IN KÜRZE:

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich im vierten Quartal 2022 preis- und saisonbereinigt um 0,4 % im Vergleich zum Vorquartal. Zum Jahresende hat die Dynamik der deutschen Wirtschaft spürbar nachgelassen.

Auch zum Jahresende 2022 wurde die deutsche Wirtschaft durch starke Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln sowie steigende Zinsen belastet. Dies machte sich insbesondere beim privaten Konsum und den Investitionen bemerkbar.

Auf der Entstehungsseite schlug sich dies in konsumnahen Dienstleistungsbereichen wie dem Handel und Gastgewerbe nieder. Auch das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe meldeten Produktionsrückgänge.

Mit dem schrittweise nachlassenden Preisdruck auf Unternehmens- und Verbraucherebene haben sich auch die Stimmungsindikatoren bei Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern zuletzt wieder aufgehellt.

Deshalb ist derzeit nicht mit einem breiteren und länger anhaltenden Abschwung zu rechnen, aber eine „technische“ Rezession mit zwei negativen Quartalswerten hintereinander ist nicht auszuschließen.

Das Statistische Bundesamt hat am 24. Februar 2023 die ausführlichen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal 2022 bekannt gegeben. Demnach hat das preis-, kalender- und saisonbereinigte BIP um 0,4 % gegenüber dem Vorquartal abgenommen. Damit wurde das vorläufige Ergebnis laut Schnellmeldung vom 30. Januar mit -0,2 % nach unten revidiert. Während die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Vierteljahren trotz schwieriger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen noch zulegen konnte (+0,8 %, +0,1 % und +0,5 %), hat die Dynamik zum Jahresende vor allem infolge der inflationsbedingten Kaufkraftverluste spürbar nachgelassen. Im Jahr 2022 belief sich das reale Wirtschaftswachstum insgesamt auf 1,8 % gegenüber dem Vorjahr.

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INDUSTRIE, BAUGEWERBE UND DIENSTLEISTUNGSBEREICHE MELDETEN PRODUKTIONSRÜCKGÄNGE

Insgesamt war die Bruttowertschöpfung im vierten Quartal 2022 in preis-, saison- und kalenderbereinigter Rechnung um 1,4 % niedriger als im Vorquartal. Der Rückgang erstreckte sich über fast alle Bereiche der Wirtschaft. Im Verarbeitenden Gewerbe ging die Bruttowertschöpfung um 0,6 % zurück. Starke Rückgänge der Produktion verzeichneten dabei energieintensive Branchen wie die Herstellung chemischer Erzeugnisse sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung. Im Baugewerbe nahm die Herstellung um 2,4 % ab – und damit das dritte Quartal in Folge. Auch bei den großen Dienstleistungsbereichen Handel, Verkehr und Gastgewerbe sowie den sonstigen Dienstleistern kam es zu spürbaren Abnahmen (-2,9 % bzw. -6,8 %). Lediglich die Bereiche Information und Kommunikation, Grundstücks- und Wohnungswesen sowie Unternehmensdienstleister legten leicht zu.

WACHSTUM DES BRUTTOINLANDSPRODUKTS Bild vergrößern

PRIVATER KONSUM UND INVESTITIONEN RÜCKLÄUFIG

Nachdem die privaten Konsumausgaben im Sommer nach der Aufhebung fast aller Corona-Beschränkungen merklich zulegen konnten und das deutsche BIP maßgeblich stützten, haben die drastischen Anstiege der Energie- und Nahrungsmittelpreise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu massiven Kaufkraftverlusten der privaten Haushalte geführt, die das reale verfügbare Einkommen zum Jahresende spürbar dämpften. Dies machte sich vor allem bei den Ausgaben für den privaten Konsum bemerkbar, die im vierten Quartal preisbereinigt um 1,0 % zurückgingen.

Die massiven Preissteigerungen, steigende Zinsen wie auch weiterhin vorhandene, wenn auch nachlassende Lieferengpässe haben die Entwicklung der Anlageinvestitionen zum Jahresende belastet. Der seit zwei Quartalen anhaltende Rückgang bei den Bauinvestitionen setzte sich weiter fort (-2,9 %) und auch die Investitionen in Ausrüstungen (Maschinen, Geräte und Fahrzeuge) gingen zum Jahresende deutlich zurück (-3,6 %).

Der Außenhandel stand im Zeichen der nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik, nach wie vor angespannter internationaler Lieferketten und insbesondere hoher Preise für Energie. Dies zeigte sich nicht zuletzt in einem schwächeren Handel mit chemischen Produkten. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen gingen im vierten Quartal um 1,0 % zurück und die Importe noch etwas stärker um 1,3 %.

ARBEITSMARKT DURCH HOHE NACHFRAGE GEPRÄGT

Im Durchschnitt waren im vierten Quartal rund 45,9 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Dieser Wert liegt um 492.000 Personen über dem Vorjahr und stellt einen neuen Höchststand dar. Die registrierte Arbeitslosigkeit ging im vierten Quartal auf rund 2,4 Mio. Personen leicht zurück. Die Fluchtmigration aus der Ukraine wirkte sich nicht mehr erhöhend aus.

Die durchschnittlichen geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen nahmen um 1,5 % gegenüber dem Vorjahresquartal ab. Hierfür maßgeblich waren neben Kalendereffekten auch ein deutlich erhöhter Krankenstand. Das Arbeitsvolumen als Summe der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen lag im vierten Quartal um 0,5 % unter dem Vorjahreswert. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität – gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde – erhöhte sich gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,8 %.

Die Arbeitnehmerentgelte wuchsen binnen Jahresfrist deutlich um 6,3 %, während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 3,9 % zurückgingen. Der Zuwachs bei den Bruttolöhnen und -gehältern betrug im Durchschnitt je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer 5,6 % gegenüber dem Vorjahr. Dieser Anstieg ist neben tariflichen Lohnsteigerungen vor allem durch den Rückgang der Kurzarbeit bedingt. Weil sich auch die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erneut erhöhte, stieg die Summe der Bruttolöhne und -gehälter insgesamt kräftig um 6,8 %. Die Nettolöhne und -gehälter nahmen aufgrund der steuerlichen Entlastungen mit 7,5 % noch etwas deutlicher zu.

Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte lag im Vergleich zum Vorjahresquartal um 8,7 % höher. Darin berücksichtigt ist auch die Energiepauschale. Die privaten Konsumausgaben nahmen in nominaler (nicht preisbereinigter) Rechnung um 9,3 % gegenüber dem Vorjahr zu. Die Sparquote der privaten Haushalte lag mit 10,8 % unter ihrem Wert vor Jahresfrist (11,5 %). Hier macht sich der starke Anstieg der Verbraucherpreise insbesondere für Energie und Nahrungsmittel bemerkbar: Die Haushalte reduzierten ihre Ersparnisbildung und wendeten einen größeren Teil ihrer verfügbaren Einkommen für den Konsum auf.

In der Jahresprojektion vom 25. Januar 2023 erwartete die Bundesregierung für das Jahr 2023 ein BIP-Wachstum von preisbereinigt 0,2 %. Mit der Veröffentlichung der detaillierten Ergebnisse durch das Statistische Bundesamt stellte sich heraus, dass sich die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal merklich schwächer entwickelte als zuvor angenommen. Damit ist die Möglichkeit einer „technischen“ Rezession im Winterhalbjahr 2022/23 gestiegen. Allerdings haben sich zuletzt Stimmungsindikatoren (ifo, ZEW) bei den Unternehmen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern tendenziell aufgehellt. Auch der Anstieg der Verbraucherpreise, insbesondere der Energiepreise, dürfte mittlerweile den Höhepunkt überschritten haben und im weiteren Jahresverlauf spürbar nachlassen. Von einer „ökonomischen“ Rezession, d. h. einem breiter angelegten und länger anhaltenden Abschwung, ist daher gegenwärtig nicht auszugehen. Die Bundesregierung legt ihre Frühjahrsprojektion am 26. April 2023 vor.