eurozone und 1,8 % in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr. Die Kreditmenge an Unternehmen wuchs um 0,8 % in der Eurozone und 4,2 % in Deutschland. Damit wächst die Kreditmenge deutlich langsamer als noch letztes Jahr (Abb. 6).

ABB. 6: KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Banken der Eurozone haben angesichts der Leitzinserhöhungen in Höhe von 450 Basispunkten seit September letzten Jahres große Teile ihrer Überschussreserven – also Einlagen von Kreditinstituten auf Zahlungsverkehrskonten bei der Zentralbank, die über das Mindestreservesoll hinausgehen – in die seitdem wieder positiv vergütete Einlagefazilität verschoben. Dort hielten Banken zuletzt etwa 3.601 Milliarden Euro (Abb. 7).

ABB. 7: LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, steigen die Zinsen weiter und liegen weiter über dem Niveau der Einlagefazilität. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von 3 Monaten), notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 3,7 % (Abb. 8). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit schwankte seit Jahreswechsel wieder weniger und notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 0,1 %.

ABB. 8: GELDMARKT Bild vergrößern

WECHSELKURSE

Der Euro steht im Vergleich zum Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar unverändert und notierte bei zuletzt 1,06 US-Dollar pro Euro. Gegenüber dem britischen Pfund hat der Euro seit Jahresbeginn leicht abgewertet und notierte zuletzt bei 0,86 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn rund 13 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 158 Yen pro Euro (Abb. 9).

ABB. 9: WECHSELKURSE Bild vergrößern