IN KÜRZE

Die EZB hat in ihrer letzten Sitzung am 11.04.24 wie erwartet die Zinsen und den geldpolitischen Kurs unverändert belassen. Die nächste Zinsentscheidung ist am 06.06.24, dann erwarten viele Marktbeobachter eine erste Zinssenkung. Die Finanzierungsbedingungen für private Haushalte, Unternehmen und Staaten haben sich im letzten Quartal im Großen und Ganzen wenig verändert. Der Euro notiert seit Jahresbeginn 2023 gegenüber US-Dollar leicht im Plus, hat gegen das britische Pfund leicht ab- und gegen den Yen aufgewertet.

INFLATION

Die Inflation in der Eurozone fiel in den letzten drei Monaten weiter. Von Januar bis März stieg das allgemeine Preisniveau durchschnittlich nur noch um 2,6 % gegenüber dem Vorjahr. Das Spektrum der Raten der einzelnen Euroländer variiert bei einer Amplitude von durchschnittlich 4,6 %-Punkten in den letzten drei Monaten – von zuletzt 0,3 % in Zypern bis 4,9 % in Litauen (Abb. 1).1 Während die Energiepreise im letzten Quartal durchschnittlich um 3,9 % fielen, stiegen die Lebensmittelpreise im selben Zeitraum weiter um 4,1 %. Die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel, fiel im selben Zeitraum um durchschnittlich 3,1 % auf zuletzt 2,9 %.

Turnusgemäß hat die Notenbank am 07.03.24 auch neue Prognosen für die Eurozone präsentiert (Abb. 2). Die Prognosen wurden vor allem für 2024 angepasst. Die EZB rechnet mit einer Inflation (Kerninflation) von 5,4 % (5,4 %) in 2023, 2,3 % (2,7 %) in 2024, von 2,0 % (2,1 %) in 2025 und von 1,9 % (1,9 %) in 2026. Das BIP werde laut EZB um 0,6 % in 2024, um 1,5 % in 2025 und 1,6 % in 2026 wachsen. Damit reiht sich die EZB-Prognose an jüngere Prognosen wie von der OECD, die 2024 weniger Wachstum, aber auch weniger Inflation erwarten, ein. Bei der Inflation liegt die EZB sogar am unteren Ende mit ihren Erwartungen.

Abbildung 1: Blick zurück; Abbildung 2: Blick nach vorne Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Zinsen: Die EZB hat am 11.04.24 wie erwartet die Zinsen unverändert belassen. Die Leitzinsen betragen weiter 4,50 % für Hauptrefinanzierungsgeschäfte, 4,75 % für den Spitzenrefinanzierungssatz und 4,00 % bei der Einlagefazilität. Vor allem bei Dienstleistungen sei der Preisdruck weiter hoch (März: 4,0 %). Aber laut EZB-Präsidentin Lagarde seien einige Mitglieder des EZB-Rats bereits heute für eine Zinssenkung gewesen. Auf der Pressekonferenz sagte Lagarde zudem: „We are not waiting until everything goes to two percent.“ Die nächste Zinsentscheidung ist am 06.06.2024, dann werden auch neue makroökonomische Prognosen vorgelegt. Dann erwarten viele Marktbeobachter eine erste Zinssenkung. Die EZB lehnt aber explizit jede Vorfestlegung auf etwaige Zins- schritte ab. Zinsentscheidungen treffe man weiter datenabhängig und meeting-by-meeting.

Wertpapierankaufprogramme: Die Einstellung der Wertpapierankaufprogramme blieb ebenfalls unverändert. Das Quantitative Tightening, also der Abbau der Portfolios durch keine (beim APP)/immer weniger (beim PEPP) Reinvestitionen von fällig werdenden Posten, geht weiter. Die EZB-Bilanz beläuft sich derzeit auf 6.620 Milliarden Euro (etwa 57 % des BIP der Eurozone). Das sind rund ein Viertel weniger als zum Höhepunkt im Mai 2022 – die Bilanz normalisiert sich also allmählich. En détail zu APP und PEPP:

  • Die Bestände des regulären Ankaufprogramms APP (2.932 Milliarden Euro/44 % der EZB-Bilanz) schrumpfen weiter, nachdem die EZB letzten Sommer hier die Reinvestitionen fällig werdender Posten eingestellt hat.
  • Die Bestände des Notfallprogramms PEPP (1.662 Milliarden Euro/25 % der EZB-Bilanz) blieben zuletzt konstant. Aber auch hier will die EZB von Juli bis Ende des Jahres nur noch die Hälfte aller fällig werdenden Posten (ca. 7,5 Milliarden Euro/Monat) reinvestieren. 2025 sollen die PEPP-Reinvestitionen eingestellt werden, sodass auch das PEPP dann auslaufen wird. Die EZB nutzt PEPP-Reinvestitionen weiter „flexibel“, kauft also Staatsanleihen bestimmter Euroländer bevorzugt an. Dies tut sie, um Fragmentierung zu verhindern, also das zu starke Auseinanderdriften der Spreads (Zinsaufschlag gegenüber Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit) der Euroländer.

Neues operatives Rahmenwerk: Darüber hinaus hatte die EZB bereits im März angekündigt, dass sie im September ihr operatives Rahmenwerk anpassen wird. Dabei geht es darum, wie sich Banken künftig Liquidität beschaffen, also Mittel zum kurzfristigen Begleichen von Schulden. Die EZB will Liquidität künftig wieder mehr über ihre regulären Auktionen als über den Ankauf von Wertpapieren steuern. Letzteres hat die Banken im Laufe der letzten Jahre sehr große Überschussliquidität aufbauen lassen (siehe unten, Abb. 7). Dazu will die EZB den Abstand zwischen Einlage- und Hauptrefinanzierungssatz verkleinern. Außerdem sollen mittelfristig neue langfristige Kredite (LTROs) vergeben und ein „strukturelles“ Anleiheportfolio eingerichtet werden. Damit will sich die EZB auch für Maßnahmen im Rahmen ihres zweiten Mandates, der „Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der EU“, öffnen.

ABB. 3: EZB-BILANZ Bild vergrößern

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die nominalen Kreditzinsen sind für Unternehmen weiter höher als in Zeiten der Staatsschuldenkrise vor 13 Jahren – haben aber ihren Zenit hinter sich gelassen. Immobilienkreditzinsen sind mittlerweile sogar etwas niedriger als zu ihrem Höhepunkt während der Staatsschuldenkrise. Unternehmen zahlten im letzten Quartal durchschnittlich 5,2 % Zinsen in der Eurozone insgesamt und 5,4 % in Deutschland. Im gleichen Zeitraum zahlten private Haushalte für einen Immobilienkredit 3,8 % in der Eurozone ebenso wie in Deutschland (Abb. 4).

ABB. 4: ZINSEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR PRIVATE HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen der Eurozone haben sich binnen der letzten drei Monate im Großen und Ganzen seitwärts bewegt. Ähnlich sieht es bei den Spreads gegenüber Bundesanleihen aus, wobei der italienische Spread unter den großen Euroländern am stärksten schwankte. Deutsche Bundesanleihen notierten zuletzt um 2,4 % (Abb. 5). Die höchsten Zinsen gibt es bei italienischen Staatsanleihen; sie lagen zuletzt bei 3,7 % mit einem Spread zu Deutschland von 138 Basispunkten. EU-Anleihen (hier für NGEU) rentierten zuletzt bei 3,0 % mit einem Spread von 61 Basispunkten.

ABB. 5: ZINSEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Die ausstehende Menge von Krediten an Haushalte wuchs von Oktober bis Dezember (letzter Datenpunkt) in der Eurozone um durchschnittlich 0,3 % im Vergleich zum Vorjahr (jüngere Daten für Deutschland standen zu Redaktionsschluss noch aus). Die Kreditmenge an Unternehmen in der Eurozone stagnierte im gleichen Zeitraum. Das Wachstum der Kreditmenge hat sich damit weiter verlangsamt (Abb. 6). Allerdings deutet sich laut jüngstem Bank Lending Survey der Bundesbank an, dass sich die Belastungsfaktoren für die Unternehmenskreditnachfrage im Euroraum und in DEU abschwächen.2

ABB. 6: KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Banken der Eurozone hielten zuletzt etwa 3.086 Milliarden Euro an Überschussliquidität (Abb. 7) in der Einlagefazilität, Tendenz fallend. Die oben erwähnte Änderung des operativen Rahmenwerkes soll den weiteren Abbau dieser Bestände befördern.

ABB. 7: LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, bewegen sich die Zinsen seitwärts. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von 3 Monaten), notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 3,9 % (Abb. 8). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit schwankte seit Jahreswechsel wieder weniger und notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 0,1 %.

ABB. 8: GELDMARKT Bild vergrößern

WECHSELKURSE

Der Euro steht im Vergleich zum Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar mit 2 % im Minus und notierte bei zuletzt 1,07 US-Dollar pro Euro. Gegenüber dem britischen Pfund hat der Euro seit Jahresbeginn 1 % abgewertet und notierte zuletzt bei 0,86 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn rund 6 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 164 Yen pro Euro (Abb. 9).

ABB. 9: WECHSELKURSE Bild vergrößern